Dass unweit ihres Dorfes so große Werte im Keller eines Kuhstalles lagerten, ahnte in Werbig niemand. Wie am Donnerstag bekannt wurde, hoben Zollfahnder und Zivilpolizisten am Rande des Bad Belziger Ortsteiles bereits in der Vorwoche ein riesiges Drogenlager aus. Ein 60-jähriger Landwirt holländischer Abstammung hatte im Keller seiner Milchviehanlage kiloweise Kokain, Marihuana, Ecstasy und andere Drogen gelagert. Deren Gesamtwert liegt bei rund 1,5 Millionen Euro, schätzen die Ermittler. Sie nahmen Rien V., den Betreiber der Milchviehanlage, in Untersuchungshaft.
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Eigentlich hatten die Kriminalisten ihn wegen des Verdachts auf illegalen Zigarettenhandel im Visier. Bei der Durchsuchung des Betriebsgeländes und der Wohnung dann der Überraschungsfund: Hinter einer mit Metallriegel und einfachem Vorhängeschloss gesichertem Holztür entdeckten sie ein gigantisches Drogenlager mit insgesamt 110 Kilogramm diverser Rauschmittel. Diese Menge übersteigt die Summe aller Einzelfunde, die Polizei und Zoll im gesamten Jahr 2014 in Brandenburg sichergestellt hatten.
Aus Verdacht auf illegalen Zigarettenhandel wurde plötzlich mehr
Zum Vorschein kamen bald auch 37.000 unverzollte Zigaretten. Zudem soll der Holländer seine Landmaschinen unerlaubt mit billigerem Heizöl statt mit Diesel betankt haben. Verantworten muss er sich zudem, weil die Fahnder 30 Kilogramm illegale Böller, ein Luftdruckgewehr und eine Gaspistole ohne Prüfsiegel sicherstellten. Sie gelten somit als scharfe Schusswaffe, deren unerlaubter Besitz strafbar ist.
Im Dorf selbst gilt der Holländer bislang als normaler Geschäftsmann und Nachbar. „Er ist nett und hilfsbereit“, erzählt Marion Borchardt. Die eingesessene Werbigerin ist Köchin im Gasthaus „Zur Erholung“. Dort kehrte der Holländer Rien V., den sie ansonsten nicht näher kenne, ab und an zum Mittag ein. „Wann immer wir im Dorf was haben und Hilfe brauchen, ist er zur Stelle und hilft mit Technik aus“, sagt Ortsvorsteherin Kerstin Zurek der MAZ. So auch regelmäßig beim Osterfeuer. Ansonsten bringe sich der Landwirt eher selten direkt ins Dorfleben ein.
Bauer galt als hilfsbereit und unbescholten
In den Fläming gezogen war der Holländer im Jahr 2003, gründete sein Unternehmen in Werbig und investierte stetig in dessen Ausbau. Großflächige Solarkollektoren auf den Stalldächern und eine Biogasanlage gehören heute dazu. Von anfangs 160 Kühen wuchs die Milchviehanlage stetig. 2011 standen mehr als 400 Tiere in den Ställen. Zum Landwirtschaftbetrieb gehören ein rund sieben Hektar großes Stallgelände und etwa 700 Hektar Ackerfläche. Der Betrieb beschäftigte im Jahr 2011 am Standort in Werbig zwölf Mitarbeiter.
Auch sie wurden am Dienstag der vorigen Woche vom groß angelegten Polizeieinsatz überrascht, der ihrem Chef galt. Am Donnerstag nun geht die Nachricht durch die Medien und an der Milchviehanlage herrscht Nervosität. Von Polizeieinsätzen und einer Verhaftung wisse er nichts, behauptet ein junger Mann in Arbeitskleidung gegenüber der MAZ. Auch er spricht Deutsch mit holländischem Akzent, ist, wie er sagte, „vielleicht“ der Sohn des Betreibers, will sich ansonsten aber nicht weiter zu dem Thema äußern.
Mitarbeiter wurden überrascht
Aus dem mittelmärkischen Kreisbauernverband sei Rien V. vor einigen Jahren ausgetreten, sagte Gerald Herzog, Vize-Vorsitzender des Verbandes. Ansonsten sei der Holländer selten in Erscheinung getreten. Für Cornelia Buchholz, Geschäftsführerin der Rinderproduktion Berlin-Brandenburg mit Sitz in Groß Kreutz, ist die Milchviehanlage in Werbig einer von rund 800 Zuchtbetrieben des Rinder-Verbandes. Sie habe von der Aktion der Zollfahnder auf dem Hof des Holländers gehört, wolle sich aber nicht äußern, ehe sie sich umfassend informiert habe, sagte Buchholz.
Von Thomas Wachs