Roland Templin hat in Kleinmachnow eine der größten Privatsammlungen zu Tucholsky und Kafka

Roland Templin muss nicht suchen in seinen Regalen Er hat blitzschnell parat, was er zeigen will. Und er hat viel zu zeigen. Der Kleinmachnower, so seine eigene Einschätzung, verfügt über eine der weltweit umfangreichsten Privatsammlungen über Kurt Tucholsky. Dazu kommen Bücher, Bilder und Dokumente zu zwei weiteren Schriftstellern: Georg Hermann und Franz Kafka. Wenn man mit Templin über die Autoren und ihr Werk spricht, darf man nicht erwarten, auf eine kurze Frage eine kurze Antwort zu bekommen. Aber man wird Zeuge von Leidenschaft. So ist Franz Kafka, der 1883 in Prag geboren wurde und schon mit 40 Jahren starb, für Roland Templin ein „Weltautor“, er habe in einer einfachen, klaren Sprache geschrieben, die sich auch gut übersetzen lasse. Der klaren Sprache stehen die Unklarheiten in seinen Geschichten gegenüber. Gymnasiasten und ihre Lehrer und vor allem Literaturwissenschaftler haben viel hineingedeutet in diese Texte, nach Interpretationen gesucht. Dazu will Roland Templin, der von Hause aus Biologe ist und der Kleinmachnower Gemeindevertretung angehört, keine weiteren Beiträge liefern. Akribische Recherche nach Kafkas Italienreise: Für ihn wäre etwas anderes reizvoll: ein Bild-Text-Band zu den Werken Kafkas. Der Autor habe ein fotografisches Gedächtnis gehabt. Viele besuchte Orte würden sich in seinen Romanen – beziehungsweise Romanfragmenten – und Erzählungen wiederfinden. Templin hat dazu akribisch recherchiert, ein Beispiel: 1909 besuchte Kafka eine Flugschau im italienischen Brescia und berichtete darüber in der Zeitung „Bohemia“. Jahrzehnte später erstand Templin in Italien ein Foto, auf dem inmitten des Publikums Kafka zu sehen ist – allerdings nur von hinten. Um zu belegen, dass es sich wirklich um den Autor handelt, hat Templin neben dem Zeitungsartikel unter anderem auch das Programmbuch der Flugschau und den Fahrplan der Züge zum Flugfeld hinzugezogen. So ließ sich nicht nur herausfinden, an welchem Tag das Bild entstand – am 11. September –, sondern auch die Uhrzeit – 16.03 Uhr – und ganz klar: Der Mann mit dem Strohhut, das ist Kafka. Templins Recherchen sind in die Kafka-Biografie von Reiner Stach eingegangen. Mehr als 2000 Original-Veröffentlichungen Tucholskys: Das Interesse Templins an Kafka war durch die Werke Kurt Tucholskys (1890-1935) befördert worden, denn der hatte auch Kafka-Texte rezensiert. Auch an Tucholsky schätzt Templin vor allem die Sprache: modern, aber nicht avantgardistisch. Etwa 3600 Publikationen gebe es von Tucholsky, Templin besitzt mehr als 2000 Originalveröffentlichungen, unter ihnen – natürlich – die Erstausgabe der Liebesgeschichte „Rheinsberg“ und uralte Ausgaben der Wochenschrift „Die Weltbühne“, die in Potsdam gedruckt wurde. Besonders angetan ist Templin von dem Band „Deutschland, Deutschland über alles“, in dem sich Tucholsky, unterlegt mit Fotos von John Heartfield, kritisch mit dem latenten Militarismus in Deutschland auseinandersetzt, ebenso mit Institutionen wie Justiz und Kirche. Die Bücher von Georg Hermann, der 1871 in Berlin geboren wurde und 1934 im KZ Auschwitz – oder auf dem Weg dorthin – ums Leben kam, nehmen vergleichsweise wenig Platz in Templins Regallandschaft ein. Aber im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war Hermann ein viel gelesener Schriftsteller. Der Verlag Das Neue Berlin wollte ab Mitte der 1990er Jahre 21 Bände mit seinen Werken herausbringen, aber es wurden nur zehn. Das Interesse an Hermann war inzwischen abgeflaut. Mehrfach wieder aufgelegt wurde das 1926 erschienene Büchlein „Spaziergang in Potsdam“. In Potsdam ist auch eine Straße nach Georg Hermann benannt. Einen Biografie über Georg Hermann: „Ich mache das alles aus eigenem Interesse“, sagt Roland Templin zu seiner Archiv- und Recherchetätigkeit. Aber eine Biografie über Georg Hermann zu schreiben, das würde ihn – neben dem Bilderbuch zu Kafka – schon interessieren. Zu Tucholsky hatte er vor 15 Jahren im Kleinmachnower Rathaus eine Ausstellung gestaltet, zum 70. Todestag des Autors. So einer wie Tucholsky verdiene es, unabhängig von runden Geburts- oder Todestagen gewürdigt zu werden, findet Templin. Am liebsten würde er eine Ausstellung in Charlottenburg machen; dort hat Tucholsky zeitweise gewohnt, dort wurde die „Weltbühne“ herausgegeben. Templin hatte auch schon entsprechende Kontakte aufgenommen. Ein Ergebnis blieb aus. Vielleicht ist der Eindruck richtig, dass Roland Templin ein Problem hat, das er mit anderen Privatsammlern, die die Öffentlichkeit suchen, teilt: Kulturinstitutionen sind Partner, die auch Zweifel an einer Idee anmelden, auf möglicherweise ausbleibendes Publikum verweisen, auf die Unumgänglichkeit langfristiger Planungen, auf Raum- und Geldnot. Da vermag sich die Leidenschaft von Sammlern nicht immer zu übertragen. Von Stephan Laude