Wohnmichel saniert Schwesternheim in Michendorf: Das Haus mit besonderer Historie wird Teil eines alternativen Projekts

Die Mitstreiter des Michendorfer Wohnmichels, die im Stieglitzweg drei neue Häuser gebaut und bezogen haben, wagen sich erstmals an die Sanierung eines alten Hauses heran. Das frühere Schwesternheim, das am Heideweg schon vor 86 Jahren seinen Platz gefunden hat, wird im nächsten Jahr saniert und soll bis Anfang 2022 als Wohnhaus zu neuem Leben erweckt werden. In Wohnmichelhäusern sind die Mieter zugleich die Vermieter: „Wir wollen es in seiner Anmutung erhalten. Eine Frage ist noch, ob es nach neuesten Standards wärmegedämmt werden muss. Dann würde sich die Fassade etwas ändern“, sagt Peter Bartels, Mitgründer des Wohnmichels. Das Projekt ist ein Kontrastprogramm zum kommerziellen Immobilienmarkt. In den Wohnmichelhäusern sind die Mieter zugleich die Vermieter. Gesucht hat er jüdische Spuren, gestoßen ist er auf NSDAP-Anhänger: Mit dem Schwesternheim, das 2017 gekauft wurde, wird ein Stück Michendorfer Historie Teil des modernen, alternativen Wohnverbundes. „Es ist das einzige Haus in der Gegend, dem man eine ältere Geschichte ansieht“, sagt Bartels. Lesen Sie auch: Wo die Mieter auch die Vermieter sind Die Mutige aus Michendorf Er hat sich auf die Suche nach Spuren der Geschichte gemacht. Gefunden hat er das Gegenteil von dem, was er erwartet hatte. Anlass für seine Recherchen, die noch am Anfang stehen, war die Vermutung, „das Haus hätte einer deutschen Familie jüdischen Glaubens gehört“, erzählt Bartels. Im Umfeld habe es viele Grundstücke mit jüdischen Voreigentümern gegeben. Gesucht hat er nach jüdischen Spuren, gestoßen ist er auf einen Anhänger der NSDAP. Erbauer des Hauses arbeitete für den Kaiser: Die Villa, die Michendorfer noch heute Schwesternheim nennen, gehörte einem Deutschen, der erst dem Kaiser und dann den Nazis diente. Der Erbauer des Hauses soll auf dem Hof des letzten Kaisers Zeremonienmeister gewesen sein. Erzählt wurde dem Spurensucher auch, dass der Mann, der mit seiner Frau 1934 in das Haus einzog, in seiner Tätigkeit für den Kaiser viele Kunstgegenstände geschenkt bekommen hatte, die er im Garten aufstellte. „Von den Kunstwerken ist nichts mehr da“, sagt Bartels. 1945 spielte sich im Haus eine Tragödie ab: In der Villa spielte sich später – im Jahr 1945 – eine Tragödie ab. „Alle drei Bewohner starben im Haus. Die genauen Umstände kennen wir nicht.“ Der Erbauer des Hauses, seine Frau und die Haushälterin sollen sich aus Angst vor der anrückenden Roten Armee selbst getötet haben. Im April 1945 gab es in der Region zahlreiche Suizide aus diesem Grund. Die Geschichte des Hauses hat bei Peter Bartels und seinen Mitstreitern die Freude, es zu sanieren, getrübt, wie er bekennt. „Als ich das erfuhr, habe ich mich schon gefragt, ob das gut ist, wenn Leute von uns darin leben“, sagt er und fügt hinzu: „Wir sind den Diakonissen dankbar, dass sie danach im Haus gewohnt haben. Schwestern beten viel und sind ohne Sünde. Das Haus hat wenn man so will einen Reinigungsprozess durchgemacht.“ Die evangelischen Schwestern zogen nach dem Krieg in das Haus ein und gaben ihm somit den Namen, der sich bis heute hält: Schwesternheim. Im Umfeld des Hauses wird an einem neuen Kapitel geschrieben: Im Umfeld des alten Hauses wird derweil an einem neuen, erfreulichen Kapitel geschrieben. Die Wohnmichel-Familie wächst weiter. Zwei neue Häuser entstehen derzeit. Sie sollen im Frühjahr 2021 bezogen werden. Am Anfang des selbstverwalteten Wohnprojekts stand ein Dialog bei Familie Bartels. Die Kinder hatten das Haus verlassen und Sabine Bartels prophezeite: „Es wird langweilig.“ Ihr Mann sagte: „Dann machen wir eine Wohngemeinschaft.“ Herausgekommen ist der Wohnmichel, ein Verein, der eine GmbH gründete, die für Vereinsmitglieder Häuser baut. In drei Häusern leben nun 32 Erwachsene und 18 Kinder. Zwei Häuser sind im Bau. „Wenn sie fertig sind, werden wir 52 Erwachsene und 30 Kinder sein“, sagt Peter Bartels. Von Jens Steglich

Wohnmichel saniert Schwesternheim in Michendorf - das alte Haus mit ungewöhnlicher Geschichte wird Teil eines modernen Wohnprojekts