Brandenburgisches Gesundheitsministerium will auch an spezialisierten Fachkrankenhäusern wie Oberlinklinik und EZA in Potsdam Covid-Betten

Anspannung in den Potsdamer Krankenhäusern: Dort ist die Frage nicht ob, sondern wann die dritte Corona-Welle anbrandet und die Betten füllt. Nachdem das Brandenburgische Gesundheitsministerium zu Wochenbeginn alle Krankenhäuser im Land verpflichtet hatte, Covid-19-Patienten aufzunehmen und dafür ab sofort Kapazitäten vorzuhalten, wappnen sich auch die Kliniken in der Landeshauptstadt für die dritte Welle. Weder die klinischen noch personellen Möglichkeiten: Die Sorgen sind dabei groß und nicht nur auf die Bevölkerung gerichtet, die angesichts der dominanten britischen Mutation inzwischen einem weitaus aggressiverem Virus ausgesetzt ist – es wächst auch die Sorge um die Häuser selbst. Das ist vor allem bei den kleineren und spezialisierten Kliniken der Fall, denn die Forderung des Ministeriums setzt sie sowohl fachlich als auch finanziell unter Druck. Der Grund: Fachkrankenhäuser wie die auf orthopädische Eingriffe fokussierte Oberlinklinik und des Evangelische Zentrum für Altersmedizin (EZA) verfügen überhaupt nicht über die klinischen und personellen Möglichkeiten, Covid-19-Patienten adäquat zu betreuen. Darauf weist ein Sprecher des Verbunds Christlicher Kliniken Potsdam (CKP) hin. Zudem sei nicht geregelt, ob und wie die Fachkliniken wirtschaftlich abgesichert werden: Ausgleichszahlungen für nicht belegte Betten stehen derzeit nur Krankenhäusern mit Corona-Station zu. „Eine gegen das Grundgesetz verstoßende Ungleichbehandlung“: Das bedeutet: Halten die Oberlinklinik und das EZA wie vom Ministerium angeordnet Betten für Covid-Patienten frei, fehlen ihnen an dieser Stelle nicht nur die Einnahmen aus dem Kerngeschäft, sie erhalten auch keinen verbindlichen Ausgleich und gehen – anders als das städtische Bergmann-Klinikum und das St. Josefs-Krankenhaus – komplett leer aus. „Die Freihalteverpflichtung führt ergo anders als bei den bestimmten Häusern zu einem erheblichen Liquiditätsausfall und je nach Verlauf zu einem dauerhaften Vermögensschaden“, sagt Benjamin Stengl. „Hierin liegt gleichzeitig auch eine erhebliche, gegen das Grundgesetz verstoßende Ungleichbehandlung vor.“ Lesen Sie dazu auch: Bergmann-Klinikum fordert Rückkehr zum Lockdown „Sie dämmern weg“: Leben und Sterben auf der Covid-Station des Potsdamer Bergmann-Klinikums Potsdam plant elf neue Teststellen – ab 1. April wird auch im UCI getestet Da helfe es auch wenig, dass man im Verbund Christlicher Kliniken die Covid-Patienten im St. Josefs-Krankenhaus bündelt, um die Fachkliniken zu entlasten. Bereits jetzt seien die finanziellen Einschnitte drastisch: Seit Dezember – also allein in der zweiten Welle – verbuchen die CKP 4,5 Millionen Euro Einbußen. Stengl: „Die Freihalteverpflichtung und die dritte Welle gefährden kleine Häuser und Fachkliniken und könnten die gesamte Krankenhauslandschaft verändern.“ Auch rein medizinisch betrachtet, verfehle die Forderung des Ministeriums das Ziel – die CKP halten sie gar für patientengefährdend. Der Grund: In den Fachkliniken fehlt die notwendige Technik, die Kompetenz des Personals ist anders gelagert, die baulichen Strukturen passen nicht. So ist es teilweise nicht möglich, die Arbeitsbereiche für infektiöse und nicht infektiöse Patienten zu trennen. Keine der Fachkliniken verfüge über intensivmedizinische Kapazitäten, die für die Betreuung schwerer Verläufe aber unabdingbar sind. Man könne sich auch nicht darauf berufen, nur leichte Fälle aufzunehmen, denn aus einem leichten könne schnell ein schwerer Verlauf werden: „Für eine Verlegung in eine intensivmedizinische Einheit sind Fahrtzeiten von bis zu 40 Minuten anzusetzen“. Ministerium soll Stufenplan genehmigen: Die CKP sind mit ihren Bedenken nicht allein. Bereits Anfang der Woche haben sie ihren Unmut mit anderen Trägern von Fachkliniken dem Gesundheitsministerium deutlich gemacht und Ministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) darauf hingewiesen, dass die Behandlung aktiv an Covid-19 erkrankter Patienten nicht ihrem originären Versorgungsauftrag entspricht und darüber hinaus etliche Risiken birgt. Ein Hoffnungsschimmer: Im Versorgungscluster Corona West (VCC) – ein Netzwerk der Krankenhäuser in West-Brandenburg – hat man sich am Mittwoch darauf verständigt, dass Covid-Patienten zuerst in den Häusern behandelt werden, die Covid-Stationen haben und Ausgleichszahlungen erhalten. Erst wenn diese Kapazitäten erschöpft sind, wolle man die Fachkliniken einbinden. Der VCC hat den Stufenplan mit der Bitte um Genehmigung ans Ministerium gesendet. Die meisten Intensivpatienten im Klinikum sind jünger als 60: Das St. Josefs-Krankenhaus betreut derzeit zwei Patienten mit einer Covid-19-Infektion, einer von ihnen wird beatmet. Im Bergmann-Klinikum liegen 20 Covid-Patienten, 13 davon auf der Intensivstation. 19 dieser 20 Patienten sind an der B.1.1.7-Variante erkrankt, die meisten der Intensivpatienten sind jünger als 60 Jahre. „Wir müssen erkennen, dass die Infektiösität der B.1.1.7-Mutation stärker ist und mehr Jüngere betroffen sind, die auch intensivmedizinisch betreut werden müssen“, so Tillmann Schumacher, Oberarzt der Infektiologie. Er geht auch von einer längeren Liegedauer aus: „Umso wichtiger ist es, dass wir uns alle weiterhin strikt an die AHA-Regeln halten, Kontakte vermeiden, die Impfangebote wahrnehmen.“ Von Nadine Fabian