Schon jetzt fährt Marianne Wittig jeden Tag etwa 100 Kilometer, um zu ihren Patienten zu kommen. Und die Nachfrage steigt. Denn die 42-jährige Frau ist die einzige Familienhebamme im Landkreis Ostprignitz-Ruppin.
Die ausgebildete Hebamme, die sich fortgebildet hat, will mit ihren Beratungen und Tipps bei sehr jungen Familien sowie bei Müttern mit Problemen dafür sorgen, „dass erst gar nichts Schlimmes passiert“ und stattdessen „die Freude am Kind wächst“ – auch wenn die Mutter psychisch krank oder drogenabhängig ist oder es ganz andere Sorgen gibt. Es gehe vor allem darum, eine „tragfähige“ Bindung zwischen dem Kind und der Mutter sowie der Familie aufzubauen, sagt Marianne Wittig, die selbst zwei Kinder hat.
Kreis-Sozialdezernentin Waltraud Kuhne wusste zunächst nicht, wie groß der Bedarf nach einem solchen Angebot ist. Deshalb bekam Wittig, die vorher als freiberufliche Hebamme und danach in der Schwangerenberatung des Landkreises tätig war, zunächst nur eine halbe Stelle als Familienhebamme.
Angefangen hat Marianne Wittig mit fünf betreuten Familien und 45 Hausbesuchen. Im vergangenen Jahr waren es schon 29 Familien und 182 Hausbesuche und von Januar bis Juni in diesem Jahr 32 Familien und 197 Visitationen. „Viel mehr geht nicht“, sagt Amtsärztin Dagmar Sissolak.
Betreuung bis zum ersten Geburtstag
Für die Medizinerin steht fest, dass es auch in der Region schon immer Familien und Alleinerziehende mit Problemen gab, die sich nach der Geburt des Kindes noch eine Hilfe gewünscht hätten. Doch eine „normale“ Hebamme kommt meist nur in den ersten acht Wochen nach der Niederkunft.
Die Familienhebamme berät indes bis zum ersten Lebensjahr des Kindes, auch wie man am besten mit so genannten Schreibabys umgeht, welches Spielzeug geeignet ist und wo man eigentlich das Kindergeld und einen Kitaplatz beantragt.
Wegen der großen Nachfrage hat Marianne Wittig seit einem Jahr eine volle Stelle als Familienhebamme und betreut täglich drei oder vier Klienten. „Das Angebot wird bekannter“, sagt Amtsärztin Dagmar Sissolak. Das liegt vermutlich nicht allein an der Mund-Propaganda, sondern auch daran, dass inzwischen alle Frauen- und Kinderärzte der Region von der Familienhebamme wissen.
Neun Jahre in Potsdam gearbeitet
„Meistens werde ich vermittelt“, sagt Marianne Wittig, die, bevor sie 2008 nach Neuruppin kam, neun Jahre in Potsdam gearbeitet hat. Oft gibt es den ersten Kontakt mit der Familienhebamme unmittelbar nach der Geburt des Kindes – erst recht, wenn es sich um Minderjährige oder sehr junge Mütter und Väter handelt, die sich mit der neuen Situation überfordert fühlen. Doch auch die „Familienservicestelle“ im Gesundheitsamt vermittelt den Kontakt zu Marianne Wittig.
„Wir sind mit ihr sehr gut aufgestellt“, sagt Gesundheitsdezernentin Kuhne. Deshalb sei eine zweite Familienhebamme für den Landkreis derzeit kein Thema – trotz der großen Nachfrage.
Von Andreas Vogel