3-Jährige Werderanerin Ella Jarka leidet an Haarausfall-Krankheit: So gehen sie und ihre Mutter Anna damit um

Es ist ein gnadenlos warmer Tag als Anna Jarka (32) mit ihrer 3-jährigen Tochter Maria* auf den Spielplatz geht. Doch sie haben Glück, ihr Spielplatz, nur wenige Gehminuten von ihrem Haus in Werder entfernt, ist ein Waldspielplatz. Die Büsche und Bäume lassen kaum einen Sonnenstrahl durch. Es ist angenehm kühl. Kein anderer Mensch ist da. Die kleine Maria läuft barfuß über den sandigen, mit Blättern bedeckten Boden. Unbeschwert rutscht sie rückwärts auf dem Bauch die große Rutsche runter, lässt sich von ihrer Mama auf der Schaukel anschupsen. Während ihre Mutter erzählt. „Situationen, in denen Kinder über Maria reden oder sie direkt ansprechen, sind weniger für sie Lektionen als für mich“, sagt Anna Jarka. Maria hat kaum Haare. Als sie geboren wurde, hatte sie einen dunklen, vollen Schopf. Doch als die Haare innerhalb der ersten zwei Jahre ausfielen und nicht mehr nachwuchsen, empfahl die Kinderärzten, das Problem in der Berliner Charité untersuchen zu lassen. „Und da stecken wir noch immer mitten drin“, sagt Anna Jarka. Die Tests begannen Anfang des Jahres. Maria wurde Blut abgenommen, es wurden Haarproben von den wenigen Haaren abgeschnitten, die sie hat und die normal wachsen, einzelne Haarwurzeln wurden entnommen. Die Tests waren gerade abgeschlossen, da brach die Corona-Pandemie in Deutschland aus. Derzeit erfolgt die Auswertung der Tests. Anna Jarka: „Krankheit ist nicht gut erforscht“: „Das Problem ist, dass die Wurzeln nicht richtig untersucht werden können, weil es für die Tests zu wenige sind“, erzählt Marias Mutter, „eigentlich müssten 40 Haarwurzeln auf einmal entnommen werden, aber das ist mit großen Schmerzen verbunden und Kinder verlieren da manchmal das Bewusstsein, erzählte die Ärztin, deswegen haben wir darauf verzichtet.“ Anna Jarka weiß schon jetzt: Die Diagnose geht in Richtung Autoimmunkrankheit Alopecia areata. Eine Krankheit, die die Haarfollikel angreift und dadurch verhindert, dass die Haare wachsen. „Und wachsen sie doch, fallen sie bald wieder aus“, sagt Anna Jarka, „die Krankheit ist seit einigen Jahren bekannt, aber nicht so gut erforscht, weil es sich, in Anführungsstrichen, nur um ein kosmetisches Problem handelt.“ Andere Beschwerden hat Maria nämlich nicht. Mutter möchte Umgang mit Reaktionen lernen: Maria interessiert das alles noch nicht. Sie ist, abgesehen von den fehlenden Haaren, ein ganz normales 3-jähriges Mädchen. Spielt an diesem warmen Vormittag ausgelassen auf dem Waldspielplatz, ruft von der Rutsche aus nach der Aufmerksamkeit ihrer Mutter. „Vor ein paar Wochen schaukelte Maria hier und nur wenige Meter entfernt, in Hörweite, saßen zwei Kinder“, erzählt Anna Jarka und zeigt auf die Schaukel, „eines der Kinder sagte: Hast du gesehen, wer da schaukelt? Diese Formulierung und der Tonfall, das klang für mich total abwertend. Maria schien es nicht mitbekommen zu haben, sie schaukelte unbeschwert weiter, aber bei mir taten sich zahllose Fragezeichen auf.“ Was bedeutete das jetzt? Wie meinen sie das? Meinen sie es wirklich so böse, wie es klang? Wie soll ich reagieren? Soll ich überhaupt reagieren? Für Anna Jarka, war es eine der Situationen, wie sie wahrscheinlich noch öfter auf sie zukommen werden, vermutet sie. Ihre Tochter erregt aufgrund ihres Aussehens die Aufmerksamkeit anderer Kinder „und ich muss lernen, mit den Reaktionen auf sie umzugehen und damit ist auch gemeint, dass ich die Reaktionen der anderen Kinder nicht allesamt sofort als negativ bewerte und auch darauf achten muss, nicht übersensinsible zu sein.“ Insbesondere, weil Maria bisher sehr gut mit solchen Situationen zurechtkomme. „Ich befürchte, dass Maria diese Unbeschwertheit verliert, wenn sich meine Unsicherheit auf sie überträgt.“ Ihre Mutter wisse, „dass kleine Kinder ihre Äußerungen nicht böse meinen. Ältere Kinder können dagegen aber bewusst sehr verletzend sein. Und ich habe Angst, dass sie aufgrund ihres Äußeren ernsthaft gemobbt wird, keine Freunde findet und sich schließlich zurückzieht.“ Maria: „Weil ich nicht mehr brauche“: Mit ihrer Tochter ist sie ganz offen, sagt ihr, dass ihre Haare nicht wiederkommen und dass sie schön ist, so wie sie ist. „Maria“, sagt sie, während die 3-Jährige zur Seilbahn läuft, „was sagst du, wenn dich jemand fragt, warum du kaum Haare hast?“ „Dass ich nicht mehr brauche“, antwortet das Mädchen, grinst und spielt weiter. „Ich stehe in einem wirklichen Konflikt“, sagt ihre Mutter. „Ich will nicht, dass ich Marias Krankheit überdramatisiere. Auf der anderen Seite, weiß ich, dass schwere Situationen kommen werden, die sie zeichnen können und davor will ich sie schützen.“ Anna Jarka möchte ihre Umgebung sensibilisieren. Etwa, dass Marias Erkrankung nicht ansteckend ist und die anderen Kinder ganz normal mit ihr spielen können. „Die Mutter eines anderen betroffenen Kindes hat mir erzählt, dass sie sich zu Beginn der Schulzeit vor die Klasse gestellt und kurz erklärt hat, wieso ihr Kind keine Haare hat. Das hilft, um Barrieren abzubauen. Das kann ich mir auch gut vorstellen, zu tun.“ Jetzt in der Kita gebe es aber keine Probleme. Sie habe zwar ihre Zeit gebraucht, sich mit anderen Kindern anzufreunden, aber Maria gehe es gut in der Kita. Die anderen Kinder mögen sie, so wie sie ist: Aufgeweckt und unbeschwert. *Name von der Redaktion geändert. Von Annika Jensen