Krahner Schafhalter verliert bei Wolfsattacke alle Tiere

Karsten Retzlaw ist am Boden zerstört. Seit 2009 hält er Schafe auf seinem großen Anwesen im Akazienweg. Jetzt ist passiert, womit der Krahner nie gerechnet hat. Bei einer mutmaßlichen Wolfsattacke hat der Tierhalter alle seine Kameruner verloren. „Drei lagen tot und halb aufgefressen auf dem Grundstück. Die überlebenden Tiere standen unter Schockstarre und wiesen Bissverletzungen am Hals auf. Am Ende blieb nur die Notschlachtung“, berichtet Retzlaw der MAZ. Was sich in Krahne wie ein Lauffeuer verbreitete, ist kein Einzelfall. Einheimische berichten von insgesamt fünf Wolfsattacken seit dem letzten Herbst auf Schafhaltungen. Nicht irgendwo auf einer Wiese, sondern auf privaten Wohngrundstücken am Dorfrand. Nicht alle Tierhalter machen ihre Verluste öffentlich. „Einige haben resigniert, andere verbarrikadieren sich, oder geben die Schafhaltung komplett auf“, so Retzlaw. Auch er geht derzeit davon aus, dass sich die Anschaffung neuer Tiere nicht mehr lohnt. Eine Entschädigung hat der Krahner nicht zu erwarten. Für den nach Krahne geeilten Rissgutachter, für den alles nach einem Wolf aussah, ist der Wildzaun, mit dem Retzlaw seinen Besitz schützt, mit 1,60 Meter nicht hoch genug. Offen blieb bei dem Termin vor Ort, wie der Wolf die Einfriedung überwunden hat. „Eine unterwühlte Stelle haben wir jedenfalls nicht gefunden“, so Retzlaw. Möglicherweise hat das Tier auf der Suche nach Beute den Zaun einfach übersprungen. Deutliche Spuren von ausgewürgtem Fleisch könnten auf eine Fähe hindeuten, die Fleisch für ihren im Frühjahr geborenen Nachwuchs beschaffen wollte, es mit vollem Wanst aber nicht mehr zurück über den Zaun geschafft hätte. Das ganze Drama wurde vor wenigen Tagen in den frühen Morgenstunden sichtbar. Nachbar Henry Krahl, selbst ein Schafhalter und Jäger, kam die Ruhe nebenan verdächtig vor. Telefonisch weckte er Retzlaw, weil das übliche Blöken seiner Schafe nicht zu hören war. Schnell wurden drei übel zugerichtete Kadaver entdeckt. Darunter auch der Bock. Zwei weiteren weiblichen Schafen, die durch Kehlbisse verletzt wurden, war nicht mehr zu helfen. Ein Lamm blieb zunächst verschwunden, wurde aber später hinter einem Holzstapel entdeckt, wo es in eine enge Lücke geflüchtet war. Auch dieses Jungschaf musste wegen seiner Verletzungen notgeschlachtet werden. Für die Krahner Jägerschaft ist der jüngste Vorfall der vorläufige Höhepunkt einer sich seit Jahren anbahnenden Entwicklung. Wolfssichtungen gehören inzwischen zum Alltag für Jäger, Forstleute und Landwirte. Es gibt reichlich Film- und Fotomaterial. Dem Krahner Rinderzüchter Guido Lindemann hat der Wolf schon Kälber von der Koppel geholt. Jäger Hubertus Fischer wundert sich schon lange nicht mehr: „Bei einer jährlichen Vermehrungsrate von gut 30 Prozent, wird die Lage auch im Bereich menschlicher Siedlungen immer problematischer.“ Für den Wolfsbeauftragten des Kreisjagdverbandes Brandenburg steht fest, dass es eine Obergrenze für Wölfe geben muss, um zunehmende Konflikte abzuwenden. Schon vor einiger Zeit sorgten Hinweistafeln der Krahner Jäger für Aufregung, auf denen sie Jogger, Wanderer und Spaziergänger vor umherstreifenden Wölfen warnten. Hunde sollen angeleint und Kinder beaufsichtigt werden. Vieles deutet darauf hin, dass der Raum Krahne-Reckahn inzwischen mehr geworden ist, als ein Wolf-Streifgebiet. Möglicherweise ziehen Elterntiere gerade Nachwuchs groß, was die Etablierung eines neuen Rudels bedeuten könnte. Von Frank Bürstenbinder