Kein Wasser mehr: Der Fresdorfer See ist komplett ausgetrocknet

Der Fresdorfer See ist weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit verschwunden. Man kann durchaus von einem plötzlichen Tod sprechen, wenn man bedenkt. dass der See rund 20 000 Jahre alt war und 2014 noch aussah wie ein richtiger See. Im Jahr 2020 ist von ihm keine Pfütze mehr übrig geblieben. „Das macht einen fassungslos“, sagt der Fresdorfer Wolfgang Weber. Er lebt mit seiner Familie in der Nähe des Sees. „Er hatte 30 Hektar, zuletzt 5,6 Hektar und jetzt sind es null Hektar“, sagt Weber, der ein Foto von 2014 zeigt, als der See optisch noch gut aussah. Das Foto vom August 2020 zeigt die Stelle, an der sich kurz vorher das letzte Wasser verabschiedet hat. Drei heiße Sommer gaben dem See den Rest. Ortsvorsteher: „Für mich ist es absolut deprimierend“: „Für mich ist es absolut deprimierend. Man kommt sich auch hilflos vor, wenn man das sieht“, sagt Fresdorfs Ortsvorsteher Bernd Herrmann. Er ist früher auf dem See Schlittschuh gelaufen. „Im Winter haben wir eine Fläche freigeschoben und Eishockey gespielt. Die Eishockeyschläger haben wir aus Ästen geschnitzt.“ Warum ist der See fast unbemerkt verschwunden? „Wir haben keinen Lärm geschlagen und keinen Förderverein gegründet. Der Fresdorfer See hat auch nicht diese Rolle wie der Seddiner See gespielt, der Ausflugsziel und Badesee ist. Der Fresdorfer See war ein Naturparadies“, sagt Herrmann. Früher landeten Gänse auf dem See, jetzt ist er ein Wildschweinparadies: „Früher sind hier Gänse gelandet. Heute suchen sie den See“, erzählt Sieglinde Rüdiger, die ihn seit 47 Jahren kennt. Die Gänse finden an der Stelle nur noch Erlen und Schilf, das selbst den Grund des Sees bedeckt. „Aus dem See ist ein Wildschweinparadies geworden“, so Herrmann. Das verschwundene Gewässer war zuvor auch optisch aus dem Blick der Menschen geraten, weil es völlig zugewachsen und inzwischen von einem Waldgürtel umgeben ist. „Früher gab es am See eine intensive Karpfen- und Entenzucht, dadurch war der Nährstoffeintrag groß“, sagt der Ortsvorsteher. Das beförderte das Wachstum der Pflanzen, die auch Wasser brauchen. Vor allem Erlen haben sich breit gemacht, die besonders viel Wasser ziehen. Lesen Sie auch: Wie der Seddiner See gerettet werden soll Aufgebrachte Bürger und ein Rettungsversuch: Der Seddiner See wühlt die Menschen auf Dramatischer Wassermangel: Ein Fischer verliert seinen See Das dürfte den Tod des Sees genauso beschleunigt haben wie die Klimaerwärmung und die damit einhergehende höhere Verdunstungsrate. Herrmann nennt als weitere Ursache für den Wasserverlust den Torfstich, der unweit vom See in den 1970er Jahren angelegt worden war. Weber spricht bei der Ursachensuche von „vielen Puzzlesteinen und einigen Problemen, die hausgemacht sind“. Der Fresdorfer See gehört zur Seddiner Seenkette: Auch wenn der Tod des Sees zeithistorisch plötzlich kam, hatte er sich länger angekündigt. Der Fresdorfer See gehört zur Seddiner Seenkette: Er wird vom gleichen Grundwasserreservoir gespeist wie der Seddiner See, der tiefer ist, aber ebenfalls dramatisch an Wasser verloren hat. Der Fresdorfer See liegt aber am Ende der Nahrungskette und bekam aus den in der Gegend arg strapazierten Grundwasserdargebot das, was übrig blieb. Zu wenig, um in Zeiten des Klimawandels zu überleben, in denen höhere Temperaturen auch den Wasserverbrauch steigen lassen. „Ein kleiner Blick in die Zukunft des Seddiner Sees“: „Der Fresdorfer See zeigt uns, wohin es führt, wenn wir in diesen Zeiten weiter so wie jetzt mit unseren Grundwasserreserven umgehen“, sagt Jürgen Wagler, der Vorsitzende des neu gegründeten Vereins, der die Seddiner Seenkette erhalten will. „Man kann am Fresdorfer See einen kleinen Blick in die Zukunft des Seddiner Sees erhaschen und sehen, wohin die Entwicklung geht, wenn wir wie bisher unserer Landschaft dauerhaft Wasser entziehen“, fügt er hinzu. Wagler kämpft darum, das aus dem Grundwasser gewonnene Trinkwasser nach der Nutzung der Landschaft zurückzugeben. Statt das im Klärwerk Beelitz gereinigte Abwasser über Nieplitz, Havel und Elbe in die Nordsee zu transportieren, soll es im Einzugsgebiet des Sees verrieseln. Allerdings braucht das Klärwerk dafür eine zusätzliche Reinigungsstufe, die Phosphate und auch Medikamentenreste herausfiltert. „Das Prinzip, der Landschaft Wasser zurückzugeben, ist richtig“: „Das Prinzip, der Landschaft das Wasser zurückzugeben, ist richtig“, findet Wolfgang Weber. „Wir waren mit die Ersten, die in Fresdorf eine Kleinkläranlage hatten“, erzählt er. Fresdorf wie auch der Nachbarort Stücken wurden nach langem Kampf 2005 vom „Anschluss- und Benutzungszwang“ befreit und nicht ans zentrale Abwassernetz angeschlossen. Bei Weber auf dem Grundstück steht deshalb legal eine Kleinkläranlage, die das Abwasser reinigt und vor Ort verrieseln lässt. „Wir geben im Jahr 100 Kubikmeter Wasser gereinigt der Landschaft zurück“, sagt er. Für den großen, aus der Balance geratenen Wasserhaushalt in der Gegend ist das indes ein Tropfen auf den heißen Stein. Früher gab es am Fresdorfer See sogar einen Fischer. Er hatte den See nach dem Zweiten Weltkrieg gepachtet, weiß Ortsvorsteher Bernd Herrmann. Der Fischer bewirtschaftete ihn bis Anfang der 1960er Jahre. „Danach wurde der VEB Binnenfischerei Seddin mit der Bewirtschaftung betraut, der den See zur Entenproduktion und dann als Produktionsgewässer zur Karpfenzucht nutzte“, schreibt Ortschronist Manfred Albrecht in einem Beitrag zur Geschichte des Sees, der im neuen Heimatkalender für Potsdam-Mittelmark für 2021 erschienen ist. Der alte Kahn des Fischers ist liegengeblieben und wurde von der Natur zurückerobert. Inzwischen wachsen Bäume aus ihm heraus. „1989 wollte man den Schlamm aus dem See ausbaggern. Dann kam die Wende und man hat es doch nicht getan“, erzählt der Fresdorfer Wolfgang Weber. Der Fresdorfer Dorfverein will dem verlorenen See 2021 eine Ausstellung widmen. Von Jens Steglich