Rund um die Uhr Frisches vom Bauern: Riebener Betrieb setzt auf Automaten

Früher musste der Freund echter Landeier und frischer Wurst ganz schön weit fahren, um sie direkt vom Bauern aus der Region zu kaufen. Jetzt gibt es Eier von Freilandhühnern oder Wiener und Salami vom Weidelandrind gleich um die Ecke und das rund um die Uhr– zumindest in Michendorf, Rieben und Bergholz-Rehbrücke. Kunden können sich bedienen – unabhängig von Öffnungszeiten: Dort setzt die Weidelandfarm in Rieben auf eine neue Form der Direktvermarktung: Der Familienbetrieb hat Verkaufsautomaten in niedlichen Holzhäusern aufgestellt, in denen sich die Kunden bedienen können, ohne auf Öffnungszeiten achten zu müssen. Der Käufer tippt nur die Nummer der Ware ein, wirft das nötige Geld ein oder bezahlt mit Karte und den Rest erledigt der Automat. Im gekühlten Gerät setzt sich dann ein kleiner Fahrstuhl in Bewegung, holt die ausgewählten Eier oder die Wurst ab und befördert sie an das Ausgabefenster, das sich für den Kunden öffnet, der nur noch zugreifen muss. 150 Rinder stehen das ganze Jahr auf der Weide: „Ich bin gern unabhängig vom großen Lebensmittel-Einzelhandel. Ich muss zwar für die Automaten Strom und Miete zahlen, aber ich habe alles selbst in der Hand“, sagt Doreen Engelhardt. Gemeinsam mit ihrem Mann betreibt sie die Weidelandfarm in Rieben. 150 Rinder haben sie auf der Weide stehen – die Tiere sind das ganze Jahr draußen an der frischen Luft. Das gleiche gilt für die Hühner, die jene Eier legen, die jetzt 24 Stunden am Tag angeboten werden. Drei Automaten stehen dafür in der Region: einer direkt am Hof der Weidelandfarm in Rieben, einer in Michendorf (Am Wolkenberg 1) und seit wenigen Tagen einer in Bergholz-Rehbrücke, Feldstraße 30. Dort hat Christian von Domarus einen Platz auf seinem Grundstück direkt an der Straße zur Verfügung gestellt und das Holzhaus für den Automaten gleich selbst gebaut. Der Mann betreibt eine Holzmanufaktur im Ort und ist in Rehbrücke als „Banknachbar“ bekannt. Domarus hat rund ein dutzend Bänke für den guten Zweck gebaut und aufgestellt, weil er seinen Ort mag, wie er es ausdrückt. Ähnlich ging es ihm mit der Idee der Riebener Landwirte: „Ich war von dem Konzept überzeugt und fand es unterstützenswert.“ Vier Ziegen beschützen die Hühner: Das Konzept hat auch eine Menge mit der Achtung des Tierwohls zu tun. „Das sind wirklich Eier von glücklichen Hühnern, das kann sich jeder vor Ort selbst ansehen“, sagt Doreen Engelhardt. Auf der Weidelandfarm stehen zwei Hühnermobile auf weitläufigen Wiesen. Lesen Sie auch: Zehn Jahre Offene Höfe Ein Platz für die Jugend in Bergholz-Rehbrücke Zu wenig „Bruderhähne“ für einen Stopp des Kükentötens Das ist das Terrain, auf dem etwa 700 Hühner leben und mit ihnen Lisbeth, Paul, Mathilda und Resi. Das sind die vier Ziegen, die die Wachmannschaft bilden. „Sie schrecken die Greifvögel ab. Wenn ein Greifvögel größere Tiere unter den Hühnern sieht, dreht er normalerweise ab.“ Aller 14 Tage wird das Hühner-Terrain versetzt. Dann laufen die Hühner wieder über frisches Grün. Ins Hühnermobil gehen sie zum Schlafen und zum Eierlegen. In dem mobilen Zuhause gibt es auch einen Kaltscharrraum, den Doreen Engelhardt den Wintergarten nennt – für die etwas wetterfühligen Hühner, die bei schlechtem Wetter lieber drin bleiben. Etwa 600 Eier pro Tag legen die 700 Hühner in Rieben im Schnitt. Dass ein Freiland-Ei im Automaten 50 Cent kostet, versucht sie Leuten, die sich darüber beschweren, geduldig zu erklären. Einmal hat sie aber doch zu einer Kundin gesagt: „Dann geh’ doch zu Netto.“ Für den höheren Eierpreis gibt es gute Gründe: „Die artgerechte, mobile Freilandhaltung und die Bruderhahnaufzucht machen es teurer“, sagt sie. Mit dem Kauf der Eier werden Bruderhähne vorm Schredder bewahrt: Über den Eierverkauf wird das Aufziehen der männlichen Küken quersubventioniert. „Kunden, die unsere Eier kaufen, bezahlen mit, dass auch die Brüder der Hennen großgezogen werden können“, erzählt sie. Männliche Küken aus der Legehennenzüchtung landen in Deutschland bisher im Schredder, weil sie keine Eier legen und viel langsamer wachsen und deshalb mehr Futter brauchen. Sie passen damit nicht in diese auf Rentabilität getrimmte Welt und werden getötet. Geplant ist, in einem Stall selbst Bruderhähne großzuziehen: Wenn der Riebener Familienbetrieb neue Junghennen vom Züchter bezieht, bleibt die gleiche Zahl an Bruderhähnen am Leben. Aufgezogen werden sie für den Betrieb derzeit auf dem Geflügelhof Schubert. „Wir bezahlen für die Aufzucht, finanzieren eine ganze Produktpalette vor und garantieren auch die Abnahme der Bruderhahnprodukte“, sagt Engelhardt. Auch die Automaten werden mit den „Gockelprodukten“ befüllt. Geplant ist, in Rieben einen Stall auszubauen, um dann auf dem Hof selbst Bruderhähne großziehen zu können. Auf der Weidelandfarm plant die Chefin auch einen Leitpfad für Besucher, der beschildert werden soll. „Uns ist wichtig, dass die Leute erfahren, wie wir es machen.“ Der Pfad wird auch an den „Waisenkälbern“ vorbeiführen, die auf dem Hof ihr eigenes Domizil haben. Dort werden Kälber, die auf der Weide von den Müttern verstoßen wurden und keine Milch erhalten, mit der Flasche großgezogen. Danach gibt es Heu und wenn sie bei Kräften sind, kommen sie zurück auf die Weide. Familie Engelhardt bewirtschaftet 300 Hektar extensives Grünland in Rieben, einem Ortsteil von Beelitz. Gegründet hat die Weidelandfarm Karsten Laudahn, der Vater von Doreen Engelhardt. Er kaufte nach der Wende das frühere LPG-Areal mit Gebäuden, pachtete Grünland im Naturschutzgebiet Nuthe-Nieplitz-Niederung und erwarb seine erste Mutterkuhherde. Nach dem Tod des Vaters übernahmen Doreen und Ralf Engelhardt den Hof. Sie gaben dafür 2012 beide ihre Berufe auf. Ihre Familie wohnt auch auf der Farm. „Dieses Leben ist wunderschön, es ist Freiheit, Unabhängigkeit und Natur. Ich kann mir nichts anderes vorstellen. Landwirt musst du aber mit Leib und Seele sein, sonst wird man unzufrieden“, sagt Doreen Engelhardt und fügt hinzu: „Für Leute, die Fleisch bewusst konsumieren und artgerechte Tierhaltung wertschätzen, für die stehen wir früh auf.“ Von Jens Steglich