Breitband? Fehlanzeige: Schmerwitz hadert mit Steinzeit-Internet

Das Tal der Ahnungslosen soll sich nicht länger im Schatten des Hagelbergs befinden. Die Agiliscom, ehemals Complus-Net, muss und will wohl auch ihr Breitbandangebot endlich erweitern. Das Unternehmen erfüllt nämlich reell nicht den üblichen Standard, beklagt seit langem Kevin Gilke. In seiner Freizeit ist er eigentlich leidenschaftlicher Gamer. Doch immer häufiger kann der Schmerwitzer gar nicht an den Spielen teilnehmen. Der örtliche Anschluss auf die Datenautobahn ist meistens blockiert, lautet seine Analyse. Vertraglich zugesichert sind ihm 25 Mbit/Sekunde. „Meist liegen kaum 8 Mbit/Sekunde an“, berichtet der 33-Jährige und verweist auf die Messprotokolle. Einmal ist ihm schon ein Nachlass von zehn Euro auf die Monatsrechnung von 47,90 Euro eingeräumt worden. Kein Anschluss bei Nebel: Doch darum geht es dem Familienvater gar nicht. Bei schlechtem Wetter, insbesondere bei Nebel, gibt es aus seiner Wohnung keine Verbindung in die virtuelle weite Welt. Denn das Signal von der Antenne auf der Esse des alten Heizhauses der ehemaligen Kampfgruppenschule kommt dann nicht an. Mit der vor elf Jahren eingeführten, aber nicht mehr zeitgemäßen Funktechnologie wollen sich Kevin Gilke und weitere Mitstreiter daher nicht zufrieden geben. Sie machen mobil und sammeln Unterschriften, damit das 245-Einwohner-Dorf bald eine digitale Infrastruktur für die Zukunft erhält. Am liebsten einen Glasfaseranschluss. Leistungszusage beim Beauftragten: Der private Anbieter Agiliscom aber hat dem Digitalbeauftragten des Kreises Potsdam-Mittelmark Karsten Gericke zugesichert, dass er ein Breitband von 50 Mbit/s für Schmerwitz zur Verfügung stellen kann. „Wenn es nicht so traurig wäre, könnte ich darüber lachen“, sagt Kevin Gilke, der selbst als Informatiker im Landratsamt Bad Belzig beschäftigt ist. Jedenfalls werden jetzt mit der Bundesförderung von 50 Millionen Euro nur jene Versorgungslücken zwischen Havel und Fläming geschlossen, wo 30 MBit/s und weniger gemeldet sind. Die gerade einsetzende Erkenntnis, dass sie wider ihre schlechten Erfahrungen dennoch nicht in den Genuss der Förderung kommen, treibt die Bürger in Schmerwitz gerade auf die Palme. Unterstützung aus der Politik: Unterstützung erhalten sie bei ihren Aktivitäten sowohl vom dreiköpfigen Ortsbeirat als auch von Marco Beckendorf (Linke), Bürgermeister der Gemeinde Wiesenburg/Mark. Jene will gerade gemeinsam mit Bad Belzig im Smart-City-Programm den digitalen Wandel auf dem Lande vollziehen. Womöglich zeigen die Aktivitäten jetzt erste Wirkung. Demnach soll in Kürze die nicht nur theoretisch existierende Versorgung von 50 MBit/s freigeschaltet werden. Das hat Agiliscom-Vorstand Holger Matho auf MAZ-Nachfrage angekündigt. Das zur RFT-Gruppe gehörende Unternehmen aus Brandenburg/Havel erklärt ferner: „Wir haben seit 2010 immer aktiv versucht, unsere Anschlüsse zu vermarkten. Mit dem Angebot wurden dabei aber sprichwörtlich vom Hof gejagt.“ Dem entsprechend sei die Infrastruktur zurückgefahren worden. Dienstleister kommt noch nicht in Gang: Der jetzt sprunghaft angestiegenen Nachfrage komme der Dienstleister gern nach, könne aber leider nicht sofort alle notwendigen Baumaßnahmen in diesem Zusammenhang realisieren. „Ämter, Zulassungsbehörden und Unternehmen arbeiten unter den aktuellen Pandemie-Bedingungen nicht wie gewohnt, uns fehlen dadurch notwendige Vorarbeiten“, so Holger Matho. In Schmerwitz wird den Aussagen mit Skepsis begegnet. 133 Unterschriften sollen das Interesse eines alternativen Anbieters wecken. Neben fast allen Haushalten reihen sich auch Gut, Hotel und Scarabäus-Suchthilfe ein und fordern Verbesserung. „Heutzutage sollten wir es uns nicht gefallen lassen, dass sich ein Unternehmen auf seiner Monopolstellung ausruht, viel Geld kassiert, aber im Wortsinne nicht liefert“, sagt Kevin Gilke. Von René Gaffron