Corona Bernhard Frisch kämpft um Jugendherberge in Baitz

Ans Telefon will Bernhard Frisch schon gar nicht mehr gehen. Er ahnt sowieso, was der Gesprächspartner am anderen Ende will: Seinen Aufenthalt in Frischs Kinder- und Jugendherberge in Baitz stornieren. Und das Geld zurück. „Allein die ganzen E-Mails zu beantworten ist schon frustrierend“, sagt der Unternehmer. Bernhard Frisch kämpft in der Coronakrise um seine Existenz. Die Herberge ist, wie alle anderen touristischen Einrichtungen, seit Mitte März geschlossen und darf bis auf Weiteres keine Gäste mehr empfangen. „Mich erreichen täglich Stornierungen, bis in das zweite Halbjahr hinein“, sagt Frisch. Mitarbeiterinnen gekündigt: „Zum Teil sind Kinder- und Jugendreisen von den Behörden schon bis zum 31. Dezember 2020 verboten.“ Sein Umsatz werde in diesem Jahr voraussichtlich um 90 Prozent sinken, sagt er weiter. Zwei Mitarbeiterinnen habe er in Kurzarbeit schicken, zwei weitere kündigen müssen. Von der Politik fühlt sich Bernhard Frisch in dieser Situation im Stich gelassen. Deshalb hat er sich jetzt mit einem offenen Brief unter anderem an das Wirtschaftsministerium von Bund und Land gewandt. „Unabhängig davon, dass ich seit dem 18. März 2020 keinerlei Einnahmen mehr habe, soll ich jetzt sogar die Stornierungen kostenlos durchführen und geleistete Anzahlungen erstatten“, kritisiert er in dem Schreiben, das der MAZ vorliegt. „In den von mir abgeschlossenen Belegungsverträgen sehen die AGB eindeutige Regelungen für Stornierungen vor, um meinen Betrieb vor genau einer Situation wie der jetzigen zu schützen“, schreibt Frisch weiter. „Der Staat setzt die AGB außer Kraft, lastet die Kosten nur einem Vertragspartner auf. Er verordnet Betriebsstillstand – dann muss er auch die Kosten dafür übernehmen.“ Das Tagungshaus in der Baitzer Bahnhofstraße ist aus einem alten märkischen Bauernhof entstanden, der von 1990 bis 1992 umgebaut und modernisiert wurde. Seit der Eröffnung haben Bernhard Frisch und sein Team dort schon rund 50.000 Kinder und Jugendliche begrüßt – ob für Kitareisen, Klassenfahrten oder Seminare. Bei Stornierungen gilt in Baitz eigentlich: Wer innerhalb von drei Monaten vor Anreise storniert, muss noch 90 Prozent der Kosten zahlen. Wer mehr als drei Monate Vorlauf hat, noch 25 Prozent – und um die geht es Bernhard Frisch jetzt. 80 Prozent seiner Gäste kommen laut Frisch aus Berlin. Der Herbergsleiter fordert in seinem Brief, „die Ungleichbehandlung in der Tourismusbranche zu beenden“ – und zwar unabhängig von der Betriebsgröße. „Warum sollen Airlines und Reiseveranstalter jetzt die Möglichkeit bekommen, Gutscheine zu verteilen statt Rückzahlungen?“, fragt Frisch. Er habe weiterhin monatlich laufende Kosten – für Kredite, Heizung, Wasser, Abwasser, Strom und mehr. Ausgaben von insgesamt rund 4000 Euro. „Die 9000 Euro Soforthilfe des Landes sind Mitte Mai verbraucht, eigentlich soll das Geld für drei Monate reichen“, sagt der Baitzer. „Es ist frustrierend, so zum Hartz 4-Empfänger zu werden, den Antrag stelle aber ich gerade.“ Verlust aufteilen: Eine Besuchergruppe hätte bislang trotz Stornierung das Geld nicht zurückgefordert, drei weitere hätten aus Solidarität 40 Prozent der Buchungskosten bezahlt. „Ich müsste eigentlich zwei Kredite aufnehmen: Einen, um die Anzahlungen an die Kunden zurückzuzahlen und einen, um über das Jahr zu kommen“, sagt Bernhard Frisch. Er spricht sich dafür aus, den Verlust zwischen beiden Vertragspartnern zu teilen – die Kunden könnten die Last je nach Gruppengröße zudem auf mehreren Schultern verteilen. „Es ist schlimm, dass man sich jetzt teilweise mit langjährigen Stammkunden in die Haare kriegt. Der ganze Alltag ist zusammengebrochen, man wird traurig und lustlos.“ Eine Antwort aus dem Wirtschaftsministerium hat Bernhard Frisch nun erhalten. Man wisse, dass die Tourismuswirtschaft in besonderer Weise von der Krise betroffen sei, schreibt Martin Linsen, Leiter des Referats Tourismus, darin unter anderem. „Wir arbeiten derzeit intensiv an zwei Dingen: Zum einen an Szenarien, wie wir eine schrittweise Öffnung für die Branche so ermöglichen können, dass wir nicht wieder in eine prekäre Infektionssituation kommen. Zum anderen arbeiten wir an Programmen, die der Branche helfen sollen, die Zeit der Schließung und das stufenweise Wiederhochfahren mit reduzierten Einnahmen zu überstehen.“ Lesen Sie auch: Zehntklässler sind wieder da: So liefen die ersten Tage an der Oberschule Als „alles in allem sehr unkonkret“ bezeichnet Bernhard Frisch den gesamten Inhalt des Schreibens. Er wolle nun die weiteren Entscheidungen hinsichtlich der Reisewarnung abwarten – und dann Kredite beantragen, um das Jahr finanziell abzusichern. „Nachdem ich nun schon 30 Jahre Kredite abbezahlt habe, muss ich mich jetzt wieder verschulden“, sagt er. Was bleibe, sei die Hoffnung. „Darauf, dass es 2021 weitergeht und wir ab März wieder Geld verdienen können.“ Denn eine Schließung seiner Herberge, sagt Bernhard Frisch, die wolle er sich gar nicht vorstellen. Von Josephine Mühln

Baitz - Schreiben an Ministerium: Betreiber kämpft für seine Jugendherberge