Seit 15 Jahren im Ehrenamt: Das macht Lernpatin Ute Anzlinger in Stahnsdorf

„Ich habe einen festen Stundenplan“, sagt Ute Anzlinger – und bei 65-Jährigen ist das eher selten. Ute Anzlinger ist Lernpatin an der Grundschule „Heinrich Zille“ in Stahnsdorf. Am 25. Februar 2005 – vor 15 Jahren – hat sie damit angefangen. Viermal in der Woche kommt sie morgens, kurz vor halb acht in die Schule, und zwar aus Freude. Geld gibt es für das Ehrenamt nicht. „Aber man bekommt viel zurück von den Kindern“, erzählt sie. Das sei der Lohn. Akademie 2. Lebenshälfte vermittelt Ehrenamtler: Ute Anzlinger kam 1998 aus Hannover, wo sie bei der Lebenshilfe mit Behinderten arbeitete, nach Stahnsdorf, weil ihr Ehemann aus beruflichen Gründen nach Berlin wechseln musste. Der Anfang in der neuen Umgebung war schwer für die Familie, keine Freunde, keine Bekannten. Das hat sich gründlich geändert. 2004 war Ute Anzlinger auf die Akademie 2. Lebenshälfte in Teltow aufmerksam geworden. Dort vermittelte ihr die damalige Ehrenamtskoordinatorin Erika Pusch innerhalb des Projekts „Alter engagiert sich für Zukunft“ die Arbeit mit Kindern. Erst war sie an der Kita „Mäuseburg“. Dort bekam sie Lust, gemeinsam mit den Kita-Kindern in die Schule zu wechseln. Von der „Lese-Ute“ zur Lernpatin: Anke Rettig, die seit sechs Jahren Rektorin der Zille-Schule ist, hat sie als „Lese-Ute“ kennengelernt. Inzwischen ist sie mehr. Als Lernpatin hilft Ute Anzlinger nicht nur auf sprachlichem Gebiet, sondern auch in Mathematik. Sie sei eine Expertin geworden, sagt Anke Rettig. Auch wenn der Stundenplan festgeschrieben ist: Ob Ute Anzlinger im Klassenverband Unterstützung leistet oder mit einer kleinen Gruppe von Kindern in der Bibliothek sitzt, das wird spontan entschieden. „Wenn ich in der Klasse frage, wer will mit Frau Anzlinger mitgehen, melden sich alle“, sagt Nicole Lüders, Klassenlehrerin der 3c. Für die Schüler ist Frau Anzlinger einfach Ute. „So habe ich eine bessere Beziehung zu den Kindern“, sagt sie. Sie kennt von den meisten auch nur die Vornamen. Hilfe, wenn das Selbstvertrauen fehlt: Die Lernpatin hilft nicht nur lernschwachen Schülern auf die Sprünge. Ihr Angebot richtet sich an alle. Und die Bibliothek, ein angenehm ruhiger Raum, eignet sich gut für individuelle Förderung. Da sind die Jungen und Mädchen nicht 20 Augenpaaren von Mitschülern ausgesetzt, wenn sie ein Gedicht aufsagen sollen, was schwer fällt, wenn es ihnen an Selbstvertrauen fehlt. In der Bibliothek kann man erst mal unbeobachtet frei sprechen lernen. Das hilft. Überhaupt: die Bibliothek. Sie wird von der Stahnsdorfer Gemeindebibliothek bestückt. Es gibt CDs, DVDs, Spiele und natürlich Bücher. „Selbstausgesuchte Bücher werden lieber gelesen als die Unterrichtslektüre“, hat Ute Anzlinger festgestellt. Für den Einstieg ins Lesen hat sie Lesekarten erarbeitet, mit einzelnen Silben in großer Schrift bis zu längeren Texten in kleiner. Bewerber sollten Kinder haben und verschwiegen sein: „Die Schule ist für jede ehrenamtliche Unterstützung dankbar“, sagt Schulleiterin Rettig. Ute Anzlinger ist nicht die einzige Ehrenamtlerin an der „Zille“. Man muss für das Amt keine Pädagogikausbildung absolviert haben. Von Vorteil ist es aber, wenn Bewerber selbst Kinder und Enkelkinder haben. Man müsse verschwiegen und vertrauenswürdig sein und dürfe sich nicht am Lärm in den Unterrichtspausen stören, fasst die Lernpatin wichtige Anforderungen zusammen – vor allem der Lärm erweist sich für Bewerber häufig als Problem. Lesen Sie auch: Zilleschule: Raumnot soll bald beendet sein A wie Anna: Ein 46-Jähriger lernt für seine Tochter lesen Lerncaé: Nachhilfe für Erwachsene bald auch im Schlaatz Potenzielle Lernpaten werden von Ute Anslinger auf ihre Aufgaben vorbereitet. Zudem bietet die Akademie 2. Lebenshälfte Fortbildungen an, zum Beispiel mit einer Sprachtrainerin. Wenn sich nach zwei Wochen zeigt, dass der Bewerber geeignet erscheint, gibt es eine Art Einstellungsgespräch bei der Rektorin. Ehemann unterstützt Ute Anzlinger: Dass einer der beiden Partner im Seniorenalter noch einmal nach einem Stundenplan lebt, dürfte bei den wenigsten Paaren Teil der Lebensplanung sein. „Mein Mann hat zu mir gesagt: ,Mach, was du gern machst.’“, berichtet Ute Anzlinger und ist froh über die Unterstützung. Einer, der schönsten Effekte für die 65-Jährige ist: „Das Ehrenamt hält mich jung.“ Auch sprachlich bleibe man auf dem neuesten Stand. Schülerfragen wie diese jedenfalls dürften an Senioren nicht so oft gestellt werden: „Ute, kommst du mit runter zum Chillen?“ Von Stephan Laude

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