Bad Belziger gedenken der Holocaust-Opfer aus der Region

Anlässlich des 75. Jahrestages der Auschwitz-Befreiung haben zahlreiche Bad Belziger am Montag der Shoah-Opfer gedacht. Auf den Treppen des Bad Belziger Rathauses wurden die Namen von 145 Menschen aus dem ehemaligen Landkreis Zauch-Belzig verlesen, die im Holocaust entrechtet, vertrieben und ermordet wurden. Auch Angehörige und Überlebende befinden sich auf der Opferliste, die Mitglieder des Vereins Belziger Forum auf Grundlage der NS-Volkszählung von 1939 zusammengestellt haben. „Ich glaube, wir können uns alle nicht vorstellen, wie die letzten Minuten dieser Menschen ausgesehen haben“, sagte Wolf Thieme vom Belziger Forum. Es sei wichtig, sich an die Namen der jüdischen Mitbürger zu erinnern. Denn 75 Jahre nach Kriegsende gebe es in der Region zwar Kriegsdenkmäler für gefallene Soldaten, aber keine Denkmäler für die Opfer. Kein Vergessen: Neben Wolf Thieme vom Belziger Forum trugen auch Landrat Wolfgang Blasig (SPD), Bürgermeister Roland Leisegang (parteilos), Ingo Kampf (SPD), Astrit Rabinowitsch (Die Linke) und der Landtagsabgeordnete Günter Baaske (SPD) einige Namen vor. Über 50 Menschen fanden sich vor dem Rathaus zusammen, um der jüdischen Opfer zu gedenken. Manche von ihnen verlasen ebenfalls einige Namen. Der Historiker Florian Völker hat dabei geholfen, die Namensliste auf Basis der nationalsozialistischen Volkszählung von 1939 zu ergänzen und die Geschichten hinter den Namen aufzudecken. „Bei den meisten ist nicht viel mehr bekannt, als das, was auf der Liste steht“, erzählt er. Das sei meistens ein Name, ein Geburtsort und eine Todesursache, manchmal auch ein Beruf. Manchmal aber auch viel weniger. Den Opfern einen Namen und ein Gesicht geben: Die Opfer kamen aus Belzig, Niemegk, Reetz und Treuenbrietzen; aus Michendorf, Beelitz oder Wiesenburg. Sie waren Lehrer, Kaufleute oder Schüler. „Es sind nicht einfach ’die Toten’, erklärt Meike Achtnichts. „Aus dem ’Allgemeinjuden’ müssen Menschen gemacht werden.“ In den Köpfen müsse der anonyme Sammelbegriff „die Juden“ durch Namen und Gesichter ersetzt werden, durch Käthe, Karoline oder Werner. Die Erinnerungskultur habe sich zwar ein Stück weit in diese Richtung bewegt. Die im vergangenen Jahr in Bad Belzig verlegten Stolpersteine und das große Interesse an der Ausstellung „Jüdisches Leben im ländlichen Raum 1933-1945“ seien ein gutes Beispiel dafür. Lange Zeit habe man sich in der Region jedoch nicht genug mit der jüdischen Geschichte und den Holocaust-Opfern aus der Nachbarschaft auseinandergesetzt. Warnung vor zunehmendem Antisemitimus: Antisemitismus sei kein Phänomen aus vergangenen Zeiten, sondern heute wieder mit steigender Tendenz in der Gesellschaft sichtbar, sagte Wolf Thieme. Um dies zu untermauern, zitierte er aus der Kriminalitätsstatistik des Polizeipräsidiums Potsdam. Demnach hat sich die Zahl antisemitischer Straftaten im vergangenen Jahr drastisch erhöht. 2018 zählte das Polizeipräsidium 56 Fälle, allein bis Oktober 2019 stieg die Zahl auf 94. „Ich kann nur hoffen, dass es nicht so weitergeht“, sagte Wolf Thieme. Wer einen Blick ins Internet werfe, erlebe eine Verrohung der Sprache. Nicht nur gegenüber Juden, sondern auch gegenüber Geflüchteten, Homosexuellen und anderen Minderheiten. „Deswegen ist das hier nicht nur eine Gedenkveranstaltung, sondern auch eine Mahnung.“ Von Hannah Rüdiger

Auschwitz-Befreiung - Bad Belziger gedenken der Shoah-Opfer aus der Region