Bestatter in Corona-Zeiten: „Wir arbeiten direkt an den Infizierten“

Die Corona-Pandemie hat die Welt auf den Kopf gestellt, doch so nah wie die Mitarbeiter des Totengewerbes kommen der Katastrophe nur wenige. Zwar leiden andere Branchen unter dem erneuten Shutdown – etwa der Einzelhandel oder der Reisesektor – doch in den Bestattungsinstituten und Friedhöfen der Region wird täglich dafür gesorgt, dass Corona-Tote ohne Gefahr beigesetzt werden und ihre Hinterbliebenen sicher Abschied nehmen können. „Wir sind oft nah an der Tragik dran“: Olaf Ihlefeldt ist der Verwalter des Stahnsdorfer Südwestkirchhofs. Er erzählt, dass die Belastung für ihn und seine Mitarbeiter im Alltag groß sei. „Wir müssen natürlich den Betrieb des Friedhofs aufrechterhalten, aber gleichzeitig arbeiten wir auch als Telefonseelsorger für die Angehörigen. Wir sind oft ganz nah an der Tragik dran.“ Dabei hören sie Geschichten, wie die eines alten Ehepaares – die Frau sei noch in der Früh im Krankenhaus gewesen, bis zum Nachmittag war ihr Mann verstorben. Ihlefeldt sagt, Seelsorge sei zwar eigentlich gar nicht die Aufgabe der Verwalter – doch: „Natürlich hören wir zu, und das ist wichtig und gut so.“ Corona als täglicher Begleiter: Überhaupt habe die Pandemie ihn und seine Mitarbeiter an ihre Grenzen getrieben. Auch, weil es so viel neues zu erlernen, erfragen und bedenken gab. „Inzwischen ist Corona zu einem täglichen Begleiter geworden. Das war aber ein extremer Lernprozess.“ Besonders am Anfang habe es noch Verunsicherung darüber gegeben, was denn etwa jetzt erlaubt und verboten sei. Drei Tage lang war Ihlefeldts Friedhof deswegen zum Start der Pandemie geschlossen, bevor geklärt werden konnte, dass Friedhöfe auch weiterhin geöffnet bleiben durften. Covid-Tote dürfen nur in luftdichten Plastihüllen beerdigt werden: Gewisse Probleme werden auch noch lange nicht gelöst sein, etwa wie mit den sterblichen Überresten von Corona-Toten nach mehreren Generationen umgegangen wird. Denn eigentlich dürfen auf Ihlefeldts Friedhof nur Sachen vergraben werden, die sich zersetzen können. Doch an Covid Verstorbene müssten in luftdichten Plastikhüllen beigesetzt werden, erklärt Ihlefeldt. Etwas aktueller gäbe es auch noch die Kontaktbeschränkungen, die eine besondere Herausforderung darstellen, so Ihlefeldt. „Die Menschen sind in ihrer Trauer massiv eingeschränkt.“ Offene Särge sind tabu: Das ist etwas neues, auf das auch Bestatter wie Michael Gröbler aus Teltow eingehen müssen. Etwa könnten sie natürlich bei Corona-Toten keine Aufbahrung mit einem offenen Sarg anbieten, sagt er. Auch könnten Bestatter nur mit Schutzausrüstung ausgestattet und im Büro mit Trauernden nur durch Plexiglas in Kontakt treten. Kleine Veränderungen, wie etwa dass der Bestatter Papiere nicht direkt übergibt, sondern in den Briefkasten wirft, könnten bei manchen Trauernden die Einsamkeit auch noch verstärken, sagt Gröbler. Beschränkungen von Trauerversammlungen auf den unterschiedlichen Friedhöfen täten ihr übriges. „Für viele ist es schwer zu verinnerlichen, dass man sich halt jetzt nicht wirklich nach der Beerdigung umarmen kann, auch wenn man gerne möchte“, so Gröbler. „Das ist für eine solche Veranstaltung natürlich ein seltsamer Umgang.“ Am Anfang fehlte sogar Schutzkleidung: Wie am Friedhof habe es auch im Bestattungsinstitut viel zu lernen gegeben. „Besonders am Anfang der Pandemie war es ziemlich hart“, erinnert sich Gröbler. Es sei so gut wie unmöglich gewesen, die notwendige Schutzkleidung aufzutreiben. Dabei arbeite man als Bestatter ja direkt mit infizierten Personen. „Unser erstes Desinfektionsmittel haben wir uns sogar selbst aus hochprozentigem Alkohol zusammengemischt“. Mittlerweile sei die Versorgungslage zwar besser geworden, doch wo es noch manchmal hapert, ist bei der Übergabe der Toten – denn eigentlich müssen an Corona Verstorbene vom Krankenhaus in einer luftdichten Hülle und klar gekennzeichnet übergeben werden. Gröbler sagt allerdings, bei manchen Krankenhäusern sei das gar nicht der Fall. „Da bekommt man dann einen Covid-Toten weder mit Hülle, noch mit Kennzeichnung. Wie es da manchmal vor sich geht – das macht unsere Arbeit auch nicht gerade leichter“. „Emotionale Belastung ist enorm“: Auch die Arbeit auf Ihlefeldts Friedhof ist alles andere als leicht. „Wir hatten zwar noch keinen, der hingeworfen hat“, sagt er, „doch die emotionale Belastung ist natürlich enorm“. Er und seine Kollegen würden ab und zu das Erlebte gemeinsam besprechen und verarbeiten. Wieder andere erzählten ihrer Familie darüber. Auch die Angst, sich selbst oder Liebste anzustecken, sei im Alltag präsent. Doch man müsse aktiv mentalen Aufbau betreiben, so Ihlefeldt. „Ich suche mir die Strohhalme – zum Beispiel jemandem, von dem ich weiß, er ist genesen und ist jetzt wieder gesund und fit“. Man müsse darauf achten, nicht nur die großen Dramen im Kopf zu behalten. „Da muss man aufpassen, nicht zu versinken.“ Auch wenn manche sich wünschten, ins Home-Office zu wechseln – ein gewisses Pflichtgefühl spiele bei ihrem Beruf auch mit, sagt Ihlefeldt. „Ich habe ein sehr gutes Team. Wir sind alle dem Ort und den Aufgaben verbunden. Und am wichtigsten ist: Wir helfen den Menschen und nehmen unseren Job sehr ernst.“ Angesichts der steigenden Sterbezahlen in Deutschland scheint es so, als würden Menschen wie Ihlefeldt und Gröbler auch noch länger an der Front der Corona-Krise bleiben. Von Linus Höller