Rheinsberg: Stolpersteine für die Familien Leo und Hoffmann

Die Nazi-Schergen kommen in der Nacht. Sie holen den jüdischen Rechtsanwalt Wilhelm Leo nur einen Tag nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 aus seinem Haus in Rheinsberg. Sein damals erst neunjähriger Sohn Gerhard muss mit ansehen, wie der Vater abtransportiert wird. Ein Erlebnis, das ein Leben lang eine seelische Last bleiben wird. Stolpersteine erinnern seit Dienstag vor der Rheinsberger Dr.-Martin-Henning-Straße 32 an die jüdische Familie Leo, die im September 1933 vor den Nazis aus Rheinsberg fliehen musste – die Eltern Wilhelm und Frieda Leo und ihr Sohn Gerhard. Die Töchter Ilse und Edith haben die Stadt bereits verlassen. Der Leiter des Rheinsberger Kurt-Tucholsky-Literaturmuseums Peter Böthig hat die Familiengeschichte der Leos intensiv recherchiert. Auf Initiative des Museums und der Evangelischen Kirchengemeinde konnten die fünf Steine für die Familie schließlich verlegt werden. In einer Zeit, in der antisemitische Hetze wachse, „brauchen wir manchmal dieses Stolpern“, so Pfarrer Christoph Römhild. Nach seiner Verhaftung war Wilhelm Leo, der in 1920-er Jahren einen Prozess gegen Goebbels gewonnen hatte, von der SA ins KZ Oranienburg gebracht worden. Später transportiert man ihn nach Sachsenhausen. „Wir wissen nicht, was er dort erlebt hat“, sagt seine Enkelin Doris Leo. „Er kam als gebrochener Mann zurück.“ „Dr. Leo war ein feiner Mensch“: Im Haus der Leos blühte einst ein reiches kulturelles Leben. Freunde kommen zu Besuch, es werden musikalische Abende veranstaltet. Enkelin Doris Leo kennt „die paradiesische Zeit in diesem Rheinsberg“ nur aus Erzählungen. Doch als sie Ende der 1950er-Jahre mit ihrem Vater Gerhard in Rheinsberg ist, sucht sie nach dem Haus. Der erste Rheinsberger, den sie anspricht, hat ihren Großvater gekannt. „Dr. Leo war ein feiner Mensch“, so erinnert er sich. Auch Thomas Pollak – Sohn von Wilhelm Leos Tochter Ilse – macht sich irgendwann auf die Suche nach dem Rheinsberger Haus. Nach den Erzählungen, die er über die glückliche Zeit in Rheinsberg gehört hat, hat er sich „ein weißes Schloss vorgestellt“. Beim ersten Anblick der Ziegelfassade ist er „ein wenig enttäuscht“. Doch auch für den heute in Frankfurt lebenden Psychoanalytiker ist das Haus Teil der erzählten Familiengeschichte. „Wilhelm Leo hat sehr gerne Klavier gespielt – Beethoven und Brahms“, sagt Pollak. Auch er spielt gerne – Sonaten von Brahms und Beethoven. Stolpersteine erinnern seit Dienstag zudem an die jüdische Familie Hoffmann, der einst das wohl luxuriöseste Gebäude der Stadt gehörte – die Villa Miralonda. 1923 hatte die Familie – bekannt durch ihr Berliner Modegeschäft an der Ecke von Friedrich- und Jägerstraße – Villa und Park gekauft. Doch das Glück im Wochenend- und Feriendomizil dauert nicht lange. „Die Verfolgung setzt sofort nach 1933 ein“, sagt Peter Böthig. Siegfried Hoffmann wird gezwungen, sein Berliner Modegeschäft zu verkaufen – „weit, weit unter dem realen Wert“, so Peter Böthig. Die Familie muss sich auch von ihrem Rheinsberger Besitz trennen. Zu Spottpreisen erwerben die Rheinsberger das kostbare Mobiliar aus der Villa. Von Frauke Herweg