Am Sonnabend ist der Evangelische Kirchentag in Potsdam nach drei Tagen mit prallvollem Veranstaltungskalender zu Ende gegangen. Überall in der Stadt waren Besucher mit den orangefarbenen Schals des Festes zu sehen. Einziger Wermutstropfen: Trotz des Kirchentagsmottos – „Du siehst mich“ – war die Landeshauptstadt bei den Organisatoren in Fulda anscheinend aus dem Blickfeld geraten. „Potsdam wird nicht mal als Veranstaltungsort erwähnt“, beklagte sich eine Dame, die sich damit auf die Beschriftung der Schals bezog. „Kirchentag auf dem Weg“, stand dort zu lesen, darunter aufgelistet alle „Kirchentagsfilialen“: Dessau-Roßlau, Erfurt, Halle/Eisleben, Jena, Weimar, Leipzig, Magdeburg. Dass die märkische Metropole bei dieser Aufzählung einfach außen vor geblieben war, sorgte für mehr als nur Kopfschütteln: „Wir waren entsetzt“, empörte sich die Dame.
Dabei hatten in Potsdam nicht nur Tausende Festbesucher Quartier gefunden. Viele waren auch eigens in die Stadt gepilgert, um die Veranstaltungen in zahlreichen Kirchen und im Landtag zu besuchen. „Ich bin noch nie innerhalb von so kurzer Zeit so vielen Menschen aus allen Ecken Deutschlands begegnet“, zog Martin Vogel, Länderbeauftragter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, seine Bilanz der Diskussionen, Konzerte und Bibelarbeiten. Und: „Potsdam war sehr international.“ Chöre aus Indonesien, Südafrika hatten sich auf die Reise zum religiösen Großtreffen gemacht. Auch Teilnehmer aus nicht-christlichen Ländern waren eingeladen. So saßen Gäste aus dem Tschad, dem südpazifischen Königreich Tonga und eine Klimaexpertin der ägyptischen Regierung auf den Podien.
Während es in St. Nikolai in erster Linie um Klimafragen ging, drehte sich im Landtag alles um das Thema der deutsch-polnischen Nachbarschaft. Schon ein Jahr vor dem Ereignis hatten sich die Initiatoren des Programms den Kopf zerbrochen: „Wir haben uns im Vorfeld überlegt, welche Themen zum Kirchentag passen und mit Brandenburg zu tun haben“, so Vogel.
Für die morgendlichen Bibelarbeiten in St. Nikolai konnten bekannte Persönlichkeiten gewonnen werden. Für Freitag hatte Klimaforscher Ottmar Edenhofer zugesagt, der dann auch an einer Podiumsrunde zu den Folgen des Klimawandels teilnahm. „Da war kein Platz mehr in der Kirche, das hat viele Leute interessiert“, berichtete Nikolai-Pfarrer Matthias Mieke.
Am Sonnabend gestaltete Kulturministerin Martina Münch (SPD) die Bibelarbeit zu einem Text aus dem Lukas-Evangelium, in dem die Begegnung des jüdischen Zollpächters Zachäus aus Jericho mit Jesus von Nazareth geschildert wird.
Am Nachmittag wurde in der Abschlussrunde über den Strukturwandel in der Lausitz diskutiert. Interessanterweise lockte das nicht nur märkische Patrioten an. Kerstin Schmidt, eine Wirtschaftsprüferin aus Bonn, hatte eigens das Berliner Kirchentagsprogramm dafür sausen lassen. „Das Problem der Umsiedlung von Ortschaften gibt es ja auch im Westen“, begründete sie ihr Interesse.
Den Abschlussgottesdienst des Kirchentags am Sonntag in Wittenberg bewertete die Bonnerin aus Umweltgründen kritisch: „Alle die Busse und Autos fahren für diesen einen Tag nach Wittenberg – das ist sowas von unökologisch.“ Zum Glück spielte ja auch in Potsdam die Musik. Stimmungsvoll verabschiedet wurden die Festgäste von einem Chor der Heilsarmee auf dem Alten Markt.
Von Ildiko Röd