Wölfe töten Alpakas: Warum der Angriff in Elsholz den Plan von einer Alpaka-Farm bedroht

Die Wölfe kamen in der Nacht zum 20. Januar. Wie sie den Elektrozaun überwunden haben, dafür gibt es Vermutungen, aber keine Erklärung. Sie kamen zu zweit und sind wahrscheinlich über den Zaun gesprungen, der sogar höher und stabiler ist als in den Verordnungen vorgeschrieben. Am Morgen liegen Okio und Juki tot auf der Weide. Die beiden Alpaka-Jungtiere haben den Angriff nicht überlebt. Ein anderes Tier liegt ebenfalls im Gras, lebt aber noch. Körperlich ist es nur leicht verletzt, hat aber einen schweren Schock erlitten. „Der Wolf muss am Hals gehangen haben“, sagt Nadine Paetsch. Der Wolfsangriff stellt auch Lebenspläne in Frage: Andreas und Nadine Paetsch sind keine Wolfshasser. Im Gegenteil. Sie sind aber ratlos, wie es jetzt weitergehen soll. Der Wolfsangriff hat nicht nur zwei ihrer Alpakas das Leben gekostet, er stellt auch ihre Lebenspläne in Frage. Die Alpaka-Farm, die sie in Elsholz eröffnen wollen, steht auf dem Spiel. Die beiden haben rund um Elsholz bereits Land gepachtet für ihre Farm, auf der einmal 40 bis 50 Alpakas leben sollen. Das Paar will eine Zucht aufbauen, Wanderungen mit Alpakas anbieten und vor allem mit diesen sanftmütigen Tieren therapeutisch arbeiten. Nadine Paetsch nennt das tiergestützte Pädagogik, bei der die Alpakas Menschen helfen – Kindern und Erwachsenen, die aus welchen Gründen auch immer benachteiligt sind. „Man kann die Tiere nicht einfach austauschen“: „Alpakas nennt man auch die Delfine der Weide. Es sind sanfte, friedvolle und neugierige Tiere, dadurch haben sie wahnsinnig guten Zugang in so einem Bereich. Sie können uns Menschen erden“, sagt die studierte Sozialpädagogin. Okio und Juki waren Jungtiere, die auf die Aufgabe, Menschen zu helfen, vorbereitet wurden. „Man kann die Tiere nicht einfach austauschen, es sind sehr spezielle Tiere. Nicht alle sind dafür auch geeignet“, sagt Nadine Paetsch und fügt noch hinzu: „Manches kann man mit Geld nicht ersetzen.“ Sie hat zwei Gefährten verloren, die fester Bestandteil des Projektes waren. Der Stahldrahtzaun mit Strom, der als wirksamer Schutz gegen Wolfsangriffe gilt, hat die Räuber in Elsholz nicht abhalten können. Seit dem Angriff ist keine Ruhe eingekehrt. Jede Nacht kommen die Wölfe wieder. Frische Spuren im Umfeld der umzäunten Weide und Aufnahmen einer Wildkamera belegen das. Auch der Wolfsgutachter hat eine Kamera angebracht, die Bildbelege liefert, wie sich die Räuber wiederholt der Weide am Ortsrand nähern. Die Wölfe zu vergrämen, lehnen die Behörden derzeit ab: Die Alpaka-Jungtiere bringen die beiden Elsholzer nachts deshalb in einem Stall auf dem Hof unter. Es ist nur eine Notlösung für die kleineren Tiere, kein Dauerzustand. „Wir sind einfach ratlos, das ist das Frustrierende. Es gibt von den Behörden keine praktikablen Ratschläge, wie wir unsere Tiere schützen können“, sagt Andreas Paetsch, der in Potsdam eine Oberlin-Metallwerkstatt für Menschen mit Behinderung leitet. Er hat dem Landesamt für Umwelt vorgeschlagen, Wölfe, die nachts wiederkehren, mit Gummigeschossen zu vergrämen. „Der Wolf muss merken, dass es hier weh tun kann“, sagt er. Bislang führt allerdings kein Weg hinein, die streng geschützten Wölfe zu vergrämen. „Können erst nach einem zweiten Angriff handeln“: „In den Behörden sagen sie, sie könnten erst handeln, wenn das zweite Mal etwas passiert ist“, sagt Paetsch. In der Wolfsverordnung ist als Bedingung für Gegenmaßnahmen in der Tat von wiederholten Angriffen auf geschützte Nutztierbestände die Rede. Ist das nachgewiesen, könnten die Wölfe sogar geschossen werden. Das wollen die Paetschs gar nicht. Aber sie wollen mit der Vergrämung der Wölfe auch nicht warten. „Das würde heißen, wir sollen abwarten, bis wieder Tiere gerissen werden. Das kann nicht sein“, sagt Nadine Paetsch. Lesen Sie auch: Abschuss von Wölfen bleibt weiter streng reguliert Wölfe rissen 2020 Rekordzahl an Weidetieren BUND kritisiert Pläne für erleichterten Wolfsabschuss „Wir haben alle Beweise, es gibt jeden Tag Spuren und Fotos von Wölfen“, sagt ihr Mann. „Beim Zaun können wir nicht mehr aufrüsten.“ Die andere Möglichkeit, einen Stall auf der Weide zu bauen, um die Alpakas nachts dort unterzubringen, ist nicht umsetzbar. „Es ist Außenbereich, wir dürfen keinen festen Stall bauen.“ Der Wolfsangriff und die Ratlosigkeit rauben auch den Schlaf: Schutzhunde wiederum vertragen sich nicht mit der therapeutischen Arbeit. „Herdenschutzhunde sehen jeden Fremden, der auf die Weide kommt, als Eindringling an“, so Paetsch. Der Wolfsangriff und die Ratlosigkeit rauben auch den Schlaf. „Die ersten Nächte danach bin ich aufgesprungen und hoch zur Weide gerannt, weil man dachte, man hätte ein Geräusch gehört“, erzählt Paetsch. Er zeichnet jetzt an Skizzen für einen mobilen Stall. „Wir wollen uns das nicht kaputt machen lassen. Wir suchen nach Lösungen, aber bisher hat keiner eine Idee.“ Jens Schreinicke, Wolfsbeauftragter des Landesbauernverbandes, fordert die zuständigen Behörden auf, im Elsholzer Fall jetzt vorbeugend aktiv zu werden und nicht zu warten, bis erneut Tiere gerissen werden. „Wir haben in Elsholz einen Fall, bei dem Wölfe einen vorschriftsmäßigen Zaun überwunden haben und alle Belege vorliegen, dass nachts weiterhin Wölfe um den Zaun herumschleichen“, sagte er. Der Landwirt aus Stücken plädiert generell dafür, sich auf einen „Akzeptanz-Bestand an Wölfen“ zu verständigen und zu einem aktiven Wolfsmanagement überzugehen, um ihn zu halten und zu regulieren. „Das heißt dann auch, Wölfe zu schießen, wenn es notwendig ist“, so Schreinicke. Von Jens Steglich