Virtuelle Flaniermeile für Bad Belzig: Einzelhändler finden Idee gut

Ein virtueller Marktplatz für die Einzelhändler in Bad Belzig: Die Idee von Tobias Paul ist nicht neu, könnte aber in Zeiten des Lockdowns neuen Aufwind bekommen. Dem Sportlehrer und Fraktionsvorsitzenden der CDU in der Stadtverordnetenversammlung Bad Belzig fehlt es nicht an Umsetzungsideen. Doch, ist dies auch für die Einzelhändler attraktiv und neben dem analogen Geschäft mit Laufkundschaft personell und finanziell händelbar? Die MAZ hat sich bei Initiatoren und möglichen Nutzern umgehört. Vorteile für Händler und Kunden verknüpfen: Produkte online zu vertreiben und so auch im Lockdown Kontakt zu den Kunden halten ist in Zeiten der Pandemie ein Marketing-Tool geworden. Dies auch in professionelle Bahnen zu lenken ist die Vision von Bad Belziger Tobias Paul. „Bei einem elektronischen Kaufhaus lassen sich die Vorteile des Onlinehandels mit einer schnellen Lieferung verknüpfen“, sagt er. Im Idealfall sogar innerhalb von ein paar Stunden. Ein gelungenes Beispiel dafür fand er in Lüneburg. Der Onlineshop der Stadt fährt mit einem virtuellen Bummel auf, kategorisiert die Produkte übersichtlich und bietet den lokalen Händlern ein zweites Standbein für Marketing und Verkauf in der Region. Das könnte es auch in Bad Belzig geben. „Durch ein aufgelegtes Förderprogramm des Hasso-Plattner-Institutes sollte diese Idee unterstützt werden“, berichtet Kathleen Berger aus dem Sachbereich Wirtschaftsförderung der Stadtverwaltung. Die geplante Informationsveranstaltung im März 2020 konnte aufgrund der Corona-Pandemie aber nicht verwirklicht werden. „Hypothetisch könnte man sagen, dass, wenn sich Gewerbetreibende und die Stadt Bad Belzig für diese Möglichkeit entscheiden würden, die Implementierung relativ schnell vonstatten gehen könnte. Die Zuarbeit der Inhalte käme von den Unternehmen und sobald diese vorliegen, stünden diese online“, zeichnet Berger ein Bild von den Abläufen im Falle einer Umsetzung. Klassische Dienstleistungen haben das Nachsehen: Eine Möglichkeit wäre, das virtuelle Kaufhaus an die bereits bestehende Informationsseite der Stadt zum Thema Lieferservice zu knüpfen. Auch die Nutzung über die Bad Belzig-App wäre denkbar. Allerdings sollen zunächst die Einzelhändler ins Boot geholt werden. „Auch online seine Produkte anzubieten bedeutet natürlich zusätzlichen Aufwand, der auch professionell umgesetzt werden muss“, so Paul. Allein mit der Zuarbeit von Inhalten wird es für die Einzelhändler noch kein Selbstläufer: „Die Unternehmen müssen die Aktualität ihrer Angebote stets im Blick haben, der Versand und die Verpackung der bestellten Produkte kommen hinzu. Für Ein-Personen-Unternehmen, von denen wir in und um Bad Belzig einige haben, ist dieses schwer bis gar nicht leistbar“, schätzt Berger ein. Klassische Dienstleistungen wie Autoreparatur, ein Friseurbesuch oder eine Massage lassen sich allerdings anders als Waren hier auch gar nicht bestellen. Kosten-Nutzen-Verhältnis muss stimmen: „Gerade kleinere Unternehmen, die personell, technisch und/oder finanziell nicht über die benötigten Ressourcen verfügen, bietet ein Online-Kaufhaus die Möglichkeit, die Produkte virtuell zu präsentieren“, findet Anke Weltzien, die in Bad Belzig verschiedene Workshops rund ums Nähen und Stoffe zum Verkauf anbietet. Sie hat indes schon ganz eigene Erfahrungen mit dem Onlinehandel gemacht. „Ich kann sagen, dass zumindest für meinen Bereich das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht passte“, so Weltzien. Digitale Lizenzgebühren und ein hoher Pflege- und Aktualisierungsaufwand, etwa 20 Minuten pro eingestelltem Artikel, lohnten sich für die Unternehmerin nicht. Zudem müssten die regionale Online-Kaufhauslösung mit dem eigenen Kassen- und Warenwirtschaftssystem kompatibel sein. „Nichts ist schlimmer, als einen Artikel online zu kaufen, zu bezahlen und dann hinterher zu erfahren, dass der Artikel parallel im Laden verkauft wurde“, sagt Weltzien. Virtuelles Schaufenster und frische Gewerbeübersicht: Dennoch ist sie dem Projekt nicht generell abgeneigt, sondern hat sich Gedanken gemacht, wie auch ihr Unternehmen Teil des Projektes werden könnte: „Vorstellen könnte ich mir, nur einen Teil meiner Ware in einem Online-Kaufhaus anzubieten, vielleicht wie eine Art Schaufenster und somit den Kunden einen Vorgeschmack zu geben, auf das, was sie bei mir erwartet.“ Oder aber: „Wenn die Stadt oder ein entsprechender Dienstleister die existierende Gewerbeübersicht für Händler, Handwerker, Gastronomen und alle anderen Gewerke und deren Serviceangebot ausbauen und etwas stärker präsentieren würde, vielleicht auch auf einer virtuellen Stadtkarte, und mit entsprechenden Hinweisen auf die eigenen Internetseiten und Social-Media-Kanäle verbindet, wäre das, zumindest in einem ersten, zeitnahen Schritt, dienlicher und günstiger, als ein großer Onlineshop für den regionalen Handel.“ Vor Ende der Pandemie kein Thema: Gewerbevereinsvorsitzende Simone Lüdicke weist indes auf die aktuell dringlicheren Aufgaben der Bad Belziger Unternehmer hin: „In den jetzigen Zeiten, in denen die Unterstützungen für die Selbstständigen von Monat zu Monat neu verhandelt werden, ist die Unsicherheit groß, ob und wie es nach der Pandemie überhaupt weitergehen wird.“ Die Gedanken um die Existenz lassen neue Experimente verständlicherweise hinten anstehen. Stadtmitarbeiterin Berger betont in dem Zusammenhang, dass sich die Stadt gerade am Anfang eines großen Digitalisierungsprozesses befinde, der Zeit, viel Aufklärungs- und Informationsarbeit und natürlich auch eine gewisse Haltung gegenüber neuen Wegen und Prozessen, die sich ja erst entwickeln müssten, benötige. „Die Händler stehen dieser Form des regionalen Onlineverkaufes im Rahmen des Möglichen positiv gegenüber, die aktuelle Situation lässt Gedanken daran aber derzeit nicht zu.“ Von Natalie Preißler