Baitz: Warum das Coronavirus die Großtrappen bei der Balz gefährdet

Mit dem Fernglas hält Norbert Eschholz Ausschau nach den Großtrappen in den Belziger Landschaftswiesen. An diesem Tag hat der Vogelexperte aus Baitz kein Glück. Die großen Tiere können sich mit ihrem braun geschecktem Gefieder im hohen Gras gut verstecken. Eigentlich sind sie im April und Mai nicht zu übersehen. Dann ist nämlich ihre Balzzeit und die begehen die Großtrappen in einer äußert intensiven Zeremonie. Besucher betreten gesperrte Wege: „Dafür muss die Umgebung perfekt sein“, sagt Norbert Eschholz. Vor allem ist die Ruhe wichtig. Das sollte jetzt in Zeiten der Corona-Pandemie kein Problem sein. Im Gegenteil: Die Behörden haben den Beobachtungsturm bei Freienthal geschlossen. „Sonst haben die Leute die Trappen vom Turm aus beobachtet. Jetzt laufen sie durch gesperrte Wege“, kritisiert der Vogelexperte. Das störe die Tiere ungemein und beeinflusse im schlimmsten Fall sogar die Balz. Ohnehin sind die Tiere schon weltweit vom Aussterben bedroht. Bauarbeiten des Menschen und die immer intensivere Landwirtschaft haben die Großtrappen aus ihrem ursprünglichen Lebensraum immer mehr verdrängt. Mittlerweile gibt es nur noch an drei Orten in Deutschland nachweisbare Vorkommen. In den Belziger Landschaftswiesen haben Norbert Eschholz und sein Team in diesem Jahr 95 Großtrappen gezählt. Schützer kämpfen um jedes Tier: Damit bleibt die Zahl seit Jahren annähernd konstant. Dennoch kämpfen die Schützer um jedes Tier. „Der Bestand kann nur langsam wachsen. Jede Henne legt maximal zwei Eier im Jahr und die Kücken müssen erst einmal groß werden“, sagt der Vogelexperte. Wird die Balz gestört, sind die Nachkommen in Gefahr. „So viele Störungen wie in diesem Jahr hatten wir noch nie“, sagt Norbert Eschholz und appelliert eindringlich, Abstand zu halten. Mit einem Gewicht von bis zu 16 Kilogramm zählen die Großtrappen zu den schwersten flugfähigen Vögeln der Welt. Die Tiere können bis 150 Zentimeter lang und 20 Jahre alt werden. Mit ihrem braun geschecktem Gefieder sind die Großtrappen ein Meister der Tarnung. Heute kommen die Tiere vor allem in West- und Mitteleuropa in zu Acker und Grünland umgewandelten ehemaligen Heide- und Brachflächen vor. Sie sind inselhaft und sehr lokal anzutreffen. Der Bestand ist stark gefährdet. Großtrappen brauchen ein möglichst weiträumiges und offenes Gebiet, auf dem es möglichst wenig zu Störungen kommt. Wichtig ist, dass ausreichend Winternahrung vorhanden ist. Dabei spielt insbesondere der Raps eine Rolle, ansonsten Kultur- und Wildkräuter. Die Jungtiere sind Nestflüchter und werden lediglich zwei Wochen vom Weibchen mit Insekten gefüttert. Die Jungen sind mit rund vier Wochen selbständig und können mit cirka elf Wochen fliegen. Sie bleiben aber bis in das nächste Frühjahr hinein mit ihrer Mutter zusammen. Alle offiziellen Termine und Führungen fallen wegen des Coronavirus vorerst aus, wie der Vogelexperte zutiefst bedauert. Gerade jetzt gebe es viel zu sehen, wenn die Hähne um die Weibchen werben. „Sie machen daraus ein riesiges Schauspiel, das täglich über mehrere Stunden dauert“, beschreibt Norbert Eschholz. Die Männchen bauschen sich dabei auf und zeigen ihre weiße Federpracht, die sogar noch in weiter Ferne zu sehen ist. Hier fühlen sich Großtrappen wohl: Der Hahn umtanzt die Henne. Beide stimulieren sich. Erst, wenn alles um sie herum „perfekt“ ist, kommt es zur Kopulation, beschreibt Norbert Eschholz. Dazu gehören neben der Ruhe auch die dichte Deckung und ausreichend Nahrung. All das finden die Großtrappen im rund 4500 Hektar großen Naturschutzgebiet der Belziger Landschaftswiesen – einem der wenigen Orte, an denen es die Großtrappen noch gibt. „In anderen Gebieten würden die Vögel nicht überleben“, sagt Norbert Eschholz. Der Vizevorsitzende des Fördervereins Großtrappenschutz kennt viele Beispiele aus der Vergangenheit, wie gerade hier in den Belziger Landschaftswiesen um den Bestand der Großtrappen gekämpft wird. Erst kürzlich haben er und sein Team zwei 15 und 25 Hektar große Flächen mit einem 2,5 Meter hohen Zaun zum Schutz der Tiere eingezäunt. Trappen verstecken sich im Gras: Neben den vielen wilden Tieren zählt vor allem der Mensch zu den Feinden der Großtrappen, wenn auch oft nicht bewusst. Jetzt steht wieder die Mahd etlicher Felder bevor. Die Trappen sind gut getarnt. Sie verstecken sich im hohen Gras und sind schnell zu übersehen. „Wir sprechen mit den Bauern, klären sie auf, grenzen Gebiete ab und gehen gemeinsam auf Spurensuche nach den Brutplätzen“, zählt Norbert Eschholz auf. Das koste etliche Stunden und Ausdauer vieler ehrenamtlicher Helfer, die regelmäßig in den Landschaftswiesen unterwegs sind, beobachten und erklären. „Zur Wende gab es noch duzende Schongebiete. Nun ist das hier eines der wenigen“, sagt der Vogelexperte. Das gelte es zu schützen, wofür jeder einen Beitrag leisten könne. Es gibt sogar einen positiven Nebeneffekt: Mit den Großtrappen kommen auch wieder viele weitere Vogelarten in die Region zurück. Lesen Sie auch: Wie ein Bad Belziger seine Begeisterung für Vögel in einem Podcast teilt Feldvögel: 33 Prozent weniger seit 1995 Naturschützer kritisieren Expansion der Spargelfelder Von Marcus J. Pfeiffer

Baitz - Coronavirus gefährdet die Großtrappen