Wie Rheinsbergs Pfarrer im Lockdown Gottesdienste hält

Der Pfarrer mit‘m PfarrRad – die Idee lag nahe, als Corona der Welt den Stinkefinger zeigte. Gottesdienste waren im Frühjahr auf einmal tabu – für den Rheinsberger Pfarrer Christoph Römhild ein No-go. Er sann auf Abhilfe. Startete mit Online-Gottesdiensten, als ihn eine Frau gefragt hatte, ob er die Predigten nicht im Internet übertragen könnte. „Als klar war, dass die Kirchen für Gottesdienste geschlossen bleiben müssen, habe ich sie dann einfach aufgezeichnet. Einfach mit dem Smartphone – und dann per Youtube ins Netz gestellt.“ Das war im März. Zuerst hielt er die Online-Gottesdienste in der St. Laurentius Kirche auf – später wurde ihm das zu eintönig. Der passionierte Radler Römhild setzte sich aufs Bike, das fortan zum PfarrRad wurde und drehte Draußen-Gottesdienste unter freiem Himmel. „Um die Schönheit der Schöpfung zu zeigen. Und die Schönheit in und um Rheinsberg“, sagt er. Seit er 2019 als Pfarrer in Rheinsberg startete, hat er die Gegend kennen- und schätzen gelernt. „Ich habe gar kein Auto“, sagt er. Ist also auch vor Corona schon immer viel auf dem Fahrrad unterwegs gewesen. „Ich habe ein auffällig großes Fahrrad – so kam es zu dem Wortspiel“, erklärt er das Motto der Youtube-Reihe, die er auch nach der Öffnung der Kirchen weiter fortsetzte. Denn: Er habe im Frühling schnell gemerkt, dass die Reichweite der Online-Andachten erfreulich ist. Bis zu 235 Aufrufe erreichte er anfangs. Mittlerweile besuchen regelmäßig zwischen 80 und 140 Menschen seinen Youtube-Kanal. So viele habe er selten in der Kirche sitzen. „Ich erreiche Menschen, die sonst nicht in die Kirche kommen“, freut er sich. Über Corona und die Herausforderungen der Zeit: Deshalb macht er weiter – einmal pro Woche stellt er eine neue Andacht ins Netz. Technisch war das anfangs eine Herausforderung: „Wir hatten in der Kirchengemeinde keinen Youtube-Kanal und auch keinen Facebook-Account. Wegen Corona haben wir das aber dann angelegt.“ Was aus der Not heraus geboren wurde, ist nun ein schöner Nebeneffekt. Worüber spricht er in den Andachten? „Ich habe überlegt: Was will ich den Leuten mitgeben?“ Er hat in einem Zyklus über Frauen in der Bibel gesprochen, über Corona und die Herausforderungen der Zeit. „Geduld etwa ist ein wichtiges Thema.“ Drehs an verschiedenen Orten: Und natürlich hat er auch Bezug auf Pfingsten genommen oder auf die Adventszeit. Die Titel machen neugierig, klingen poetisch: „Über weise Herzen, die beste Zuflucht & wirklich wichtige Dinge im Leben“, über „einen biblischen, tja, Kriminalfall: War’s ein Mann oder eine Frau?“, über den „wunderbar vielfältigen Wald, Perspektiven-Wechsel und die Pest“ oder über „ Dämonen, Tellerränder und eine geschickt argumentierende Frau“. Wie ist es, so ganz ohne Zuhörer zu predigen? „Es fühlt sich natürlich komisch an“, gesteht er. Kein Rascheln, kein Räuspern, kein Murmeln, keine Orgel. Auch jetzt noch, Monate später. „Man muss sich die Gemeinde vorstellen – das tue ich auch. Ich möchte Trost und Kraft geben. Genau wie bei den analogen Gottesdiensten.“ Anfangs unsicher vor der Kamera: Aber es würde schon sehr fehlen, wenn die Gemeinde beim Beten nicht dabei sei. „Dieses gemeinsame Sprechen zum Herrn ist schon wichtig für mich.“ Auch sei er anfangs vor der Kamera sehr unsicher gewesen: „Lese ich zuviel ab? Spreche ich deutlich genug? Ich habe viel dazu gelernt.“ Auch das Sprechen unter freiem Himmel. Die Draußen-Gottesdienste mit dem Fahrrad waren der zweite Schritt nach den digitalen Gottesdiensten in der Kirche. „Kommen Sie mit“, sagt er mit einem Lächeln in die Kamera er – mal im Talar, mal in Alltags-Klamotten. Mit dem PfarrRad oder auch zu Fuß nun nimmt er die Besucher seiner virtuellen Gottesdienste – eigentlich sind es eher Andachten – mit zu seinen Lieblingsplätzen. Hommage an die Region: Etwa an den Böbereckensee. Die Drehorte, wie er sie nennt, würden durch das besondere Licht und die verschiedenen Hintergründe eine völlig neue Qualität bekommen. „Es ist eine kleine Hommage an die Region. Und ein Mehrwert für meine Zuhörer.“ Es gebe da so „ein süßes Ehepaar aus Rheinsberg“, die ihm dankten, weil er ihnen „einen neuen Weg geschenkt hätte, den sie noch nicht kannten.“ Gänzlich unerfahren war Christoph Römhild im Digitalen nicht – er hat bereits Digitalprojekte für die Evangelische Kirche Deutschland gestemmt. Schon damals habe er gemerkt: „Wir erreichen mehr und andere Leute – nicht nur den typischen Gottesdienstbesucher.“ Letztere allerdings seien oft Senioren ohne digitalen Zugang. „Das war dann natürlich ein Problem, als es keine analogen Gottesdienste gab“, so Römhild. Er hat dann oft telefoniert, bis die Leitung glühte. Schrieb Briefe an die Gemeindemitglieder. „Der persönliche Kontakt – der fehlt schon. Auch mir“, sagt er. Manchmal habe er auch zufällige Gesellschaft. Einmal sei ihm der berühmte Schlosskater Sheldon durch den Dreh gelaufen. Sheldon, der seinen eigenen Facebook-Kanal mit immerhin 6800 Followern hat. „Wir haben unser Video in der Sheldon-Gruppe verlinkt – das haben dann 300 Leute gesehen. Das hat alle Rekorde gebrochen“, sagt Christoph Römhild und schmunzelt. Sonntagspredigten als Grundlage für den Youtube-Kanal: Irgendwann wird der zweite Lockdown Geschichte sein – wird er weiter Online-Gottesdienste drehen? „Ich habe so gute Erfahrungen damit gemacht – ich mache das einfach weiter“, sagt der sportliche Pfarrer. Es sei eigentlich recht unkompliziert. „Ich nehme einfach die letzte Sonntags-Predigt und arbeite sie für Online um“, sagt er optimistisch. Ein wenig traurig ist er nur, dass es keinen Weihnachts-Gottesdienst an Heiligabend geben konnte. „Nicht einmal draußen – aber angesichts der steigenden Infektionszahlen haben wir uns schweren Herzens entschlossen, den ausfallen zu lassen. Wir nehmen es ernst, die Menschen schützen zu wollen.“ Er habe aber einen Gottesdienst gefilmt und gepostet. Und für alle, die mal wieder echte Kirchenluft schnuppern wollen: „Es gibt die offene Kirche. Da wird oft live Orgel gespielt – zumeist zur Gottesdienstzeit“, erzählt Römhild. Wenn auch nicht über Weihnachten. Das wurde jüngst beschlossen. Von Regine Buddeke