Es tuckerte und knatterte, puffte und zischte: Hunderte Old- und Youngtimer – Wagen, Nutzfahrzeuge und Motorräder aus allen Teilen Brandenburgs, anderen Bundesländern und sogar aus dem Ausland sind am Wochenende die gepflasterten Straßen in Werder (Havel) entlang zur Schau gefahren und entlang des Havelufers präsentiert worden. Tausende Menschen ließen sich auf den „Werder-Classics“ von der Geräuschkulisse begeistern – sie erfuhren etwas über Erinnerungen, vor allem aber über Leidenschaft.
Ingo Hirsch hat seinen Mercedes 250 CE Automatik Baujahr 1971 vor 31 Jahren an einer Tankstelle gekauft. „Freundin, Mutter – alle haben gesagt, ich sei durchgedreht“, sagt der Berliner. Doch das einst ungeliebte Schätzchen wurde zu seinem Wegbegleiter und wann immer er Zeit und Geld hatte, restaurierte er den weißen Benz.
„Wenn du diese absolut brennende Leidenschaft nicht hast, dann kannste das lassen“, sagte Hirsch. Dazu gehöre Wertschätzung. Sein Auto lässt er nie allein. Muss er arbeiten, steht es ausreichend geschützt.
Kadett, Mustang, Ente oder auch Wartburg und Trabi: So unterschiedlich sie auch sind, so sehr sind sie sich ähnlich. Nicht nur, dass die Fahrzeuge allesamt aus dem vergangenen Jahrhundert stammen, sie werden alle gleichermaßen von ihren Eigentümern aufgebaut, auf Hochglanz poliert und präsentiert.
Wenn Klaus-Peter Zimmermann aus Falkensee am Havelufer den Zündschlüssel seines 1951 gebauten Rennwagen drehte und selbst „Die Herren von der Tankstelle“ mit ihren Comedian-Harmonists-Songs nicht gegen den vollen Sound ansingen konnten, bildete sich eine Traube um den kleinen 4-Zylinder-Flitzer. „Der hat Ausstrahlung! Zu DDR-Zeiten bin ich damit noch auf der Straße gefahren“, sagte der 67-Jährige. Inzwischen fehlt es an der Straßenzulassung. Also lädt der Werkzeugmacher den in Thüringen gefertigten Sportwagen auf einen Anhänger, fuhr damit die letzten 30 Jahre zu allen ihm wichtigen Oldtimertreffen. Schon bald soll damit allerdings Schluss sein. Zimmermann sucht einen neuen Oldtimer-Fan für seinen Wagen. „Inzwischen habe ich alles gesehen und als Rentner sind die Strapazen zu groß“, sagte er.
Das „Werder-Classics“ zog das dritte Mal in Folge ein großes Publikum an. Anders als in den vergangenen Jahren, übernahm nicht nur Initiator Harald Klostermann die Organisation, sondern der Verein MC-Blütenstadt Werder (Havel) schaffte mit seinen 32 Mitgliedern die Rahmenbedingungen. Zwischen 17 000 und 23 000 Euro kostet das Festival – ohne Sponsoren oder die Gegenfinanzierung durch Stände nicht stemmbar. Schon jetzt wird wieder für das nächste Jahr gesammelt, denn das Oldtimer-Treffen soll Tradition werden. Nicht nur, dass sich die Oldtimerfreunde untereinander austauschen, es geht auch ums „Sehen und gesehen werden“ und „ums Flanieren“, sagt Vereinschef Paul-Edwin Wodak. Schließlich wäre es schade, die historisch wertvollen Zeitzeugen nur in einer Garage einzuquartieren.
Der in Werder aufgewachsene Wodak ist selbst gelernter KfZ-Mechaniker, studiert mittlerweile Restaurierung für technisches Kulturgut und wohnt im Nachbarort Geltow. Mit 15 hatte er ein eigenes Moped, ein Jahr später bastelte er am ersten Motorrad. Inzwischen fährt er selbst Oldtimer. „Die Qualität der Fahrzeuge war früher viel höher. Sie wurden für die Ewigkeit gebaut“, sagt der 30-Jährige. Auf die Idee, einen Neuwagen zu kaufen, kommt er nicht. „Die sind oft Wegwerfartikel, haben ständig Macken.“
Wer so einen Oldtimer fährt, braucht allerdings auch mechanisches und technisches Know-How – oder aber ein gut gefülltes Konto und eine Werkstatt, die sich mit alten Fahrzeugen auskennt. Dann pufft und zischt es weiterhin.
Oldtimerclub existiert seit über 30 Jahren
Der MC-Blütenstadt wurde 1987 in Werder (Havel) gegründet.
Die 32 Mitglieder unterschiedlichsten Alters, davon eine Frau, möchten technisches Kulturgut erhalten und Fahrzeuge aufarbeiten – vom Dreirad, Fahrrad, Dampfschiff bis hin zu Nutzfahrzeugen und Autos.
Einmal im Monat gibt es einen „Schrauberstammtisch“.
Der Club trug bis 2012 das Zweirad- und Technik Museum in Werder (Havel). Erlebbar macht man die Technik nun auf dem Oldtimertreffen.
Von Christin Iffert