Wohnen Potsdam Mittelmark: Zu wenige barrierefreie Seniorenwohnungen in Teltow Kleinmachnow Beelitz

Damit Wohnungen für Senioren geeignet sind, werden meist teure Umbaumaßnahmen nötig. Entsprechend selten sind sie bisher, wie beim Ehepaar Wieske: „1995 waren meine Eltern noch froh, die zwei Zimmer im Flussviertel bekommen zu haben, die damals noch als altersgerecht galten“, erzählt Renate Wolter aus Teltow, „nachdem mein Vater schon lange verstorben war, musste ich meine Mutter die letzten fünf Jahre dort pflegen und da erkannte ich die Probleme.“ Zwar sei die Parterrewohnung gut nach außen zugängig gewesen, doch für Rollstühle ungeeignet. „Auch die DDR-Badewanne war zu hoch und ein Badewannenlift nicht einbaubar“, erklärt die 65-Jährige. Ihre heute 92 Jahre alte Mutter kam nach einem Krankenhausaufenthalt 2020 schließlich ins Seniorenzentrum Bethesda nach Teltow. Es ist ein Beispiel dafür, wie abhängig Senioren und ihre Angehörigen von geeignetem Wohnraum in der eigenen Umgebung sind. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) Brandenburg fordert darum mehr Wohnraum für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. „Zumindest im Brandenburgischen Norden altert kein Landkreis so schnell wie Potsdam-Mittelmark“, sagt Bezirksvorsitzender Rudi Wiggert, „und trotzdem unternehmen Politik und Wirtschaft wenig, um barrierefreien und seniorengerechten Wohnraum zur Verfügung zu stellen.“ Wiggert beruft sich auf die Demografie-Prognose des CIMA-Instituts für Regionalwirtschaft aus Hannover. Danach könnte die Zahl der Menschen, die älter als 65 sind, bis zum Jahr 2035 auf 69.600 anwachsen. Ihr Anteil an der Bevölkerung läge dann bei 35 Prozent, während er 2017 noch bei 22 Prozent lag. „Das wäre ein Wachstum um fast 50 Prozent!“, warnt Wiggert, „die Babyboomer-Generation kommt langsam ins Rentenalter.“ Datenlage für den Landkreis unklar: Doch warum kommt der Ausbau nicht voran? Die Landkreisverwaltung geht von einer ähnlichen Entwicklung aus wie das CIMA-Institut. Demnach könnte der Anteil der Über-65-Jährigen schon 2030 bei rund 30 Prozent liegen (circa 65.000 Einwohner). 2020 machen die Senioren noch 23 Prozent der Bevölkerung aus (49.000). Weder kann die Verwaltung die aktuelle Anzahl der Senioren, noch der seniorengerechten Wohnungen im Landkreis nennen, da sie „für Wohnungsbau nicht zuständig” sei. Allerdings erklärt Pressesprecherin Andrea Metzler: „Es besteht durchaus Bedarf nach altersgerechten Wohnungen.” Es sei derzeit aber kein entsprechendes Bauprogramm geplant. Metzler verweist stattdessen auf die kommunalen und privaten Wohnungsbaugesellschaften. Mit der unklaren Datenlage, mit der auch die Privatwirtschaft kaum Investitionen planen kann, will sich Wiggert nicht zufriedengeben. Er hofft, dass die nächste Zensus-Studie eine neue Grundlage liefert. Der Stichtag der Studie fällt aufgrund der Coronakrise aber erst auf den 15. Mai 2022. Bedarf an Seniorenwohnungen steigt: Reagieren zumindest die Wohnungsbaugesellschaften auf die Situation? Notwendig wäre es, denn die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bezifferte 2020 die Versorgungslücke an altersgerechten Wohnungen bundesweit auf 2,4 Millionen. Besonders in Städten wie Teltow und Beelitz sei darum dringend Ausbau geboten. Dass der Bedarf ständig steigt, bestätigt Ingrid Witzsche, die vor 29 Jahren den heutigen Teltower Geschäftsbereich Süd der Akademie 2. Lebenshälfte mit aufgebaut hat und bis heute leitet. Die Akademie organisiert ziviles Engagement von Senioren und bildet sie in Seminaren weiter. Auf diese Weise erfährt Witzsche viel von den Bedürfnissen Älterer: „Ihr größtes Problem ist nach wie vor die Bezahlbarkeit von geeignetem Wohnraum.