Corna Covid-19 Potsdam Kultur Kabarett Obelisk Hofsaison mit Hossa Hölle

Die letzte Vorstellung im Kabarett „Obelisk“ war am Freitag, dem 13. März. „Was für ein Omen“, sagt Andreas Zieger, einer der beiden künstlerischen Leiter. Sie gaben das Stück zum 30. Jubiläum der deutschen Einheit mit dem berühmten Helmut-Kohl-Zitat als Titel: „Wichtig ist was hinten rauskommt.“ Und es war „richtig voll“, sagt Helmut Fensch, der andere künstlerische Leiter: „Dann fiel der Vorhang.“ Vom Corona-Lockdown und dem damit verbundenen Verbot von Veranstaltungen vor Publikum hätten Sie aus den Medien erfahren, sagt Fensch: „Es gab kein Schreiben oder so etwas. Wir haben uns gewundert und gezögert und gefragt, was machen wir denn nun?“ Zunächst hätten sie mit der Vorbereitung eines neuen Programms begonnen – ein Männerabend gemeinsam mit Harald Effenberg. „Da waren wir im Prinzip fertig und haben darauf gewartet, dass wir spielen können. Aber das ging dann nicht.“ Dass die Zwangspause für die Künstler länger als drei Monate dauern würde, war damals überhaupt noch nicht abzusehen. Am 2. Juli eröffnen sie die Hofsaison gemeinsam mit Bella Liere mit einer Voraufführung der Eigenproduktion „Mit Hossa durch die Hölle, Hölle“ unter dem Motto „Wer den deutschen Schlager nicht ehrt, ist die GEZ-Gebühr nicht wert“. Die Idee für das satirische Musikprogramm habe „direkt mit Corona zu tun“, sagt Fensch: „Wir haben gedacht, wenn wir wieder anfangen, können wir keine großen Analysen betreiben. Wir können den Leuten bestenfalls ein bisschen Mut machen, weiter durch die Zeiten zu kommen.“ Zieger spricht von einer „gewissen Assonanz: mit Hossa durch die Hölle wider den Corona-Blues“. Mit dem Corona-Blues kennen sie sich aus. Seit März sind die fünf festen Mitarbeiter des Kabaretts, darunter auch die künstlerische Leitung, in Kurzarbeit. Das laufe noch bis Ende Juni, sagt Fensch. Die Arbeit in der Zwischenzeit sei weitgehend unentgeltlich: „Alles was wir hier machen, Texte und so weiter, wird nicht bezahlt.“ Bella Liere, die als Dritte im Bunde bei Hossa-Hölle mitwirken wird, ist freischaffend. Sie habe jetzt Förderung aus dem Honorarausfallfonds beantragt, den die Stadt vor wenigen Tagen aufgelegt hat. Ein Erlebnis der besonderen Art sei die neue Saalbestuhlung unter Beachtung der Abstandsregeln gewesen. 180 Zuschauer finden dort regulär Platz. Nun sind es gerade 60. „Wir haben unseren Saal umgestellt und es sah schrecklich aus“, sagt Fensch: „Wir konnten uns nicht vorstellen, dass wir da jemals so spielen werden.“ Im Sommer wird im Hof gespielt, ebenfalls mit 60 Gästen pro Vorstellung. Bei schlechtem Wetter soll aber doch in den Saal gewechselt werden. Die Plätze werden tischweise verkauft: „Wenn sich eine Gruppe von vier oder sechs Personen meldet, dann können sie natürlich zusammen sitzen.“ Fensch hofft, dass die Abstandsregeln im Herbst gelockert werden. Bei der aktuellen Bestuhlung müsste das Kabarett den Preis pro Ticket von bisher 18 auf 100 Euro anheben, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Pro Jahr habe die Bühne vor Corona im Durchschnitt 18.000 Zuschauer gehabt. „Das Ende“, sagt Zieger, „ist da, wenn das Telefon klingelt und am anderen Ende kein Gast, sondern der Insolvenzverwalter wartet.“ Hoffnung setzen sie auf das Hilfsprogramm „Neustart Kultur“ des Bundes mit 1 Milliarde Euro für Kultureinrichtungen, aus dem die abstandsbedingten Mindereinnahmen aus dem Kartenverkauf vielleicht ausgeglichen werden könnten. Die bisherigen Hilfen für Potsdams Satirebühne waren überschaubar. 9000 Euro gab es nach Angaben von Geeschäftsführerin Ilka Neugebauer als Soforthilfe von der Landesinvestitionsbank für Miete und Betriebskosten. Von der Stadt kamen kürzlich 10.000 Euro für die Monate März bis Mai. Von Bund und Land werde zudem eine Teilkompensation für die Einnahmeausfälle von bis zu 50 Prozent gewährt – unter Einrechnung aller anderen Corona-Hilfen. Unterm Strich sei das ein geringer fünfstelliger Betrag geworden – für ein halbes Jahr. Von der Stadt hatte das 1978 gegründete Kabarett letztmals 2005 eine Förderung über Mittel aus dem Hauptstadtvertrag gekommen. Seither profitierte es lediglich indirekt von einer im Vergleich zum Markt günstigeren Miete für die städtische Immobilie. Die Einnahmen aus der Hofsaison werden sich zunächst nicht nur wegen der reduzierten Platzkapazität in Grenzen halten. Denn jetzt kommen auch die Gäste, die dem Kabarett in der Krise die Treue gehalten haben – die ihre Tickets aus dem Vorverkauf behalten oder in Gutscheine umgetauscht haben. Das seien insgesamt rund zwei Drittel der zum Lockdown vorverkauften Karten gewesen. Lesen Sie auch: Kabarett „Obelisk“ feiert sein 40. Jubiläum Zum Tod der Potsdamer Kabarettistin Gretel Schulze Das Kabarett „Obelisk“ sortiert sich neu Etwa ein Drittel der Gäste habe damals das Geld zurück gefordert, sagt Ilka Neugebauer: „Wir haben im März viel zurück zahlen müssen – bestimmt einige tausend Euro.“ Wie lange das Kabarett ohne weitere Hilfen durchhielte, diese Frage könne sie nicht beantworten, sagt die Geschäftsführerin: „Allein aus den Einnahmen kommen wir maximal bis August oder September. Ab Oktober mit einem 60-Personen-Saal, das überleben wir nicht.“ Denn Oktober, November, Dezember und Januar seien die besten Monate des Kabaretts: „Damit finanzieren wir eigentlich den Sommer.“ Die Corona-Krise hat auch die Investitionspläne der Satirebühne durcheinandergebracht. Zwar ist der Saal im letzten Sommer 22 Jahre nach der Eröffnung der Spielstätte in der Charlottenstraße endlich mit einer funktionierenden Klimaanlage ausgestattet worden. Fast 250.000 Euro hat die Stadt dafür ausgegeben. Doch das i-Tüpfelchen ist wieder unsicher: Seit Jahren verhandelte der Verein mit der Stadt um eine Genehmigung für zwei drei Meter große Obelisken aus Metall und Glas, die rechts und links neben dem Eingang auf dem Bürgersteig an der Charlottenstraße für das Kabarett werben sollten. Mittlerweile, so Fensch, hätten sie die Baugenehmigung. Doch nun habe ihnen Corona einen Strich durch Zeitplan und Finanzierung gemacht. Info Voraufführung des Sommerprogramms auf der Hofbühne, Charlottenstraße 31, am 2. Juli, Premiere am 3. Juli. Karten und weitere Termine per Tel. 0331/29 10 69 oder online über www.kabarett-potsdam.de Von Volker Oelschläger