Störche in Dranse Wernikow Eichenfelde und Klein Haßlow beringt

Wer Störche in der Region mag, dem will Ornithologe Jürgen Kaatz aus Dranse jetzt helfen, mit Gleichgesinnten zusammen zu kommen. Unter dem Titel „Wittstocker und Heiligengraber Storchenfreunde“ möchte er ein Netzwerk in Form eines lockeren Zusammenschlusses auf die Beine stellen. So sollen die Menschen vor Ort eine Möglichkeit bekommen, sich rund um das Thema Storch auszutauschen und Erfahrungen weiter zu geben. Kaatz ist noch immer in Dörfern beider Kommunen unterwegs, um junge Störche zu kennzeichnen, obwohl er kürzer treten möchte. „Eigentlich wollte ich ja nicht mehr so viele Störche beringen.“ Selbst um eine Hebebühne kümmern: Deshalb hatte ich die Option ausgegeben, es nur dann zu übernehmen, wenn sich die Leute vor Ort selbst um eine Hebebühne kümmern“, sagt er. Aber das habe nur wenige „abgeschreckt“. Und so macht er am Donnerstagabend mit seinem Helfer Lutz Behrend aus Neu Biesen und einer Hebebühne der Firma Nikolowius wieder einmal die Runde: Vier Nistplätze stehen auf dem Programm: Dranse, Klein Haßlow, Eichenfelde und Wernikow. Der Abend wird noch Erstaunliches zutage fördern. Fast ein kleines Volksfest: „Ich sehe schon, bei euch habe ich das Storchenvirus erfolgreich übertragen. Und es ist viel ungefährlicher als Corona“, sagt Jürgen Kaatz beim Anblick dessen, was in Klein Haßlow los ist. Es herrscht beinahe Volksfeststimmung. Der Mast mit dem Nest auf dem Grundstück von Wolfgang Ramin ist umringt von rund 60 Leuten aus dem Dorf und umliegenden Orten, darunter viele Kinder mit ihren Eltern. Die Hebebühne fährt hinauf. Eines der Elterntiere bleibt auch dann noch bei den Kleinen, als die Bühne schon direkt am Nest ist. Als die Junioren wenig später wohlbehalten in dem mit einem Handtuch ausgeschlagenen Wäschekorb unten ankommen, ist die Aufregung bei Mensch und Tier gleichermaßen groß. Junge Störche umringt von Kindern: Während die Vogeleltern ums Nest kreisen und die Kleinen nicht aus den Augen lassen, haben die Kinder schon die Jungtiere umringt. Jeder möchte sie streicheln, während sie regungslos am Boden liegen. „Dieses Verhalten nennt sich Akinese“ erklärt Kaatz. Soll heißen: Wer nicht flüchten kann, duckt sich, bleibt ruhig und hofft das Beste. Dann machen die Männer ihre Arbeit. Routiniert befestigt Jürgen Kaatz die jeweiligen Ringe, die die Störche ausweisen und Auskunft über ihre Herkunft geben. Wenig später sind die Kleinen wieder in luftiger Höhe zu Hause. Dieses Prozedere läuft auch in den anderen Dörfern ganz ähnlich ab. Auf dem Grundstück von Thomas Behrendt in Eichenfelde sind nur wenige Gäste dabei. So geht das Beringen noch schneller. Plastikreste werden Störchen gefährlich: Gerade dort wäre die gesamte Brut beinahe umgekommen. Die Vögel hatten Plastikfolienreste, die sie in der Umgebung fanden, zum Nestbau verwendet. Fatale Folge: Regenwasser fließt nicht ab. Die Kleinen liegen im Wasser, bekommen eine Lungenentzündung und sterben meist rasch. Das konnte zum Glück gerade noch verhindert werden. Thomas Behrendt hatte das Problem rechtzeitig bemerkt. In Wernikow erleben rund 15 Besucher die Beringung. Dort gibt es eine Webcam, die von einem Scheunendach aus das Nest „im Blick“ hat. Storchenkinder in den Korb, hinunter, ein wenig streicheln, Ringe anlegen, wieder hinauf. Fertig. Einer der Altstörche in Wernikow stammt aus Niedersachsen. Er zog unter anderem auch schon in Freyenstein und Grabow-Below in Mecklenburg-Vorpommern Junge auf. Seine Nachkommen schlugen später bei ihren Zügen teils die Südostroute über Israel als auch die Südwestroute über Spanien ein. Das beweisen Ringablesungen. „Es kann daran liegen, dass bei den Elterntieren jeweils die verschiedenen Routen genetisch verankert sind“, vermutet Jürgen Kaatz. Überall jeweils drei gut entwickelte Junge: Die Bilanz des Tages lässt den Fachmann staunen: In allen Nestern befinden sich jeweils drei Junge. Alle sind etwa vier Wochen alt, recht gut ernährt und nahezu gleich weit entwickelt. „Das habe ich noch nie erlebt. Und ich beringe seit 40 Jahren junge Störche im Raum Wittstock, Kyritz und Pritzwalk“, sagt er. Bisher habe es immer deutliche Unterschiede bei der Anzahl und dem Entwicklungsstand gegeben. Auch auffällig: Die Jungen werden etwas früher groß. Die Beringung habe sich in den vergangenen Jahrzehnten um 14 Tage nach vorn verlegt. „Da ist richtig was im Gange“, so Kaatz. Die Saat geht auf: Dass die Beringungsaktionen so viele Menschen in den Dörfern interessieren, ist für ihn ein gutes Zeichen: „Meine Saat geht langsam auf“, sagt er. „An der großen Aufmerksamkeit kann man messen, was die jahrzehntelange Arbeit gebracht hat. Es ist schön, die Leute zu begeistern. Sie sind richtig interessiert. Diesen Geist in die Dörfer zu tragen, war mir immer wichtig“, sagt Kaatz. Er will den „Acker nicht brach hinterlassen“, wenn er eines Tages selbst keine Störche mehr in der Region beringt. Denn sein Lebensmittelpunkt verlagert sich nach Dänemark. Die lockere Vereinigung von Storchenfreunden soll das gewachsene Interesse an den Tieren weiter festigen. Wer dabei sein möchte, darf sich gern melden. Weitere Beringungen in Siebmannshorst und Zaatzke sollen in den nächsten Tagen folgen. Storchenfreunde aus Wittstock und Heiligengrabe können sich an Jürgen Kaatz wenden, wenn sie dem Netzwerk angehören möchten: Tel.: 033966/6 05 65. Von Björn Wagener