Schmerwitz soll schon in Kürze mehr als 200 Geflüchtete aufnehmen

Die Gerüchteküche brodelt schon seit längerem: Tatsächlich will die Kreisverwaltung Potsdam-Mittelmark noch in diesem Frühjahr die ehemalige Seniorenresidenz „Schloss Schmerwitz“ als Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete nutzen. 224 Personen sollen in drei Gebäuden untergebracht werden. Das geht aus einer Beschlussvorlage für den nächsten Kreistag hervor. Sie wird am 21. Januar im Sozialausschuss beraten. Die Parlamentarier sollen dem Abschluss eines Mietvertrages zustimmen. In der umfangreichen Begründung verweist das Landratsamt Bad Belzig, das sich ansonsten zu dem Vorhaben aber in Schweigen hüllt, auf die Verpflichtung, kurzfristig etwa 450 Flüchtlinge aufnehmen zu müssen. 256 sind die Prognose für dieses Jahr. 200 sind noch Rückstand aus der 2020 nicht erfüllten Quote. Zwangszuweisung droht: Doch sind laut Fachbereichsleiter Bernd Schade sämtliche Kapazitäten zwischen Havel und Fläming erschöpft. 1930 Menschen sind demnach in kreiseigenen und angemieteten Wohnheimen untergebracht, darüber hinaus einige in kleineren Wohnquartieren. Mit der Abwicklung des Standortes Kuhlowitz, der vor Jahresfrist noch 90 Plätze bot, habe sich die Situation allerdings zugespitzt. Dessen ungeachtet sei im November eine sofortige Zwangszuweisung angedroht worden, falls keine freien Kapazitäten gemeldet werden. Bei dem ins Auge gefassten Areal handelt es sich um die ehemalige Kampfgruppenschule. Eigentümerin der Immobilie ist seit 1997 die Karlsruher Domus-GmbH. Sie könnte – bei einem Mietpreis von sechs Euro je Quadratmeter – eine mehr oder weniger unverhoffte Einnahme von 1,3 Millionen Euro in fünf Jahren verzeichnen. 2016 musste sie –bis dahin einmalig im Land Brandenburg – das von ihr nur mangelhaft betriebene Altersheim auf Anweisung der Aufsichtsbehörde in Cottbus schließen. Plattenbauten stehen leer: Während das unter Denkmalschutz stehende historische Gutshaus gerade saniert wird und ein paar Nebengebäude als Wohnungen oder Hotelzimmer vermietet werden, stehen die zu DDR-Zeiten richteten Plattenbauten am Rande leer. In den Häusern 3 und 4 könnten demnach je 38 Flüchtlinge und im Haus 5, der ehemaligen Senioren-Einrichtung, sogar 148 Personen unterkommen, heißt es in dem Papier. In dem wird die Infrastruktur des Dorfes gepriesen. Demnach habe die Gemeinde Wiesenburg/Mark freie Kapazitäten in den Kindertagesstätten, wochentags regelmäßige Busverbindung und demnächst könnte auch der Radweg an der B 246 nach Bad Belzig befahren werden. Aktuell schon zehn Prozent Geflüchtete: Das sehen Bündnis 90/Die Grünen komplett anders: Es fährt kein Bus nach 18 Uhr und an den Wochenenden lautet ihre vielmehr kritische Feststellung. Die Fraktion hat deshalb eine Stellungnahme formuliert, in der sie den Vorschlag der Verwaltung ablehnt. Schon aus Gründen der Ausgewogenheit, sollte keine Gemeinde überfordert werden. Das wäre aber mit der plötzlichen Verdopplung der Einwohnerzahl von Schmerwitz zu befürchten. Demnach zählt Schmerwitz aktuell 246 Einwohner, davon bereits 25 Geflüchtete – die in Rede stehende große Gemeinschaftsunterkunft könnte indes die bisher bewährten Integrationskapazitäten des Dorfes sprengen. Gemeinschaftsunterkunft nicht zeitgemäß: „Stellt sich schon die Frage, wo die 224 Heimbewohner jeweils einkaufen sollen“, sagt Burkhard Kroll. Der Kinderarzt aus Bad Belzig ist Mitglied der bündnisgrünen Kreistagsfraktion. Aus deren Sicht sind Gemeinschaftsunterkünfte mit kalkulierten sechs Quadratmetern pro Person grundsätzlich zur Unterbringung von Geflüchteten nicht mehr zeitgemäß. Sie befördern Konflikte, Depression und Infektionen; verhindern Autonomie und Integration. Also stellen Gemeinschaftsunterkünfte ein besonderes Risiko in Pandemie-Zeiten dar. „Ein weltoffenes Dorf wie Schmerwitz kann weitere Geflüchtete aufnehmen, in überschaubarer Zahl und in Wohnungen dezentral untergebracht“, meint Johannes Blatt. Er ist bündnisgrünes Mitglied der Gemeindevertretung Wiesenburg/Mark und hat maßgeblich daran mitgewirkt, dass 40 syrische Flüchtlinge 2015 vorübergehend in Schmerwitz ihre Bleibe gefunden haben. Die aktuelle Vorlage, so bittet er die Kreistagsmitglieder, sollte aber abgelehnt werden. Das Projekt 'Gemeinschaftsunterkunft Schmerwitz' stünde sonst für Isolation statt Integration. Von René Gaffron