Corona im Potsdamer Klinikum: Steffen Grebner dankt als Geschäftsführer ab

Viele hatten es erwartet, nun ist die Entscheidung gefallen: Steffen Grebner wird Ende November die Geschäftsführung in allen Gesellschaften der Klinikgruppe Ernst von Bergmann niederlegen und somit sein Dienstverhältnis beenden. Die Entscheidung sei im „Einvernehmen mit der Landeshauptstadt Potsdam“ getroffen, heißt es in der Mitteilung der Stadt von Mittwochabend. Seit Ende April hatte Grebner nach dem Corona-Ausbruch im Klinikum mit zahlreichen Erkrankten und Todesfällen seine Tätigkeiten ruhen lassen. Auch die beurlaubte medizinische Geschäftsführerin Dorothea Fischer tritt endgültig ab. Sie bleibt allerdings weiterhin Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe. Zu den Bedingungen der Vertragsauflösungen äußert sich die Stadt nicht. Nach MAZ-Informationen bekommt Grebner volle Bezüge ohne Boni bis zum Ende seiner regulären Vertragslaufzeit im Jahr 2022. Die Gesamtsumme soll rund 460 000 Euro betragen. Sollte er eine neue Stelle antreten, kann das auf 70 Prozent reduziert werden. Ermittlungsverfahren gegen Tim Steckel in der Remicade-Affäre: Die künftige Geschäftsführung des Klinikums übernehmen die bisherigen kommissarischen Leiter Hans-Ulrich Schmidt und Tim Steckel. „Während Hans-Ulrich Schmidt für die kommenden fünf Jahre bestellt wurde, hat Tim Steckel darum gebeten, die Funktion des Geschäftsführers zunächst für sechs Monate weiterhin interimistisch wahrzunehmen“, heißt es in einer Mitteilung des Klinikums von Mittwochabend. Grund sei, so das Klinikum, „ein aus seiner Sicht inhaltlich völlig haltloser Vorwurf im Remicade-Komplex, der sich auf angebliche Handlungen aus dem Jahr 2011 bezieht“. Damals war Steckel bereits am Potsdamer Klinikum tätig, hatte allerdings „keine wesentliche Mandatsfunktion“, so die Darstellung des Klinikums. Bei dem Remicade-Komplex geht es um mutmaßliche Falschabrechnungen des hochpreisigen Entzündungshemmers Remicade am Klinikum – den Krankenkassen entstand dadurch ein Schaden, der von Experten auf 3,8 Millionen Euro beziffert wird. Nach MAZ-Informationen hat Steckel kürzlich eine Vorladung der Staatsanwaltschaft Potsdam als Beschuldigter erhalten, er soll von einer weiteren Beschuldigten benannt worden sein und nun die Gelegenheit bekommen, die Vorwürfe gegen ihn auszuräumen. Der Potsdamer Staatsanwalt Markus Nolte bestätigt auf MAZ-Anfrage am Donnerstagvormittag, dass gegen Steckel wegen des Verdachts von Untreue und Betrug ermittelt wird. Es gebe, so Nolte, „zureichende Anhaltspunkte für eine Verstrickung in den Komplex“. Welche Rolle Steckel genau gespielt haben soll, ist offen. Gegen Grebner wiederum, der damals bereits Geschäftsführer gewesen ist, wird in dem Remicade-Komplex laut Nolte aktuell nicht ermittelt. Medikamente sollen doppelt abgerechnet worden sein: Das Mittel, dessen Packungen durchaus tausend Euro kosten können und das für jeden Patienten individuell hergestellt wird, soll doppelt abgerechnet worden sein. Im Herbst 2017 hatte ein Großaufgebot von 130 Polizisten, sechs Staatsanwälten und acht pharmazeutischen Experten das Klinikum und 27 andere Orte im Bundesgebiet durchsucht. Im Fokus der Ermittlungen standen damals zwei leitende Mediziner des Bergmann-Klinikums, auch gegen zwei weitere Ärzte und zwei Apotheker des Hauses ermittelte die Staatsanwaltschaft. Im Dezember 2018 erweiterte sich der Kreis der Beschuldigten auf 21, die Vorwürfe lauten unter anderem auf Untreue und Betrug. Aufgeflogen war der mutmaßliche Millionenschwindel durch eine Strafanzeige der Krankenversicherung Barmer, die bemerkt hatte, dass eine nicht zur Herstellung von Remicade geeignete Apotheke das Mittel abgerechnet hatte. Kritik im Hauptausschuss der Stadt Potsdam: Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) – zugleich Gesellschafter des Klinikums – sowie der Aufsichtsrat des Klinikums sind nach MAZ-Informationen von Steckel am Dienstagabend über die Vorwürfe informiert worden. Am Mittwochabend wurde der Hauptausschuss der Stadtverordnetenversammlung im nichtöffentlichen Teil der Sitzung über die Verlängerung der Verträge von Schmidt und Steckel informiert. Wie aus Teilnehmerkreisen zu erfahren war, gab es allerdings nicht nur Zustimmung, sondern auch Kritik: Denn die Berufung von Schmidt zum Geschäftsführer für die kommenden fünf Jahre fand offenbar ohne Ausschreibung statt – und noch bevor der Abschlussbericht der Untersuchungskommission unter Leitung von Anita Tack zur Aufklärung des Corona-Ausbruchs im Dezember vorgelegt wird. Zukunft der medizinischen Geschäftsführung offen: Die Besetzung und auch der Verzicht auf eine Ausschreibung liegen im Ermessen des Gesellschafters in Person des Oberbürgermeisters Mike Schubert – er kann die Politik einbeziehen, muss es aber nicht. Wie es mit der medizinischen Geschäftsführung am Klinikum weitergeht, lässt die Stadt in ihrer Mitteilung offen. Im Ausschuss gab es dem Vernehmen nach allerdings Signale, dass man Dorothea Fischer nach Klärung der Vorwürfe gegen sie wieder zur medizinischen Geschäftsführerin berufen will. Wie berichtet, ermittelt aktuell die Staatsanwaltschaft Potsdam gegen Grebner, Fischer sowie drei leitende Ärzte. Gegen sie besteht der Verdacht der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung im Zusammenhang mit dem Ausbruchgeschehen. Mitte September hatte die Staatsanwaltschaft nach Durchsuchungen im Klinikum rund 200 Patientenakten und Unterlagen beschlagnahmt, die im Zusammenhang mit dem Covid-19 Ausbruchsgeschehen im Klinikum stehen. Von Anna Sprockhoff, Peter Degener und Saskia Kirf