Corona-Touristen auch aus Berlin und Leipzig stürmen Bad Belziger Schwerpunktpraxis

Die drastisch wachsende Nachfrage nach Corona-Tests stellt die Arztpraxen im Hohen Fläming vor neue Herausforderungen. „Wir sehen in den zurückliegenden 14 Tagen einen deutlichen Anstieg bei den nötigen Abstrichen“, erklärt Hausärztin Eva-Maria Schulze-Köhn. Deutlich in die Höhe gehe auch der Anteil positiver Ergebnisse. „Hatten wir den Sommer über kaum noch positive Fälle, sind nun mitunter sieben von 23 Tests am Tag positiv“, erzählt die Doktorin. Sie betreibt an der Niemegker Straße in Bad Belzig mit ihrer Kollegin Katharina Höhne und dem Kollegen Johannes Menning eine Hausarztpraxis, die seit Beginn der Pandemie auch Corona-Schwerpunktpraxis für die Region ist. Aktuell jedoch werde die Praxis vermehrt auch von Menschen angesteuert, „die in Berlin, Ziesar, Teltow oder auch in Leipzig keine zeitnahen Termine mehr für ihre Corona-Tests erhalten, weil die Teststationen dort überlastet sind“, erklärt die Praxisinhaberin. Stationäre und mobile Tests: Bis zu 40 Tests pro Tag absolviert ihr Team nun allein in der Praxis. Hinzu kommen mobile Abstriche, die Mitarbeiterinnen regelmäßig nehmen bei bestimmten Berufsgruppen wie Erzieherinnen von Kitas, Horten oder Pflegeheimen. So kommen bis zu 60 Tests zusammen pro Tag, die an Labore geschickt werden. Der Andrang habe auch zugenommen, weil nun von den Hausärzten auch wieder Menschen getestet werden dürfen, die zur Kur oder in Pflegeheime sowie Krankenhäuser gehen. „Zuletzt musste der Test in den jeweiligen Häusern selbst erfolgen“, erklärte Schulze-Köhn. Immer mehr Patienten mit Infekten: Probleme sieht die Doktorin auch wachsen, weil die Praxen angesichts des herbstlichen Wetterwechsels vermehrt nun von Patienten mit Infekten aufgesucht werden. „Ebenso wie die Corona-Test können wir uns auch diese Patienten nicht in die Praxis selbst holen, wenn nicht klar ist, dass keine Corona-Infektion vorliegt.“ Deshalb hat sich das Praxisteam für eine besondere Investition entschieden. Für mehr als 5000 Euro ist ein Container-Sprechzimmer angeschafft worden auf eigene Kosten. Es ist am Dienstagmorgen vor der Praxis postiert worden. Eine zuletzt seit Juli dort genutzte Holzhütte vom Brücker Weihnachtsmarkt war nun nicht mehr angemessen angesichts der zunehmenden Kälte für Mitarbeiterinnen und Patienten. „Jetzt gibt es Stromanschluss für Licht und Heizung“, erklärt die Doktorin. „Baulich haben wir in unserem Praxishaus selbst leider keine anderen Möglichkeiten, wenn wir die Arbeitsfähigkeit des Teams nicht durch Corona-Fälle oder Quarantäne gefährden wollen.“ Bestellsystem getaktet auf die Minute: Also gibt es ab sofort ein noch weiter ausgeklügeltes Bestellsystem nach telefonischer Voranmeldung. Von 8 bis 11 Uhr werden nur Patienten mit Infekten im Container empfangen zur Abklärung. Danach gehört das neue Außensprechzimmer ausschließlich noch den Coronatests. Wartezeiten im freien und auch unnötige Kontakte werden weiterhin vermieden durch ein auf die Minute getaktetes Bestellsystem. „Das hat bisher immer prima funktioniert. Die Leute sind diszipliniert und froh, dass sie überhaupt noch einen Test-Termin erhalten“, erklärt Eva-Maria Schulze-Köhn. Seit März hatte die Praxis für den Empfang von Patienten mit Verdacht auf eine Covid-19-Erkrankung und für entsprechende Tests ein großes THW-Zelt genutzt. Im Juli war es durch eine Holzhütte abgelöst worden. Bürgermeister entwickelt Kooperationsidee: Im Raum Treuenbrietzen sorgt sich bereits Bürgermeister Michael Knape (parteilos) um die Arbeitsfähigkeit von Arztpraxis. Angesichts der kürzlich spontanen Häufung nicht nur im Schwerpunktdorf Marzahna sei deutlich geworden, wie schnell sich Auswirkungen auf das öffentliche Leben ergeben können. Nach einem Corona-Fall bei einer Ärztin selbst, musste ihre Praxis geschlossen bleiben. Das betraf dann auch eine Kita, weil Personal von dort zu Routinetests in der Praxis war. „Wenn dann noch eine andere Praxis Herbsturlaub hat, wird es schnell eng für die Versorgung nicht nur der Patienten mit Verdacht auf Corona“, sagt der Treuenbrietzener Verwaltungschef. In Kooperation mit den Bürgermeistern und Amtschefs der fünf Kommunen im Hohen Fläming werden daher auf seine Initiative aktuell Modelle diskutiert, wie eine zentrale Teststation geschaffen werden könnte. Kontakt gebe es dafür zur Johanniter-Unfallhilfe. Sie verfüge über neue mobile Möglichkeiten, die für Coronatest genutzt werden könnten. Nachbarn sind für gemeinsame Lösung: „Bei den Kollegen in Brück und Niemegk gab es spontan schon Zustimmung für eine solche gemeinsame Lösung“, erklärte Michael Knape gegenüber der MAZ. „In Bad Belzig und Wiesenburg sollen noch Abstimmungen geführt werden.“ Zu klären seien allgemein noch die Fragen der Finanzierung und der Abrechnung im Zusammenspiel mit Krankenkassen, dem Gesundheitsamt sowie der kassenärztlichen Vereinigung, erklärte der Bürgermeister am Dienstag. Bürger aus Brück oder Niemegk könnten für Tests dann auch nach Treuenbrietzen fahren und umgekehrt, so die Idee zur Entlastung der Arztpraxen. „Die meisten Mediziner sind offen für diese Idee“, sagt der Treuenbrietzener Rathauschef. Pro Woche werden insgesamt allein in Treuenbrietzener Praxen zwischen 150 und 200 Coronatest vorgenommen. Und der Bedarf steigt weiter. 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