Ein junger Berliner ist am Freitagabend auf dem Baumblütenfest in Werder (Potsdam-Mittelmark) so heftig von der Polizei angegangen worden, dass er ins Krankenhaus musste. Das haben Augenzeugen der MAZ berichtet. Die Polizei spricht von einem Betrunkenen, der von Anfang an aggressiv aufgetreten sei. Doch der junge Mann selbst, der 24-jährige Samuel P. aus Berlin, widerspricht dem vehement; mehrere Zeugen bestätigen seinen Bericht. Sie beschreiben den Polizeieinsatz als unnötig brutal.
Die 26-jährige Josepha A. aus Berlin, die Samuel P. begleitete, erstatte noch am Freitagabend Strafanzeige gegen die Polizei. Sie hatte den verletzten Freund ins Vivantes-Klinikum Friedrichshain begleitet, wo man ihn untersuchte und wegen des Verdachts auf Risse an Leber und Milz mehrere Röntgenbilder von ihm aufnahm – offenbar ohne Bestätigung solcher Verletzungen.
Der junge Mann klagte noch am Sonntagabend über schwere Prellungen, Blutergüsse am ganzen Körper, aufgeschrammte Beine, taube Hände, ein angeschwollenes Gesicht, einen steifen Hals und heftigen Schmerzen. Er streitet ab, betrunken gewesen zu sein und verweist auf die Blutalkoholuntersuchung des Krankenhauses, die ihm 0,2 Promille nach Ablauf von zwölf Stunden attestiert haben soll. P. beruft sich dabei auf einen behandelnden Arzt, der erklärt haben soll, dass er zur Zeit des Geschehens kaum mehr als ein Promille gehabt haben könne.
Samuel P. sagt, zwei Freundinnen, ein Freund und er seien gut gelaunt und angetrunken gewesen, als er sich am Riesenrad mit einem gefundenen Besen ans Kehren machte. Plötzlich sei ein Polizist auf ihn zugekommen und wollte seinen Ausweis sehen. Auf die Frage, was er denn getan habe, sei Samuel P. sofort zu Boden geworfen worden. Dann sei auf ihn eingeschlagen worden, sagt er, man habe ihn gefesselt. Sein Gesicht sei so sehr in die Erde gedrückt worden, dass er Sand atmete und Angst hatte zu ersticken.
Er habe um Hilfe geschrien und sich befreien wollen, dann aber „einen Bums“ gespürt; er sei erst im Krankenzelt aufgewacht. Von dort brachte man ihn zur Werderaner Polizeiwache, wo man ihm die schmerzenden Kabelbinder aufschnitt und ihm Handschellen anlegte. In der Wache sei er vom Stuhl gekippt, weil er keine Luft mehr bekam. Erst „nach einigem Zögern“ sei ein Notarzt gerufen worden. Gegen 23 Uhr sei er aus dem Gewahrsam entlassen worden. Eine Freundin habe ins Krankenhaus gebracht.
Die Polizei schildert die Ereignisse komplett anders und beruft sich auf die Aussagen von fünf Beamten. Laut Polizeisprecher Christoph Koppe hat Samuel P. gegen 17.45 Uhr den Einsatz eines Krankenwagens behindert. Polizisten hätten ihn „nett aufgefordert“, dem Krankenwagen auszuweichen, doch P. fegte weiter. Man drohte, ihn aus dem Weg zu schieben, falls er nicht geht; er ging nicht. Als die Beamten seine Personalien haben wollten, sei er aggressiv geworden, habe fliehen wollen. Mehrere Beamten drückten ihn zu Boden, fesselten ihn, einer drückte mit seinem Hartplastik-Knieschutz den Kopf des Mannes aufs Straßenpflaster.
Laut Koppe wollte P. nicht laufen und musste an Armen und Beinen getragen werden. Dabei habe er „kurzzeitig“ das Bewusstsein verloren. Der Rettungssanitäter wurde vom Fotoreporter der MAZ herbeigerufen, der das Geschehen beobachtete. Die Polizei führt den Bewusstseinsverlust P.’s auf Alkohol und Stress zurück. Er habe aber geatmet.
Polizeisprecher Koppe versichert, man werde der Strafanzeige gegen die Polizisten nachgehen und den Fall untersuchen.
Von Rainer Schüler und Maria Kröhnke
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