Corona-Regeln in Potsdam: Gastronomen fürchten Pleitewelle im Winter

Die Corona-bedingten Schließungen haben die Potsdamer Gastronomen – teils mit enormer Kreativität – überstanden. Doch jetzt, da Herbst und Winter vor der Tür stehen, droht eine Pleitewelle für Bars, Restaurants und Kneipen. SPD und Linke in der Stadtverordnetenversammlung wollen den Gastronomen nun einen größeren Spielraum geben. „Die Menschen werden reingehen.“: „Die Leute werden nicht bei minus fünf Grad draußen sitzen und ihr Wiener Schnitzel essen“, prophezeit Großgastronom René Dost, der eine ganze Reihe von Lokalen betreibt, darunter das traditionsreiche Café Heider am Nauener Tor. „Die Menschen werden reingehen.“ Drinnen gelten aber weiter strenge Abstands- und Hygienegebote: Die Gastronomie musste flächendeckend ihre Tische reduzieren, um zwischen den Gästegruppen eine Distanz von mindestens eineinhalb Metern zu schaffen, bei Wegen im Lokal herrscht Maskenpflicht, Bestellungen am Tresen sind untersagt, außerdem müssen Kontaktlisten aller Gäste geführt werden. Parkplätze zu Gastro-Terrassen: Besonders in der Innenstadt sind deshalb viele Gastgeber auf die Straße ausgewichen: Mit einer Sondergenehmigung konnten Parkplätze zu Terrassen umgewidmet werden – statt nur weniger Sitzplätzen im Innenraum hatten somit die Gastronomen mehr der begehrten Tische unter freiem Himmel. Lesen Sie auch: „Bisher mit Schrot geschossen, nun schießen wir gezielt“ – Beigeordnete bringt Wirtin gegen sich auf Gastronomen im Visier des Ordnungsamtes: Potsdam stellt neuen Corona-Krisenplan vor Potsdam hat gewählt: MAZ überreicht Preis für den „Kreativsten Krisenwirt“ Doch die Ausnahmegenehmigungen für die erweiterten Flächen laufen aus – und viele Gastgeber fürchten, dass die Gäste dann aus Angst vor dem Coronavirus zuhause bleiben und dass die reduzierten Plätze im Innenraum auch voll besetzt kaum wirtschaftlich sein können. „Wir wollen mit einer Verlängerung der auslaufenden Ausnahmegenehmigungen für die Außenflächen ein Konzept schaffen, mit dem die Potsdamer Gastronomie über den Herbst und Winter kommen kann“, erklärt Sarah Zalfen (SPD). Mitinitiiert wurde der Vorstoß von den Linken. „Die Gastronomen erwarten immense Einnahmenausfälle, gegen die wir ansteuern wollen“, erklärt deren Stadtverordneter Sascha Krämer. Zu wenige Sitzplätze wegen Corona-Abstand: „Wir brauchen unbedingt eine beheizbare Außenfläche, denn so, wie wir drinnen die Tische stellen müssen, bleiben von 60 Plätzen nur noch maximal 35“, sagt Stefan Hummel, Chef der Bar Fritzn. Er könnte sich vorstellen, die großen Sonnenschirme seitlich zu begrenzen und mit Infrarotstrahlern zu beheizen. Die große Außenfläche sei ein wesentlicher Faktor zurzeit. „Drinnen wollte eh keiner sitzen zuletzt“, sagt Hummel, „wir kommen mit 30 Gästen auf keinen grünen Zweig.“ Außerdem würde, sagt er, der Wegfall der Parkplätze den Verkehr beruhigen zugleich die Stadt beleben. Diesen Vorteil sieht auch Sarah Zalfen. „Wir wollen immer Italien sein, können es aber nur in engen preußischen Grenzen“, sagt sie. Die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt habe deutlich zugenommen. Auch die Bar Gelb in der Charlottenstraße setzt auf Draußensitzer im Winter. „Wir können uns Zelte im Innenhof vorstellen, die den Gastraum erweitern und beheizt werden“, sagt Geschäftsführer Alexander Sporys. Auch ein kleiner Weihnachtsmarkt im Hof wäre denkbar. Comeback der Heizstrahler? Wird es also ein Comeback der Heizstrahler geben – die in Potsdam nicht verboten sind, aber trotzdem weitgehend aus dem Stadtbild verschwunden? „Ich habe nicht den Eindruck, dass wir flächendeckend gasbetriebene Strahler bekommen werden“, widerspricht Sarah Zalfen, „die schlechte Klimabilanz ist ja kein Geheimnis, die Gastronomen wollen die Pilze nach meiner Erfahrung gar nicht wiederhaben, sondern setzen auf Alternativen.“ Kein Fan der Außengastronomie im Winter ist hingegen René Dost. „Das Problem ist, dass ich quasi ständig die Türen öffnen müsste, dann die Gäste drinnen frieren und die Kellner ständig zwischen warm und kalt wechseln und dann auch noch krank werden“, sagt er. „ich kann ja jetzt nicht noch einen Wintergarten bauen.“ Heizpilze kommen für Dost nicht in Frage – die Betriebskosten seien sehr hoch, sagt er. „Ich finde, wir müssen jetzt mal wieder anfangen, zu leben und unsere Angst in den Griff kriegen.“ Lieferdienst als zweites Standbein: Lena Voss und ihr Mann Bernd betreiben zusammen „Lena’s Restaurant“ mit bulgarischer Küche in Babelsberg. Sie sagt, sie wolle zuversichtlich und vorsichtig bleiben. Wenn die Terrasse wegfällt, kann sie in ihrem Restaurant höchstens noch zwölf Gäste bedienen – weniger als die Hälfte der normalen Kapazität. „Man macht sich Gedanken“, sagt die Köchin, „Aber ich bleibe positiv.“ So sieht es auch der Inhaber der Trattoria I Fratelli in der Brandenburger Vorstadt. „Wir haben natürlich viel weniger Einnahmen durch die Abstände, aber wir lassen uns überraschen“, sagt der Geschäftsinhaber. Im Restaurant bleiben im Winter 28 Plätze, draußen wolle unter 18 Grad niemand mehr sitzen. Er setze deshalb auf Lieferdienste, die den Gästen das Essen nach Hause bringen. Sie wollen immer bestens informiert sein, was sich in Ihrer Stadt verändert, aber nicht ständig die News checken? Dann haben wir genau das Richtige für Sie: Unseren kostenlosen Newsletter „Potsdam ganz nah“. Zweimal wöchentlich nehmen wir Sie mit auf einen Streifzug durch die Landeshauptstadt und geben Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Nachrichten. Aber wir blicken auch hinter die Kulissen. Ehrlich, persönlich und zuverlässig recherchiert. Ganz nah dran eben. Der kostenlose Newsletter erscheint immer dienstags und freitags und Sie können ihn hier abonnieren. Das Fährhaus in Caputh wiederum ist froh, die Gastronomie überhaupt öffnen zu können. Jannik Spiekermann, Büromitarbeiter im Bereich Controlling, sagt auf MAZ-Nachfrage, dass zwar viele Kapazitäten über die kalten Jahreszeiten wegfallen würden. „Aber innen bleiben uns zum Glück noch 80 Plätze.“ Und wer im Winter entspannt draußen sitzen möchte, bekommt Glühwein, Decken und Feuerschalen, kündigt er an: „Wir werden aber probieren den Steg über den Winter aufzuhalten.“ Von Saskia Kirf und Jennifer Bongards