Zwei Schornsteine in Niemegk zu Boden gesprengt

Am Ende ist es eine Sache von Sekunden. Ein kurzes Warnsignal aus der Fanfare, dann schlagkräftige Explosionen. Mit lautem Donnern und eingehüllt in eine dicke Staubwolke rauschen am Sonnabend kurz vor Mittag zwei letzte Zeitzeugen einer Niemegker Industriegeschichte zu Boden. In sicherem Abstand am Sperrkreis verfolgen rundherum viele Schaulustige das Spektakel einer doppelten Sprengung. Fast komplett dem Erdboden gleichgemacht ist damit nun die ehemalige Ziegelei an der Treuenbrietzener Straße. Schon in Wochen zuvor hatten Arbeiter mit Baggern und Radladern die alten Gebäude der Ziegelei beseitigt. Sie war Ende der 1960er-Jahre errichtet worden. Sonnenstrom statt Ziegel: Die aus Bayern stammenden Eigentümer des Geländes am Rande des Gewerbegebietes machen nun Platz für ein modernes Kapitel Wirtschaftsgeschichte. Statt Baumaterial soll dort künftig Sonnenstrom produziert werden. Geplant ist der Aufbau von Photovoltaikanlagen. Sie sollen einerseits montiert werden auf dem Dach der Produktionshalle aus DDR-Zeiten, die als einziges Gebäude des alten Ziegelwerkes erhalten bleibt und saniert wird. „Die Halle ist vermietet und auf dem Dach werden wir nach der Sanierung in den nächsten Wochen PV-Anlagen montieren“, erklärt Richard Scheuerlein. Gemeinsam mit Thomas Liegel hat der Projektentwickler aus dem Raum Regensburg das gut 24.000 Quadratmeter umfassende Gelände im Jahr 2015 erworben. Andererseits würden die Investoren gerne weitere PV-Anlagen auch auf den mit dem Abriss der historischen Ziegelei nun geschaffenen riesigen Freiflächen installieren. „Welcher Umfang im Rahmen von Konversion genau möglich sein wird, muss die Baugenehmigung zeigen“, erklärt Thomas Liegel. Die Investoren aus Bayern sind am Sonnabend mit vielen Familienmitgliedern angereist, um die Sprengung der Schornsteine vom Silo-Turm der benachbarten Fels-Werke aus zu verfolgen. Im Kofferraum einer Limousine sind auch Würstchen und ein kleiner Imbiss im Gepäck, die kurzerhand auch an einige Schaulustige am Straßenrand verteilt werden. Bei der Sprengung der Schornsteine läuft pünktlich um 11 Uhr alles planmäßig. Nach kräftigem Knall stürzen die beiden gut 50 Meter hohen Bauwerk fast zeitgleich zur gewünschten Seite auf der großen Freifläche zu Boden. Lediglich am Gebäude der Fels-Werke geht eine kleine Scheibe zu Bruch. Die Wucht der Detonation hat ein paar Steinbrocken bis auf das Nachbargelände geschleudert. 18 Kilogramm Sprengstoff: Gesprengt wurden die Schlote mit Hilfe von insgesamt 18 Kilogramm des Sicherheitssprengstoffes Reodin. „Wir haben 72 Zünder in zwei Kreisen an den Füßen der Schornsteine angebracht und gleichzeitig gezündet“, erzählt Robert Halter, Juniorchef der Firma Halter Spreng- und Umweltechnik aus Berlin. Für ihr war die Sprengung in Niemegk ein Routine-Auftrag ohne besondere Herausforderungen. „Angespannt sind auch wir trotzdem immer wieder bei jeder Zündung“, sagt der Experte. „Man steckt ja nicht drin in so alten Ziegeln.“ Dabei hat die auf Abrissarbeiten spezialisierte Firma, die es in vierter Generation seit 1925 gibt, einige Erfahrung. Mehr als 100 Sprengungen haben die Experten bereits erledigt. „Darunter war auch die alte Deutschlandhalle am Funkturm in Berlin“, erzählt Christoph Halter, der Seniorchef der Firma aus Berlin-Spandau. Zuletzt nur noch ein Schandfleck: In Niemegk haben rundherum viele Bürger das Spreng-Spektakel interessiert verfolgt. „Ich hatte als Junge erlebt, wie die Schornsteine aufgebaut wurden und nun habe ich sie wieder fallen sehen“, sagt Rentner Günter Puhlmann. Lange Jahre hat er im benachbarten Kieswerk gearbeitet und miterlebt wie die Produktion in der Ziegelei nach der Wende endete. „Danach verkam das Gelände ja immer mehr zur Müllhalde und zum Schandfleck“, erzählt der Niemegker. „Gut, dass alles nun so schnell beräumt ist und eine neue Nutzung für das Areal erfolgt.“ Christa Wallich hat vor der Sprengung, über die sie aus der MAZ erfuhr, noch schnell Fotos von den Schornsteinen gemacht, die viele Jahrzehnte die Silhouette der Stadt geprägt hatten. „Das ist doch ein Stück Niemegker Zeitgeschichte gewesen“, sagt die Hobbyfotografin. „Auch in der Stadt mache ich oft Bilder, um die Veränderungen für die Chronik zu dokumentieren“, erzählt die Seniorin gegenüber der MAZ. Inzwischen ist die kurzzeitige Sperrung der Bundesstraße 102 durch die Polizei aufgehoben. Der Verkehr rollt wieder. Jedoch nicht mehr vorbei an den markanten Schornsteinen, sondern an Schuttbergen und Trümmern, die von ihnen übrig blieben. Von Thomas Wachs

Niemegk - Schornsteine der alten Ziegelei gesprengt