Ein Bad Belziger transportiert Volkes Meinung in den Bundestag

Das wünschen sich viele: Den Politikern die Meinung sagen und Vorschläge unterbreiten, was sie verändern sollen. 169 zufällig ausgeloste Menschen aus der ganzen Republik haben jetzt Gelegenheit dazu. Dirk Adams aus Bad Belzig unterstützt die Auserwählten dabei technisch und organisatorisch. „Mich interessieren sowohl der Versuch der alternativen Bürgerbeteiligung als auch die inhaltlichen Fragen, die dort bearbeitet werden“, berichtet der 51-Jährige. Schon von Berufs wegen ist er als Trainer und Moderator damit vertraut, Plattformen für (interkulturelle) Begegnungen zu schaffen, Beteiligungsprozesse zu erforschen und zu begleiten. Nicht zuletzt ist der gebürtige Bochumer seit zehn Jahren im Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung (Zegg) zu Hause, wo er Gemeinschaftskultur lebt. Erfahrung aus Bürgerdialogen: 2019 und 2020 gehörte er außerdem zu den Organisatoren der Reihe „Bad Belzig spricht“ in Regie des Respekt e. V. „Bei den Dialog-Runden konnten Einheimische und Zugezogene, Bürger und Politiker auf Augenhöhe ins Gespräch kommen“, so Adams. So war seine Expertise durchaus gefragt, als sich der Bad Belziger im Herbst um die Mitarbeit als einer von etwa 70 Helfern an dem von mehreren großen Stiftungen finanzierten Projekt des Vereins „Mehr Demokratie“ bewarb. Das nun zusammengestellte Gremium vereint Frauen und Männer aus mehr als 57 Orten zwischen Rügen und Zugspitze, die auch nach Alter, Bildungsgrad und Herkunft einen Querschnitt der Bevölkerung darstellen. Eine Hand voll Brandenburger ist ebenfalls dabei. Fünf Themen werden bearbeitet: Das Gremium unter der Schirmherrschaft von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble soll nicht weniger als „Deutschlands Rolle in der Welt“ klären. Fünf Themen wurden festgelegt, die besprochen werden: Frieden und Sicherheit, Wirtschaft und Handel, Demokratie und Rechtsstaat, nachhaltige Entwicklung und Europäische Union. Seit 13. Januar berät der Bürgerrat zweimal wöchentlich darüber – mal im Plenum, mal in kleineren Einheiten. Immer Mittwoch von 18 bis 21 Uhr und Sonnabend von 9 bis 17 Uhr. Wegen der Covid-19-Pandemie ausschließlich online, was zumindest in der Auftaktphase vor allem für einige der älteren Teilnehmer technische Unterstützung erfordert hat. Inzwischen sind thematische Gruppen gebildet worden, wobei Dirk Adams einer Runde mit sieben Personen zur Seite steht. Sie beschäftigt sich mit der Agenda 2030 für Nachhaltigkeit, Bewältigung der Klimakrise und Empfehlungen für die Agrarpolitik. Ungeachtet seines eigenen Interesses daran muss Dirk Adams darauf achten, dass bei der Diskussion jeder zu Wort kommt und der Austausch der Argumente möglichst ausgewogen vonstatten geht. „Dass es auf den Handlungsfeldern künftig Veränderungen braucht, ist fast einhellige Auffassung“, so das Fazit des dreifachen Vaters. Doch pfiffige Ideen für die praktische Umsetzung sind erwartungsgemäß etwas schwieriger zu finden. Soviel darf vorab verraten werden. Ringen um Formulierungen: „Die Kunst besteht darin, die Anliegen auf den Punkt zu formulieren – weder oberflächlich, noch zu detailliert“, bestätigt Dirk Adams. Final soll das Programm des Bürgerrates für Deutschland nämlich mit einem Votum im März dann an den Bundestag weiter gereicht werden. „Diese Gelegenheit, so direkt die Politik beeinflussen zu können, begeistert die Leute und weckt Hoffnungen“, berichtet Dirk Adams. Er ist überzeugt, dass die Gesellschaft möglichst viele Partizipationsmöglichkeiten bieten sollte. Ob der Bürgerbeirat auf kommunaler Ebene in Bad Belzig eine Bewährungschance bekommt, ist jedoch noch nicht gewiss. Die Stadt kann jedenfalls dank einer Förderung als Demokratielabor neue Wege beschreiten. Von René Gaffron