“ Zwar sei die Sanierung oder der Um- und Neubau teuer, doch hätten in den vergangenen Jahren einige Unternehmen die Herausforderung angenommen. Lesen Sie auch: Bauen wird immer teurer in Potsdam-Mittelmark Boom und kein Ende: Wo Bauwillige in Potsdam-Mittelmark fündig werden Als eines der wenigen positiven Beispiele nennt sie den Neubau von 55 barrierearmen Wohnungen in der Teltower Albert-Wiebach-Straße. Dafür erhielt die Teltower Wohnungsbaugenossenschaft (TWG) im vergangenen Oktober vom Verband der Wohnungsunternehmen und Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) das Qualitätssiegel „Gewohnt gut – fit für die Zukunft“. Teltow – großer Ausbau unwirtschaftlich: Die bereits erwähnte CIMA-Studie sagt der Stadt Teltow mit einem Plus von 35 Prozent bis 2035 ein starkes Wachstum des Anteils der Über-65-Jährigen voraus. Zum Vergleich: Die TWG, die mit der Wohnungsbaugesellschaft Teltow (WGT) zu den größten Wohnungsanbietern der Region zählt, hat insgesamt 2154 Wohnungen, von denen 169 (rund 8 Prozent) mit einem Aufzug barrierefrei erreichbar sind. „Nach der Wende bewältigte die TWG umfangreiche Modernisierungen, die wichtiger waren als Aufzüge: neue Elektroleitungen, dichte Fenster, moderne Bäder, Fernwärme“, erklärt Angelika Eckhardt vom TWG-Vorstand, „das kostete viel Geld und ist über Kredite finanziert, die über 30 und mehr Jahre laufen, zum Teil bis heute.“ In Folge der demografischen Entwicklung sei erst Anfang der 2000er der Wunsch der Mitglieder aufgekommen, „in Wohnungen zu moderaten Mieten auch länger zu verweilen“. Lesen Sie auch: Potsdam-Mittelmark räumt Probleme bei den Corona-Zahlen ein Gesamte Flotte von Regiobus rollt nun barrierefrei Doch die TWG investiert: 2022 und 2023 sollen weitere 80 Bestandswohnungen barrierefrei umgebaut werden, 14 seniorengerechte Neubauwohnungen kommen hinzu. „Da unsere Mitglieder für den Umbau zwei bis vier Wochen ihre Wohnung verlassen müssen, kam es wegen Corona zu einer Verzögerung von einem Jahr”, so Eckhardt weiter. Ende 2023 will die TWG über 263 barrierefrei erreichbare Wohnungen (zwölf Prozent des Bestandes) verfügen. „Einen kleinen Anteil möchten wir weiter schaffen, aber eine Umrüstung aller Häuser geht auf keinen Fall. Das wäre nicht nur unwirtschaftlich, sondern auch bei unserer Etagenanzahl unnötig“, sagt Eckhardt. Die WGT ist weiter: Von ihren 1564 Wohnungen sind bereits rund 13 Prozent (205) barrierefrei und sechs Prozent (97) seniorengerecht. Sie will mit Aufzuganbau in diesem Jahr 16 weitere Wohnungen zumindest barrierearm gestalten. Beelitz – Altersgerecht erst bei neuen Bauprojekten: Auch in Beelitz gibt es Nachholbedarf bei Senioren-Wohnungen. Die Beelitzer Bau- und Wohnungsgesellschaft (BeBaWu) hat rund 500 eigene und 400 fremdverwaltete Wohnungen, von denen fünf bis zehn Prozent barrierefrei sind. Das begründet Markus Opderbeck mit der Architektur: „Zu unserem Bestand gehören viele zwei- bis dreistöckige Reihenhäuser, bei denen der Anbau eines Fahrstuhls keinen Sinn ergibt. In unseren drei- bis vierstöckigen Plattenbauten ist wiederum der Flur oft nicht barrierefrei.” Er macht Hoffnung, dass bei den neuen großen Bauprojekten vor Ort, „Neue Stadtmitte“ und Beelitz-Heilstätten, Hunderte barrierefreie Wohnungen entstehen könnten. Inwieweit die BeBaWu allerdings an ihnen beteiligt sein wird, bleibt abzuwarten. Von Conrad Wilitzki