Das gab es in Wittstock noch nie: Der Marktplatz wird am Samstagnachmittag zu einem außergewöhnlichen Spielplatz. Dort steht eine Schachpartie in ganz großem Stil auf dem Programm.
Möglich macht es das Lebendschach-Ensemble aus Ströbeck bei Halberstadt. Es bringt ein Schachspiel vom Brett aufs Pflaster. Das Ganze funktioniert so: Zwei Spieler treten im kleinen Sitzungssaal des Wittstocker Rathauses gegeneinander an – Matias Lazarte vom Schachclub Wittstock und Großmeister Michael Richter.
Acht mal acht Meter großes Spielfeld
Jeder Zug, den sie machen, wird auf ein acht mal acht Meter großes Schach-Spielfeld auf dem Marktplatz übertragen. Die Figuren sind nicht aus Holz, sondern Menschen – Mitglieder des Lebendschach-Ensembles.
Als Verbindungsmann und Kommentator fungiert Großmeister Raj Tischbierek. Er steht am geöffneten Fenster des kleinen Sitzungsraumes im ersten Stock und ruft den Akteuren auf dem Marktplatz die Züge zu, die die Spieler hinter ihm am Brett vollziehen. So wird das Ensemble „ferngesteuert“ und macht das Spiel für die Besucher unten nachvollziehbar. Die 130 Sitzplätze sind belegt und reichen längst nicht für alle Besucher.
Höhepunkt des Schachturniers
Das mindestens deutschlandweit einzigartige Lebend-Schach-Ensemble nach Wittstock zu holen, war die Idee von Akteuren des Schachclubs Wittstock.
Die veranstalten am Wochenende das 7. Turnier „Ran an den Turm“. 220 Teilnehmer sind in der Stadthalle dabei. Doch das Lebendschach-Ensemble ist der Höhepunkt der Veranstaltung – ein Erlebnis, das nicht nur Schachspieler anspricht.
Die Figuren werden von Kindern und Erwachsenen in historischen Kostümen dargestellt. Eingerahmt wird das Ganze von mehreren Tänzen. Moderator Joachim Borgmann vom Ensemble kommentiert die Auftritte und erzählt von der 1000-jährigen Schach-Tradition in Ströbeck.
Schach in der Schule
Dort lernten die Kinder das königliche Spiel schon in der Schule und bekämen dafür auch Noten. Es gebe ein „Gasthaus zum Schachspiel“ und statt eines Marktplatzes einen „Platz zum Schachspiel“, in dessen Pflaster ein Schachbrettmuster eingearbeitet ist. Außerdem befindet sich in Ströbeck das einzige Schachmuseum Deutschlands, und der Ort ist im bundesweiten Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes verzeichnet.
Das Ensemble reist mit rund 50 Leuten in Wittstock an. „Wir haben jährlich nur ein bis zwei Auswärts-Auftritte, weil das sehr aufwendig ist“, sagt Susanne Heizmann vom Ensemble.
Blumenthaler Kinder helfen aus
Da in Sachsen-Anhalt noch Osterferien sind, sind einige Kinder-Darsteller nicht verfügbar. Deshalb springen sechs Kinder aus Blumental ein, um das Schachbrett zu komplettieren.
Das Turnier „Ran an den Turm“ geht am Sonntag zu Ende. Unter den Teilnehmern ist auch Wolf-Dieter Holtz aus Potsdam. Er war Leichtathlet bei den Olympischen Sommerspielen 1964 in Tokio, lief dort die 1500-Meter und schied im Halbfinale aus. Seit zwei Jahren hat er sich dem Schach verschrieben.
Vize-Bürgermeisterin ist überwältigt
„Ich bin überwältigt von der Zahl der Schachfreunde. Ich freue mich vor allem über die vielen jungen Leute, die dabei sind“, sagt Vize-Bürgermeisterin Dorothea Stüben bei der Eröffnung des Turniers am Freitagabend und verkündet: „Wir müssen schauen, wo euch die Stadt noch stärker unterstützen kann.“ Sie dankt Organisator Rainer Knöchel vom Schachclub Wittstock für das große Engagement bei der Organisation der Veranstaltung.
Von Björn Wagener