Was Potsdam-Mittelmark mit 140 Millionen Euro Rücklage anfängt

Zumindest die erste Pandemiephase 2020 hat Potsdam-Mittelmark glimpflich überstanden. 140 Millionen Euro – so viel Geld hat sich über die Jahre auf der hohen Kante des Landkreises angesammelt. Vor zehn Jahren waren es 100 Millionen Euro weniger. Vielen Kommunen stößt die rasante Entwicklung der Rücklage sauer auf. Kein Wunder, über eine Umlage sollen die mittelmärkischen Städte und Gemeinden der Kreisverwaltung in diesem Jahr 133 Millionen Euro von ihren Einnahmen überweisen. So viel, wie noch nie. Eigene Steuern erhebt der Kreis nicht. Andere Einnahmen sind staatliche Zuweisungen und Erträge aus Gebühren in einer Gesamthöhe von rund 384 Millionen Euro. Das Verfahren für die Kreisumlage ist gesetzlich vorgeschrieben. Doch um die konkrete Höhe wird gestritten, seit es die Kreisumlage gibt. So hat Beetzsee-Amtsdirektor Guido Müller für die fünf amtsangehörigen Kommunen Havelsee, Beetzsee, Beetzseeheide, Päwesin und Roskow Widerspruch gegen den Haushaltsentwurf 2021 eingelegt. „Wir denken, dass der Landkreis mit dem selben Geld wie 2020 auskommen sollte. Dafür würde ich den Gemeinden sogar den Klageweg empfehlen“, sagte Müller der MAZ. Erste gerichtliche Auseinandersetzungen stehen bereits an. Gerade sind die Klagen von Bad Belzig und Wiesenburg gegen die Höhe der Kreisumlage 2020 im Landratsamt eingegangen. Damals mussten die Kommunen 41,5 Prozent ihrer Einnahmen an den Landkreis abführen. Bei diesem Prozentsatz soll es auch 2021 bleiben. Ein Zugeständnis der Verwaltungsspitze um Landrat Wolfgang Blasig (SPD) an die Bürgermeister und Amtsdirektoren. Denn ursprünglich sollte die Kreisumlage wieder auf 43 Prozent springen. Wegen gestiegener Steuereinnahmen müssen die Städte und Gemeinden dennoch mehr Geld an den Landkreis abführen – rund zwölf Millionen Euro. Trotz einer satten Rücklage. Genau dagegen regt sich Widerstand. Fast alles verplant: Doch was steckt wirklich hinter dem gigantisch anmutenden Überschuss von 140 Millionen Euro? Häuft Potsdam-Mittelmark auf Kosten der Städte und Gemeinden einen Berg voller Geld an? „Drei Viertel dieser Summe ist durch Beschlüsse, Investitionsvorhaben und Restmittel aus dem vergangenen Jahr verplant. Dazu kommt ein Risikopuffer, den jede kluge Verwaltung vorhält“, argumentiert André Köppen, Kämmerer der Kreisverwaltung. Allein der Bau einer neuen Gesamtschule in kreislicher Trägerschaft in Teltow würde mit rund 40 Millionen Euro zu Buche schlagen. „Dort geht es in diesem Jahr mit den Rechnungen der Firmen richtig los“, so der Fachbereichsleiter Innere Steuerung und Zentraler Service. Nächste Großbaustelle ist eine Erweiterung des Michendorfer Wolkenberg-Gymnasiums. Dazu kommen acht Neubauten für Rettungswachen, wie zum Beispiel in Dahlen, Niemegk und in Bollmannsruh. Kosten: knapp zehn Millionen Euro. Über sechs Millionen Euro nimmt der Kreis in die Hand, um die TGZ-Immobilie in der Brücker Landstraße in Bad Belzig zu sanieren. Der Kreisstraßenbetrieb bekommt für 5,8 Millionen Euro einen neuen Stützpunkt. Es gibt diverse Straßenbauprojekte. Was aus dem Investitionsprogramm tatsächlich in diesem Jahr realisiert wird, steht auf einem anderen Blatt. Doch geht der mittelmärkische Kämmerer fest davon aus, dass die Rücklagen des Landkreises bis zum Ende des Jahres deutlich schmelzen werden. Es bleibt beim Kreishaus: Die Aufnahme von Krediten, die aktuell zinsgünstig zu haben sind, kommt für Köppen nicht in Frage: „Wer Verantwortung trägt, muss an die kommende Generation denken. Auch billige Darlehen müssen zurückgezahlt werden. Am Ende wäre die Tilgung ein Bumerang, der wieder die Kreisumlage treffen würde.“ Für den einflussreichsten Mann der Verwaltung neben dem Landrat ist es keine Option ein anderes Mega-Vorhaben auf Eis zu legen. Nämlich die Vorbereitungen für den Bau eines zentralen Kreishauses in Beelitz-Heilstätten neben dem Feuerwehrtechnischen Zentrum (FTZ). Derzeit läuft die Ausschreibung für das Projektmanagement. „Corona hat uns gezeigt, wie wichtig moderne und flexible Arbeitsplätze unter einem Dach sind. Mit vier kreisweiten Standorten hat es zum Beispiel ein Gesundheitsamt in einer Pandemie schwer. Es bleibt bei der Zusage, dass anschließend Büros am Standort Bad Belzig saniert werden“, so Köppen. Der Kämmerer bedauert den scharfen Ton, der inzwischen in die Debatte um die Kreisumlage eingezogen ist. „Unseren Kommunen geht es gut. Sie haben zusammen mehr Rücklagen als der Landkreis. Wir stehen für eine ordentliche Zusammenarbeit. Die Verwaltung bleibt auch mit den Fraktionen des Kreistages im Gespräch“, sagte Köppen der MAZ. Am 4. März soll der Haushalt vom Kreistag beschlossen werden. Der Etat sieht im Ergebnishaushalt Aufwendungen in Höhe von über 520 Millionen Euro vor – so viel wie noch nie. Das berechnete Defizit von 8,5 Millionen Euro ist dabei sehr überschaubar. „Ich denke, dass ist eine Summe, die man im Laufe des Jahres ausgleichen kann. Doch wer die Absenkung der Kreisumlage fordert, riskiert Einschnitte bei den freiwilligen Aufgaben“, gibt der Fachbereichsleiter zu bedenken. Immerhin leistet sich Potsdam-Mittelmark ein Kreisentwicklungsbudget. Damit werden 1,5 Millionen Euro von wohlhabenden Kommunen auf finanzschwache Gemeinden umverteilt. Die Fraktionen von SPD sowie Linke/Piraten haben für 2021 eine Verdopplung der Summe beantragt. Freiwillig unterstützt der Landkreis die Kultur und Kunst in der Fläche auch in diesem Corona-Jahr mit 500 000 Euro. Im Fördertopf der kreislichen Denkmalpflege sind 300 000 Euro für Projekte in den Kommunen eingeplant. Rund eine Million Euro beträgt das Förderprogramm für Familienzentren. Brief an Kreistagsabgeordnete: In einem aktuellen Brief an die Mitglieder des Kreistages verteidigt Kämmerer Köppen den Haushaltsentwurf 2021. Weitere freiwillige Leistungen an die Kommunen wären nur durch eine Erhöhung der Kreisumlage zu refinanzieren. Der aktuelle Satz von 41,5 Prozent sei angemessen und übersteige die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommunen im Durchschnitt nicht. Eine ausreichende Rücklage sei auch wegen der Pandemielage wichtig für eine solide Haushaltsführung, heißt es in dem Schreiben an die Kreistagsabgeordneten weiter. Von Frank Bürstenbinder