Schauspieler Frank Grünert aus Borne blickt auf sein verrücktes Jahr 2020 zurück

Was ist sonst noch so passiert? Oder gab es in diesem Jahr nur Corona? Und da ist es schon, das Wort – gleich zu Beginn! Also ist es wohl doch das wichtigste Ereignis des Jahres. Ohne Frage! Das, was ich gerade in mir und in kleinen und großen Kreisen um mich herum wahrnehme, das ist ein bisschen wie Science Fiction, etwas, was ich mit meinem mir zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht ganz fassen kann. Ein Bruch in nahezu allen Lebensbereichen. Bruchstellen, die Narben hinterlassen werden, die einen größer, die anderen kleiner, manches verwächst sich vielleicht nie, und die Hoffnung, manches verheilt ohne Folgen. Dabei fing das Jahr so gut an! Also bei mir, bei uns, im Burgkeller, oder besser gesagt, oben, auf dem Burghof, für mich mit zuviel Knallerei - aber gut. Mein Wunsch ist ein Knallverbot auf dem Burggelände, dann könnten wir da oben stehen, in Ruhe anstoßen und die bunten Sterne über der Stadt bei Sekt und Eierlikör aufgehen sehen. Nun, in diesem Jahr bleibt es wahrscheinlich still auf der Burg, aber Freude habe ich daran auch nicht. Es ist eben nie alles Gute beisammen. Erkenntnisgewinn in der Ferne: Eierlikör auf dem Burghof! Das neue Jahr fing gut an - mit Tradition. Alles, wie immer! Früher war mir das ein Graus: „Alles, wie immer“ – heute eine Sehnsucht. So schnell kann sich das ändern. Es kamen zwei wunderbare Monate, mit Neujahrskonzert, Friseurtermin, Geburtstagen Theaterproben, Oper und Wintersporturlaub (nein, nicht in Österreich). Ende Februar flog ich zum Theaterfestival nach Kuba. Ich hatte das Vergnügen, bei der Eröffnungsinszenierung mitzuspielen. Meine Rolle: ein alter kubanischer Bauer! Höflich fragte ich, ob das Besetzungsbüro vielleicht ein paar Bilder vertauscht hätte. No, das sei genau meine Rolle! So sehr können Selbst- und Fremdbild divergieren! Ich hoffe immer noch, dass nicht mein Aussehen für die Besetzung entscheidend war, sondern der Umstand, dass es die Rolle mit dem kleinsten Text war. Mangel ist nicht nur sozialistisch: Und dann erreichten mich die ersten Nachrichten aus Deutschland – Corona, Quarantäne, wachsende Infektionszahlen. Abends konnte ich bei den kubanischen Kollegen viel Heiterkeit mit neuen Bildern aus Deutschland hervorrufen. Geplünderte Geschäfte, leere Regale – Toilettenpapier und Nudeln ausverkauft! Da fühlte sich Kuba nicht mehr so allein mit seiner Mangelwirtschaft! Dann wurde es auch auf der Insel ernst, die ersten Fälle traten auf. Im Flughafen trug das Personal Masken. Ein seltsames Bild. So skurril, dass ich gerne Fotos gemacht hätte. Ich ahnte nicht, dass dieses Bild alltäglich werden würde. Ein neuer Coup ist geschrieben: Es folgte die Zeit der ausgefallenen Veranstaltungen, Burgkeller, Dr. Büchner, Jugendtheater – alles sehr ausgefallen. Ich begann, meinen Holzstall aufzuräumen. Den Sommerurlaub nutzten wir, um das neue Stück für die Olsenbande 2021 zu schreiben. Der Rest ist schnell erzählt; nach dem hoffnungsvollen Beginn mit vielen neuen Gesichtern im Jugendtheater, begannen bald die Zahlen wieder zu steigen. Einschränkungen, soziale Distanz, Lockdown. Selten hatte ich eine so ruhige Adventszeit – kein Dr. Büchner, keine Weihnachtsgeschichten, keine Silvesterveranstaltung. „Die Olsenbande gibt nicht auf“ wird es 2021 auf der Burg heißen. Wir aber auch nicht! Von Frank Grünert