Wie Ostprignitz-Ruppin mit den neuen Gesundheitsbuddys derzeit zum Vorreiter in der Alltagshilfe für ältere Menschen wird

Was in der Großstadt funktioniert, sollte auch auf dem Land möglich sein, sagt Gisela Gehrmann. Und nach den vergangenen Wochen ist diese Altersspezialistin aus Potsdam sich zunehmend sicher, dass es was wird in der Region mit den von ihr geschulten ehrenamtlichen Alltagshelfern zur Unterstützung älterer Menschen. Nicht im Sinne von gewöhnlicher Pflege. „Wir sorgen für Bewegung, bringen Schwung in die Bude“, sagt sie. Was dahingehend aktuell in Ostprignitz-Ruppin passiert, könnte beispielgebend für das ganze Land werden beziehungsweise explizit die ländlichen Räume. Ein Ziel ist es dabei, nach der Ausbildung von ehrenamtlichen Alltagshelfern, genannt Gesundheitsbuddys, auch feste Arbeitsplätze zu schaffen, etwa als Koordinatoren für diese Leute. Pflegekassen übernehmen auch Kosten der Alltagsbegleitung: Wer als Begleiter ehrenamtlich aktiv wird, kann ebenso eine Vergütung bekommen. Die Pflegekassen übernehmen eben nicht nur die gewöhnlichen Pflegekosten, sondern unter bestimmten Bedingungen die Kosten dieser Alltagsbegleitung bei Menschen. Jede Kommune könnte so etwas umsetzen, wie es derzeit in der Gemeinde Wusterhausen im Aufbau ist. Dort startete das Förderprojekt des Europäischen Sozialfonds und des Arbeitsamtes kürzlich zunächst in Barsikow mit einem entsprechenden Kurs. Barsikower Ärztin und Physiotherapeutin als Dozenten: Es geht dabei um die Einsicht in Alterungsprozesse, um Verständnis für Probleme, die im Alter auftreten können. Es wird gelehrt, Widerstandskräfte von Senioren zu stärken und ihre Lebensqualität zu verbessern. Es ist ein Angebot für alle, die selber oder in ihrer Umgebung mit dem Älterwerden konfrontiert werden. Neben Gehrmann fanden sich dafür die in Barsikow lebende Ärztin Anna Funke und die Barsikower Physiotherapeutin Svenja Derenko als Dozenten. Die Veranstaltung des Barsikower Dorfvereins in Zusammenarbeit mit dem Verein „Selbstbewusst altern in Europa“ aus Potsdam kam zufällig zustande. „Ich hatte Kontakte in den Landkreis, war 1999 in Wittstock für eine Arbeitsfördergesellschaft tätig und nun auf der Suche nach Projektpartnern eben fernab der sogenannten Metropolregion“, erklärt Gisela Gehrmann. Expertin auf dem Gebiet der Gerontologie: In Potsdam läuft d as Projekt „Gesundheitsbuddy“ schließlich längst. Seit 2015 wurden bereits binnen dreier Jahre 60 solcher Helfer ausgebildet. 40 Stunden dauerte auch für sie die Weiterbildung, in der sie alles über die Zusammenhänge im menschlichen Körper und die Besonderheiten des Alters gelernt haben: Ernährung, Bewegung, Schlafrhythmus. „Man kann nicht alles den Pflegediensten überlassen“, erklärte die Altersspezialistin Gisela Gehrmann seinerzeit bereits. Die gebürtige Anhaltinerin, die seit 1980 in Potsdam lebt, qualifizierte sich nach der Wende zu Ostdeutschlands erster Diplom-Gerontologin, sprich Altersexpertin. 2005 gründete sie „Schickes Altern“, ein Projektbüro und (Bildungs-)Treffpunkt für junge Alte. Weiterer Kurs läuft seit Montag in Wusterhausen: „In Barsikow kamen nun so einige Leute aus der Umgebung dazu, so dass wir uns sagten, es könnte auch in Wusterhausen ein Kurs angeboten werden“, erklärt Gisela Gehrmann. Siehe da: Am 14. September folgte eine entsprechende Infoveranstaltung rund um das Thema „Vergesslichkeit im Alter“ und zur Ausbildung zum ehrenamtlichen Gesundheitskumpel, auf Englisch „Buddy“. „Direkt wurde eine neue Ausbildung angesetzt“, berichtet Jaqueline Salih vom Ortsbeirat. An diesem Montag, 28.September, ging es im Veranstaltungsraum des Wegemuseums mit dem kostenlosen Angebot los. Keine Prüfungen, keine Verpflichtungen: Inhalt der zehn Lerneinheiten laut Salih: unter anderem das Altern, Kommunikation mit älteren Menschen, Bewegung im Alltag, Gleichgewichtsstörungen, Pflegeversicherung und rechtliche Rahmenbedingungen für Ehrenamtler. „Ziel der Ausbildung ist es, Interessierte mit Rüstzeug für den Umgang mit pflegebedürftigen Menschen zu versorgen. Die ehrenamtlichen Besuchsstunden bei den Älteren werden mit einer kleinen Aufwandsentschädigung honoriert“, weiß die Wusterhausenerin mittlerweile ebenso: „Es gibt keine Prüfungen und auch keine Verpflichtung als Gesundheitsbuddy tätig zu werden.“ Veranstaltungen in Schönberg und Lögow: Wer kurzfristig noch mitmachen möchte, wendet sich an Ortsvorsteherin Petra Buschke unter 033979/1 43 05 oder schreibt eine Mail an ortsbeirat@wusterhausen.de. Mehr noch: Auch im Wusterhausener Dorf Lögow erfolgte am vergangenen Montagnachmittag eine Infoveranstaltung zu diesem Thema. Genauer: „Wie viel Vergesslichkeit im Alter ist normal? Was kann ich für ein fittes Gehirn tun?“ Anschließend referierte Gisela Gehrmann zusätzlich in Schönberg. „In Schönberg war ich damit sogar zwei Mal“, erzählt sie. Helfer wollen mit ihrem Angebot in Anspruch genommen werden: Wobei es hier jeweils darum ging, die älteren Menschen über das Angebot zu informieren. Es gelte, ranzukommen an jene, die eigentlich den Bedarf dazu haben müssten. „Die Bereitschaft zu einem solchen Engagement ist jedenfalls hoch.“ Doch es sei eben wie bei vielen solchen Helferkreisen: Es stehen zunächst mehr Leute da, die unterstützen wollen, und anfänglich nehmen es nur zu wenige in Anspruch. Ein ähnliches Phänomen gab es bei den ehrenamtlichen Einkaufshelfern während der Corona-Krise zu erleben. Von Österreich über Belgien nach Brandenburg: Bislang scheint für Gisela Gehrmann dennoch alles nach einem Erfolg auszusehen: „Das nahm ja seinen Anfang an der Uni in Wien und gab es dann auch für Senioren in Belgien. Den Begriff haben wir gleich mit übernommen.“ Und nun haben die Gesundheitsbuddys also das ländliche Brandenburg erreicht. Von Matthias Anke