Kützkower Martinsgans kommt mit der Fähre

Dürfen die Gäste nicht zu Evelyn Czinczoll und Jan Lange kommen, macht sich das Gastwirtspaar eben auf den Weg zu ihnen. Im Lieferwagen sind servierfertige Martinsgänse samt Klöße, Salzkartoffeln sowie Grün- und Rotkohl. Mit dem Außer-Haus-Geschäft sind die Betreiber der Nussbaum-Gaststätte in Kützkow nicht allein. Doch wer seinen Braten westlich der Havel bestellt, muss auf die Autofähre warten. Reibungslose Lieferkette: Nur übers Wasser erreichen Czinczoll und Lange den größten Teil ihrer Kundschaft von Pritzerbe bis Marzahne und von Fohrde bis Briest. Die Wartezeit und das Übersetzen über den Fluss müssen die Gastronomen bei ihrer Logistik einkalkulieren. Zwar halten sich die Kützkower Überseegänse in den Styroporboxen eine gute Stunde lang warm, doch wenn vier oder fünf Adressen angefahren werden, sollte die Lieferkette reibungslos funktionieren. Für die Nussbaum-Betreiber ist der Lieferservice eine Premiere. „Wie schon beim ersten Lockdown wollten wir eigentlich keine Speisen außer Haus anbieten. Kützkow ist einfach zu abgelegen, die Transportwege sind lang. Und das Geschirr muss auch wieder zurückgebracht werden. Doch zum traditionellen Martinsgans-Essen gab es zahlreiche Bestellungen von Stammkunden, die wir in der zweiten Zwangspause einfach nicht enttäuschen wollten“, erklärt Evelyn Czinczoll die geschäftigen Vorbereitungen für das kommende Wochenende. Rechtzeitig bestellen: Drei Tage vor dem Essen sollte der Gänsebraten geordert werden. Eingekauft wird nur, was tatsächlich bestellt wird. 30 Gänse hatten die Kützkower im September bei ihrem Händler angemeldet. Da war von einem neuerlichen Corona-Aus für die Gastronomie noch keine Rede. Wer seine Gans eigenhändig über die Havel holen will, ist gern gesehen. Gleichzeitig erleben Selbstabholer einen touristischen Höhepunkt, der für Gesprächsstoff beim Essen sorgt. Geliefert wird wegen Corona bis zur Haustür. „Normalerweise würden wir auf dem Esstisch anrichten, doch um unnötige Kontakte zu vermeiden, verzichten wir auf das Betreten der Häuser“, berichtet Lange. Wenn in der Nussbaum-Küche bis zu vier Gänse gleichzeitig für zwei Stunden in die Röhre geschoben werden, geht es bodenständig zu. Mit Ingwer, Beifuß, Zwiebeln und Äpfeln gefüllt sowie mit Honig bepinselt. Der Grünkohl wird grob gerupft, durch den Fleischwolf gedreht und in Gänseschmalz gebrutzelt. Kurz vor der Auslieferung werden die Braten für 25 Minuten im Kombidämpfer noch einmal erhitzt. Sollten die Beschränkungen in der Gastronomie auf den Dezember ausgedehnt werden, soll der Lieferdienst bis zu den Weihnachtsfeiertagen stattfinden. Ein Ausgleich für den Umsatzverlust ist der Gänse-Service nicht. Auch auf eine Entschädigung von 75 Prozent des Vorjahresumsatzes im November können die Nussbaum-Betreiber nicht hoffen. Denn damals war die Pritzerber Fähre zur Revision. „Weil wir von unseren Gästen abgeschnitten waren, nutzten wir die Zeit für eine Renovierung“, so Czinczoll. Beim Außer-Haus-Geschäft beschränkt sich das Gastwirtspaar ausschließlich auf Gänsebraten. In normalen Zeiten ist der „Nussbaum“ für seine Straußengerichte von Tieren aus eigener Zucht bekannt. Auch die hauseigenen Freilandschweine sorgen für Nachschub auf der Speisekarte und im Hofladen. „Wir haben alle Schlachtungen wegen der geschlossenen Gaststätte gestoppt. Anders als in der Massentierhaltung ist das bei unseren wenigen Tieren auf dem Erlebnishof zum Glück kein Problem“, sagte Lange der MAZ. Von Frank Bürstenbinder