Verstorbene Nahmitzerin wird nach ihrem Sport gefragt

Treiben Sie auch gerne Sport? Gibt es Sportartenangebote, die Sie vermissen? Das und viele andere persönliche Erfahrungen zum Thema Sport wollen Wissenschaftler auf einem Fragebogen in Erfahrung bringen, wie er an 4000 Personen in Potsdam-Mittelmark auf dem Postweg versandt wurde. Weitere 4000 Befragungen zum Sport- und Bewegungsverhalten der Mittelmärker erfolgen online über Kitas, Schulen, Vereine und den Kreissportbund. Gleich zwei Fragebögen: Nach einer zufälligen Stichprobenziehung kam auch Helene W. aus Nahmitz auf die Adressenliste des federführenden Instituts für kommunale Sportentwicklungsplanung (Inspo) in Potsdam. Verstörend ist nicht nur die Tatsache, dass selbst noch eine 96-Jährige ankreuzen soll, wer ihre sportlichen Aktivitäten organisiert. Auch war die Befragte schon vor fünf Monaten gestorben. „Ein Unding“, wie ihr Sohn Reinhard findet. Der Nahmitzer fragt sich, warum selbst hochbetagte Menschen für eine Sportumfrage ausgewählt werden. Dass an einem Tag ausgerechnet zwei Briefe mit zwei Fragebögen an die Adresse seiner toten Mutter geschickt wurden, ist für den Sohn „pietätlos“. Wie konnte es zu dieser Panne kommen? Inspo-Projektleiter Michael Barsuhn bedauerte auf Nachfrage mögliche Unannehmlichkeiten für die Angehörigen. Doch nur eine zufällige Auswahl der Personen ermögliche es, allgemeingültige Umfrageergebnisse über alle Kommunen des Landkreises zu erhalten, so der Wissenschaftler. Auf eine Altersobergrenze habe man bewusst verzichtet, weil es sehr wohl hochbetagte Senioren gebe, die sich regelmäßig sportlich betätigen würden. Für die nach dem Zufallsprinzip aufgestellten Adresslisten seien jedoch die Meldebehörden der Kommunen im Rahmen einer Partnerschaft mit dem Landkreis zuständig gewesen, so Barsuhn. Insgesamt wurden 800 Datensätze für Männer und Frauen ab 61 Jahre erhoben. Datensätze sind ein Jahr alt: Zuständige Meldebehörde für Nahmitz ist das Rathaus in Kloster Lehnin. Auch dort wird das Verschicken der Fragebögen an eine bereits verstorbene Mitbürgerin bedauert. Rathaus-Sprecher René Paul-Peters klärt auf: „Die Gemeinde hat auf Nachfrage des Landkreises am 14. August 2019, also vor mehr als einem Jahr, nach dem Zufallsprinzip 420 Adressen von Kloster Lehninern an den Landkreis versendet, um diese für die Sportumfrage zu verwenden.“ Damit wird klar, mit welchen Unsicherheiten die ein Jahr alten Datensätze belastet sind. Menschen sterben oder ziehen um. „Unser Melderegister wird ständig aktualisiert, sobald die erforderlichen Daten vorliegen“, so Peters. Langer Vorlauf: Die laufende Bürgerbefragung ist eine Grundlage für die vom Landkreis in Auftrag gegebene Sportentwicklungsplanung. Im Rahmen öffentlicher Workshops werden die wissenschaftlichen Ergebnisse der Experten im Frühjahr 2020/21 der Öffentlichkeit vorgestellt. Im nächsten Sommer soll die Sportentwicklungsplanung vorliegen. Vize-Landrat Christian Stein bedauerte den Vorfall in Nahmitz, wies jedoch daraufhin, dass mit Vorlauf vorbereitete Bürgerbefragungen immer die Gefahr von Ungenauigkeiten mit sich bringen würden. Von Frank Bürstenbinder