400 000 Frühjahrsblühern droht der Kompost: Corona-Zwangspause bringt Rosengut Langerwisch in Probleme

Wenn Gerhard Bräutigam in seine Gewächshäuser schaut, ist das ein Blick in eine Leere, auch wenn sie voller Pflanzen sind. Derzeit wachsen dort 400 000 Frühjahrsblüher und doch ist es für ihn keine schöne Perspektive. Was fehlt, sind die Menschen, die Stiefmütterchen oder Primeln kaufen. „Da blutet einem das Herz“, sagt er. Keine Einnahmen, aber monatlich 200 000 Euro laufende Kosten: Der Corona-Lockdown zur Pandemieeindämmung bringt sein Rosengut in Langerwisch in ernste Schwierigkeiten. Wo in normalen Jahren im Januar mit einer Orchideenschau und dann mit Frühjahrsblühern die Leute angezogen werden, ist jetzt alles dicht. Auf dem Spiel stehen derzeit 400 000 Frühjahrsgewächse, sollte die Schließung länger dauern, noch viel mehr. „Wenn ich 400 000 Frühjahrsblüher wegschmeißen muss und keine Einnahmen mehr habe, aber 200 000 Euro laufende Kosten im Monat, kann man sich ausrechnen, wie lange das noch gut geht“, sagt Rosengut-Geschäftsführer Gerhard Bräutigam. Kurzarbeit hilft dem Betrieb nicht, weil Pflanzen Pflege brauchen: Der Betrieb, den er 1990 mit acht Leuten gründete, hat heute 60 Angestellte. In Kurzarbeit kann er die wenigsten schicken, weil trotz Zwangspause viel zu tun ist. „Die Pflanzen müssen gepflegt und neue Gewächse eingetopft und gedüngt werden. Es fallen ständig Arbeiten an.“ Nur die Kunden fehlen, die diese Pflanzen kaufen. „Kleidung kann man aufheben. Wir müssen unsere Pflanzen auf den Kompost werfen, wenn wir sie nicht rechtzeitig verkaufen“, sagt Bräutigam und fügt hinzu: „Selbst wenn wir später wieder öffnen dürfen, wollen die Kunden dann die Frühjahrsblüher nicht mehr. Stiefmütterchen kann ich im Mai nicht mehr verkaufen und auch nicht lagern. Wir brauchen in den Gewächshäusern außerdem Platz für die nächsten Saison-Pflanzen.“ Für die Frühjahrsblüher wird es eng: „Wenn der Lockdown über den 14. Februar hinaus verlängert wird, landen sie auf dem Kompost.“ Die Gärtner vermissen vor allem Planungssicherheit: Die Gärtner im Rosengut vermissen vor allem Planungssicherheit. Gurken- oder Tomatenpflanzen, die sich Menschen gern auf dem Balkon zur Selbstversorgung einsetzen, müssen ausgesät werden. „Wir überlegen jetzt: Säen wir aus oder lassen wir es sein? Wenn wir säen und der Lockdown wird verlängert, wäre alles für die Katz“, so Gärtnermeister Holm Wießner. „Es ist deprimierend, weil man nicht weiß, ob die Arbeit noch etwas bringt“, sagt er. Weil die Lagerung nicht möglich ist und Saisonpflanzen nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt verkaufbar sind, spricht man bei Gärtnerei-Produkten von schnell verderblicher Ware. „In Nordrhein-Westfalen dürfen Gartencenter öffnen, weil es dort den Passus gibt, das Geschäfte mit verderblichen Produkten öffnen können“, sagt Bräutigam. Auch in Sachsen „dürfen Produktionsgärtnereien wie wir öffnen“. In Brandenburg dürfen sie es nicht. Lesen Sie auch: Ausgezeichnete Gärtnerei Keine Aussicht auf ein Zuhause: Das passiert mit den Tieren und Blumen im Kölle-Markt Stattdessen nutzen Supermärkte die Gelegenheit, rüsten ihr Sortiment mit Blumen und Topfpflanzen auf und werben mit niedrigen Preisen. „So werden in die schon vollen Supermärkte noch mehr Leute gelockt“, kritisiert Bräutigam. Dabei hätten die Menschen im Rosengut viel mehr Platz. „Wir haben 2,5 Hektar Freiland und 1,8 Hektar unter Glas. Da verlaufen sich die Leute.“ Das eigene Hygienekonzept war im Frühjahr erfolgreich praktiziert worden – nach dem ersten Lockdown, bei dem Pflanzenmärkte offen blieben. 500 Weihnachtsbäume mussten weggeworfen werden: Hilfen konnte das Rosengut bisher nicht beantragen, weil der Betrieb im Dezember noch Weihnachtsbäume verkaufen durfte und erst danach die Komplettschließung kam. „Die Leute waren aber schon verunsichert. Ab Mitte Dezember waren es nur noch 20 Prozent des Umsatzes von normalen Jahren. 500 Weihnachtsbäume mussten wir wegwerfen.“ Betrieb hatte vor Corona Weichen für Gewächshaus-Neubau gestellt: Bei all dem Drama kommt für das Rosengut, dessen Café bereits im November das zweite Mal schließen musste, noch ein Problem hinzu. 2018, als keiner ahnte, dass die Welt zwei Jahre später mit einer Pandemie zu kämpfen hat, stellte der Betrieb die Weichen für eine Zukunftsinvestition. Das geplante Gewächshaus für Stauden und Gehölze wird inzwischen gebaut. Eine Million Euro kostet der Neubau, der teilweise gefördert wird. „Wir bekommen jeden Tag Rechnungen, dass mir schlecht wird“: Die Auszahlung des Fördergeldes verzögert sich indes. „Stattdessen bekommen wir jeden Tag Rechnungen, dass mir schlecht wird“, so Bräutigam. Bezahlt werden müssen Frühjahrswaren wie Dünger und Töpfe und die Baufirmen auch. „Bestellungen und Aufträge haben wir vor einem Jahr vergeben, weil diese Betriebe ja auch planen müssen“, sagt er. Bräutigam hofft jetzt auf eine Öffnung nach dem 14. Februar. „Müssen wir bis Ostern geschlossen bleiben, wäre die Katastrophe perfekt. Dann können sie sich nächstes Jahr neue Gärtnereien suchen“, sagt er. Von Jens Steglich

Corona: Zwangspause bringt Rosengut Langerwisch in Schwierigkeiten - 400 000 Frühjahrsblühern droht der Kompost