Noch viele Bedenken zum Smart-City-Antrag in Wiesenburg

Das war knapp. Erst nach einer Beratungspause der drei Fraktionen an der frischen Luft hat die Gemeindevertretung Wiesenburg/Mark zugestimmt, sich mit Bad Belzig am Smart-City-Wettbewerb beteiligen. Dann wurde die wegen der Antragsfrist am 20. Mai getroffene Eilentscheidung der Vorsitzenden Marion Gante (FDP) und Bürgermeister Marco Beckendorf (Linke) mit großer Mehrheit bestätigt. Im besten Fall erhalten beide Kommunen also sechs Millionen Euro für sieben Jahre. Damit soll der Übergang ins digitale Zeitalter auf dem Land gefördert werden. Maßgeblich mit Hilfe des Vereins Neuland 21 aus Klein Glien wird –nach Aufnahme ins Programm – in den ersten 24 Monaten eine Strategie für den Hohen Fläming verfasst. Dann geht es 60 Monate um deren Verwirklichung. In Wiesenburg wird vor allem die Revitalisierung von Gewerbebrachen für die Zukunft angestrebt. Linke: Abgeordnete sollen vertrauen: „Wir waren nicht genug informiert“, befand Robert Pulz für die Abgeordneten. „Folgerichtig zeichnet sich ein Bild, dass nach Spaltung aussieht“, sagte der Hauptausschussvorsitzende. Dem Bürgermeister mehr zu vertrauen, lautet hingegen der Appell von Astrid Rabinowitsch (Linke). Schließlich handelt es sich ihrer Ansicht nach um ein im Ergebnis offenes Projekt. Bad Belzig hat unter anderem die Entwicklung eines interaktiven Stadtquartiers schriftlich fixiert. Das lässt ein breites Spektrum an Anwendungen in Privathaushalten und Kommunalwirtschaft, auch bei der Mobilität, offen. Wiesenburg hat konkrete Vorstellungen: Wohnen und Arbeiten auf dem Smart-Village-Campus, was letztlich das Gelände von Brauerei, Drahtzieherei und Sozialgebäude meint, gehört das Augenmerk. 5-G-Gegner fordern Forum: Auf die Euphoriebremse treten die vor allem in Schmerwitz beheimateten Gegner von der 5-G-Mobilfunktechnik um Gerd Seffner. Ob und wie sie im Zusammenhang mit den Smart-City-Aktivitäten zum Einsatz kommt, steht nach Aussage der Beteiligten nicht fest. In jedem Fall soll es ein Forum geben, bei dem Chancen und Risiken des technischen Standards ausgelotet werden. Es war schon für den 20. März organisiert und fiel dann der Covid-19-Pandemie zum Opfer. Ein neuer Anlauf wird im zweiten Halbjahr genommen. Das ist zumindest für Wiesenburg versprochen, während sich Bad Belzigs Bürgermeister Roland Leisegang (parteilos) damit zitieren lässt, nicht über ungelegte Eier reden zu wollen. „Wenn die Eier da sind, ist es schon zu spät“, beklagt Tino Aisch von der Anti-5-G-Inititiative. Er und weitere Kritiker fürchten, dass jetzt Tatsachen geschaffen werden. Begriffe sorgen für Befremden: Anlass geben ihnen mithin die in den Anträgen und Unterlagen verwendeten Begriffe. Real-Labore etwa, also Experimentierräume, in denen zwar einerseits Innovationen erprobt und andererseits Vorschriften temporär ausgesetzt werden. Oder: Mobilität on Demand (Fahrgelegenheiten auf Abruf), was wohl mit autonomen Fahrten zu realisieren wäre. Ob es die Nachfrage dafür gibt, ob sich die Daten in einem Fahrplan managen lassen und welche Funktechnik es dafür brauchen wird, will –unabhängig von der Smart-City-Initiative – der Kreis Potsdam-Mittelmark ermitteln, wie der Breitandbeauftragte Karsten Gericke bereits vor einiger Zeit berichtet hat. Kein Versprechen vom Verwaltungschef: Im Wissen um diese Parallelen wollte sich Marco Beckendorf nicht –wie von Johannes Blatt (Bündnis 90/Grüne) erhofft – das Versprechen abringen lassen, dass mit dem jetzigen Förderantrag noch kein Schritt für den 5-G-Ausbau im Hohen Fläming erfolgt. Das fordern die Gegner des 5-G-Netzes: Glasfasernetze in den Händen der Kommune als Grundlage einer strahlungsarmen Mobilfunkversorgung. Trennung von Innen –und Außenversorgung zum Schutz von Wohnungen. Betreiber müssen eine Technikfolgeabschätzungen gegenüber einer industrie- und regierungsunabhängugen Kommission leisten. Fortbestand des Rechtes, analog und ohne digitale Überwachung zu leben. Erhalt von funkfreien Gebieten für elektrohypersensibele Menschen. Die Abgeordneten wollten andere Gewissheiten. Ob in Krisenzeiten überhaupt noch Förderung in den Größenordnungen zu erwarten sei, wollte Ute Paulmann-Boll (SPD) wissen. Thilo Gramenz (CDU) interessierte sich für die Aufteilung der Eigenanteile zwischen Bad Belzig und Wiesenburg/Mark. Hier blieb der Rathauschef die klare Antwort schuldig. „Ich hätte mir gewünscht, dass die Fragen vorher eingehen“, reagierte Marco Beckendorf durchaus gereizt. Schließlich sie das Projekt transparent und häufig mit Interessierten besprochen worden, so dass er nicht die Diskussion erwartet habe, räumte der Bürgermeister ein. Letztlich konnte er eine Mehrheit überzeugen. Von René Gaffron

Mittelmark - Wiesenburg will smarter werden – aber nicht alle teilen die Euphorie