Corona und Maskenpflicht in Läden in Potsdam: Kunden beschimpfen Verkäufer als Faschisten

Die zweite Corona-Welle überrollt Potsdam, doch mancher hält die Schutzmaßnahmen immer noch für übertrieben. Aus mehreren Läden in der Stadt berichten Inhaber und Kunden über Käufer, die die Masken- und Abstandspflicht nicht akzeptieren wollen und schwer mit den Verkäufern aneinander geraten. „Wir sind schon als Faschisten beschimpft worden“, erzählt Anja Behringer, Inhaberin des Bioladens „Annies“ in der Geschwister-Scholl-Straße. Schon an der Tür zum Geschäft wird deutlich darauf aufmerksam gemacht wird, dass man Maske tragen und Abstand halten muss und nicht mehr als drei Kunden im Laden sein dürfen. Auch, dass draußen bedient wird, falls jemand aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen kann und darf. „Wir haben immer die Ladentür offen und ständig frische Luft“, sagt Behringer. Immer wieder muss das Personal freundlich auf die Corona-Regeln hinweisen – etwa wenn eine Maske nicht richtig sitzt – und meistens wird das auch befolgt. „Aber viele wollen uns belehren und behaupten, das sei alles totaler Unsinn.“ Lesen Sie auch: Vorerst letzter Einkauf im Baumarkt: Potsdamer bereiten sich auf Lockdown vor Potsdams Händler in Sorge: „Das kann keiner auf Dauer durchhalten“ Täglich haben sie bei „Annies“ mit Leugnern und Verweigerern zu tun. „Man kann ja eine andere Meinung haben“, findet die Chefin, „aber bei uns im Laden müssen sie unsere Regeln befolgen. Wir haben das Hausrecht hier.“ Sie sei schon mal eine halbe Stunde lang im Laden von einer Kundin beschimpft worden – vor anderen Kunden. „Schaltet Euer Hirn ein!“: „Schaltet doch mal Euer Hirn ein!“ bekamen sie schon zu hören im Geschäft und „Je größer die Maske, desto kleiner das Hirn.“ An dieses Murren, Meckern und Motzen haben sich die „Annies“-Mitarbeiter fast gewöhnt, doch wenn es noch ausfälliger wird, sind gute Nerven gefragt. Eine Frau fing dieser Tage zunächst eine Diskussion an, mit einem ärztlichen Attest brauche sie keine Maske tragen; doch die Bedienung vor der Tür sei diskriminierend. Sie drohte, die Verkäufer bei der Polizei anzuzeigen, bezeichnete sie als „Faschisten“. Schließlich zog sie die Maske aufs Gesicht, doch einer der Verkäufer wollte sie trotzdem nicht bedienen. Ein anderer tat es und sollte seinen Namen sagen; rückte ihn heraus, blieb aber gelassen. „Mit einer Anzeige kommt die nicht durch“, sagte er seinen Kollegen. Anja Behringer findet, dass eher sie die Frau anzeigen könnte wegen der Faschisten-Beschimpfung: „Das ist ruf- und geschäftsschädigend!“ Schlechte Google-Bewertung als Retourkutsche: Die aufgebrachte Kundin rächte sich offenbar wenig später mit einer Negativbewertung bei Google. Sie sei „mit einem lauten Ruf angehalten“ und nach draußen beordert worden. „Solche Diskriminierung habe ich noch nirgends erlebt“, schreibt sie. Die Angestellten schildern die Situation anders und ihre Chefin reagierte online: Wenn die Kundin das Verhalten als „Diskriminierung“ betrachte, sei das „sehr traurig“. „Wir handeln hier in diesem Fall nach besten Wissen und Gewissen und versuchen ALLE zu schützen“, schrieb sie, „kaufen Sie doch bitte im Interesse des Gemeinwohls Ihre Lebensmittel in Zukunft dort, wo Sie nicht ,diskriminiert’ werden! Besten Dank!!!“ Lesen Sie auch: Für ältere Potsdamer ist Corona besonders gefährlich Ansturm auf Apotheken: Menschen aus Risikogruppen erhalten ab sofort kostenlose FFP2-Masken Wegen der Corona-Pandemie hat der Laden schon etliche Kunden verloren – Senioren vor allem, die Angst haben, unter Leute zu gehen und sich anzustecken. Die meisten seien dankbar, sagt sie, dass im Laden auf die Regeln geachtet wird. „Wir versorgen den Kiez und wollen nicht, dass jemandem etwas passiert“, sagt Behringer, „bei vielen Leuten liegen die Nerven blank. Das könnte vor Weihnachten noch schlimmer werden.“ Sie nahm Kontakt zur Polizei auf, die ihr Unterstützung zusicherte und sie in der Ausübung ihres Hausrechtes bestärkte. Auch im Blumenladen Kunden ohne Maske: Schräg gegenüber, hat Regine Burbott ähnliche Erfahrungen gemacht. Auch in ihrem Blumenladen sind immer wieder Kunden, die keine Maske tragen wollen und finden, dass die Plastikscheibe an der Bedienungstheke ausreicht. „Das passiert immer wieder“, sagt sie: „Wir haben ja oft dieselben Kunden hier. Aber so schlimm wie mit besagter Kundin bei ,Annies’ war es bei mir noch nie.“ Auch aus Innenstadt-Geschäften wird von uneinsichtigen Kunden berichtet, in einem Kinderschuhladen an der Gutenbergstraße etwa und aus der Tedi-Filiale im Markt-Center. Von Rainer Schüler