Fallada-Kenner liest im Wusterhausener Literatur-Café

Sich mit Werken des Schriftstellers Hans Fallada intensiver zu beschäftigen – das führt meistens zu neuen und interessanten Erkenntnissen. Hinter jeder Geschichte steckt oft eine weitere. Diese Erfahrung hat wohl so mancher der zahlreichen Gäste des Wusterhausener Literatur-Cafés machen können. Zur ersten Ausgabe der beliebten Veranstaltungsreihe in diesem Jahr, hatten am Mittwoch die örtliche Bibliothek und der Förderverein der Bibliotheken im Landkreis Ostprignitz-Ruppin zu einer Lesung mit dem Fallada-Kenner Wolfgang Hörmann in den Alten Laden des Herbst’schen Hauses eingeladen – nicht zum ersten Mal. Der ehemalige Kyritzer Redaktionsleiter der MAZ ist seit 1998 Mitglied der Hans-Fallada-Gesellschaft und beschäftigt sich intensiv mit dem Werk und dem Leben des grandiosen aber auch widersprüchlichen Erzählers Rudolf Ditzen alias Hans Fallada. Fuhrbetrieb kann neben der Automobilkonkurrenz nicht bestehen: Ausgewählt hatte Wolfgang Hörmann dieses Mal das Buch „Der eiserne Gustav“. Zum Inhalt: Es ist die Zeit von 1914 bis 1924. Der Fuhrbetrieb des Droschkenkutschers Gustav Hackendahl, im Roman der eiserne Gustav, kann neben der Automobilkonkurrenz nicht bestehen. Da beschließt er trotzig eine letzte Reise mit der Droschke von Berlin nach Paris und zurück. Wolfgang Hörmann berichtete, dass es den eisernen Gustav wirklich gab. Nur hieß er Gustav Hartmann. Am 2. April 1928 startete der mit seiner Droschke und dem Wallach Grasmus nach Paris (über 1000 Kilometer). Der Zeitungsreporter Hans Hermann Theobald begleitete ihn. Anstand und Gehorsam: Fallada verlegte seine Geschichte in die Zeit von 1914 bis 1924. Sein Protagonist heißt Gustav Hackendahl, ist wilhelminisch geprägt und vertritt seine Vorstellungen von Anstand und Gehorsam. Dass diese Werte nicht mehr zählen, muss Hackendahl am Verhalten seiner Kinder feststellen. Im vergangenen Jahr ist der Roman beim Aufbau-Verlag erstmals in der Fassung erschienen, die dem Originalskript am nächsten kommt. Denn Hans Fallada war 1938 gezwungen, den Schluss zu ändern, erzählte Hörmann. Minister Joseph Goebbels ließ seinerzeit den Text wegen fehlender Propagandawirkung nicht genehmigen. Fallada hätte diese erzwungene Änderung des Filmmanuskriptes immer als Nazi-Schwanz bezeichnet, erfuhren die Zuhörer in Wusterhausen. Verschollene Urfassung rekonstruiert: In der DDR rekonstruierte dann Günter Caspar 1962 für den Aufbau-Verlag die verschollene Urfassung, die seitdem als die gültige angesehen wurde. Hier fehlen allerdings zahlreiche Passagen vom Originaltext. Offenbar standen sie den damaligen kulturpolitischen Vorgaben der DDR entgegen. Verschollen ist das Originalmanuskript. Dass der Roman aber endlich so zu lesen ist, wie es sich der Verfasser wohl gewünscht hätte, ist der Fallada-Biografin Jenny Williams, Professorin an der Dublin City University, zu verdanken. Deren Anspruch war es, der Roman-Urfassung so nah wie möglich zu kommen. Falladas großes Werk wurde von allen politischen Eingriffen befreit und besitzt nun den ursprünglichen Schluss. Hans-Fallada-Archiv in Carwitz: Dafür musste die erste Version rekonstruiert werden, zum Beispiel durch die Auswertung von Briefverkehr. Das bedeutete für die Herausgeberin eine Puzzle-Arbeit. Handschriftlich und mit der Maschine geschrieben ist der sogenannte Nazi-Schwanz noch vorhanden. Diese ehemaligen Schlussseiten befinden sich im Hans-Fallada-Archiv in Carwitz (Mecklenburg-Vorpommern), dessen Besuch Wolfgang Hörmann seinen Zuhörern ausdrücklich empfahl. Zum Literatur-Cafélädt die Wusterhausener Bibliothek wieder am 18. März um 14.30 Uhr in den Alten Laden des Herbst’schen Hauses ein. Dann präsentiert Stephanie Turzer ihr Buch „Die Malerin vom Jacobsweg – Von der Schorfheide in die Prignitz“. Am 25. April, Welttag des Buches, ist die Schauspielerin Susann Kloss um 19 Uhr zu Gast im Alten Laden. Ihr Programm steht unter dem Titel: „Keine Hochzeit ist auch keine Lösung“. Anmeldungen sind unter 033979/8 77 60 erwünscht. E-Mail: bibliothek@wusterhausen.de Er las dann sehr lebendig und ausdrucksstark Passagen aus dem Roman. Und so hatte man das Geschehen regelrecht bildlich vor Augen: Zum Beispiel Gustav Hackendahl mit seinen Pferden auf dem Weg zur Musterung durch Berlin. Sie werden im Ersten Weltkrieg gebraucht und der stramme Preuße Hackendahl ist stolz darauf, das Liebste was er auf Erden besitzt, seine Pferde, dem Kaiser zu geben. Nicht nur Söhne, auch Pferde für das Vaterland! Das Militär bekommt, was es braucht. Berliner Schnauze und die schnarrende Stimme eines Wachtmeisters imitierte der Vortragende gekonnt, zur Freude der Zuhörer. 825 Seiten – da ist Durchhaltevermögen gefragt: Deren Erwartungen an die Lesung wurden auf jeden Fall erfüllt. Und sie animierte dazu, wieder einmal ein Buch des bedeutenden Schriftstellers in die Hand zu nehmen. Dazu bedarf es beim Roman „Der eiserne Gustav“ allerdings auch eisernen Durchhaltevermögens. Mit nachfolgenden Erläuterungen umfasst das Werk 825 Seiten. Von Renate Zunke

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