Digitaler Unterricht: 2.500 Potsdamer Schüler noch immer ohne Tablets

Mehr als 2500 Tablets für Schüler wollte die Stadt Potsdam bereitstellen – doch angekommen ist bislang kein einziges der Geräte. Das ergeben eine MAZ-Recherche und zwei kleine Anfragen des CDU-Stadtverordneten Clemens Viehrig. Mindestens 2500 Schüler, die sich die Anschaffung der teuren Geräte nicht leisten können, hätten demnach längst mit eigenen iPads der Firma Apple ausgestattet sein sollen. Notwendig ist diese Anschaffung wegen des pandemiebedingten digitalen Unterrichts. Dabei kann die Stadtverwaltung selbst offenbar nichts für die fehlenden Geräte. Bereits im Spätsommer 2020 hat sich die Stadt an einer Ausschreibung der Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister Pro Vitako zur Beschaffung der Tablets beteiligt. „Der Zuschlag wurde durch die Pro Vitako Anfang September 2020 erteilt. Die Landeshauptstadt Potsdam ist aus diesem Vertrag berechtigt, mindestens 2500 iPads zu beschaffen“, sagt Stadtsprecher Markus Klier. Potsdam wurden 680 Euro pro Gerät bewilligt: Tatsächlich hat die Landeshauptstadt Fördergeld in Höhe von 1,7 Millionen Euro beantragt und bewilligt bekommen – 680 Euro pro Tablet. Die Summe wurde auch schon abgerufen, sagt der Stadtsprecher. Doch nun liegt sie auf den Stadtkonten herum: „Es sind derzeit noch keine Kosten für die Landeshauptstadt angefallen.“ Denn geliefert wurde schließlich von den 2.500 bestellten Tablets kein einziges. Der Grund: globale Lieferengpässe des Herstellers Apple. „Im Oktober wurde durch den Vertragspartner der Pro Vitako mitgeteilt, dass derzeit keine Lieferzusagen gemacht werden können. Grund dafür sind weltweite Lieferschwierigkeiten des Herstellers“, heißt es aus der Stadtverwaltung. Verband Pro Vitako: Lieferengpässe bei Apple sind Schuld: Auch der Verband Pro Vitako verweist auf Nachfrage auf globale Lieferengpässe. „Die aktuelle Lage macht es nicht einfach“, so ein Sprecher des Verbandes. Einfach andere Geräte kaufen, die zudem womöglich deutlich günstiger wären als die iPads von Apple, darf die Stadt nun allerdings auch nicht. „Die Wahl des Produkts liegt nicht bei uns“, erklärt Sprecher Markus Klier, „wir sind an diese Produkte gebunden.“ Unabhängig von der Ausschreibung, auf eigene Faust Geräte kaufen darf die Kommune wiederum auch nicht. Lesen Sie mehr: Protokoll einer Potsdamer Mutter: Arbeit, Heimunterricht und nun auch noch in Quarantäne Homeschooling-Protokoll einer Potsdamer Schülerin: „Der Lehrer merkt eh nicht, was ich hier mache“ Zerreißprobe Hybridunterricht – das Protokoll einer Potsdamer Lehrerin Die Mittel für die Tablets stammen aus dem im April vorigen Jahres vom Koalitionsausschuss des Bundes beschlossenen Sofortausstattungsprogramm, einer Ergänzung des Digitalpakts Schule. Bundesweit sollten Schülerinnen und Schüler mit einer halben Milliarde Euro dabei unterstützt werden, sich Laptops oder Tablets zu kaufen, um für den Fernunterricht im Lockdown und den Wechselunterricht gerüstet zu sein. Schüler mit einer sogenannten Lehrmittelbefreiung hätten, so der Plan, auf diese Weise Zugang zu den dringend benötigten Geräten erhalten, ohne selbst etwas dafür zahlen zu müssen – eine solche Befreiung gilt beispielsweise für Bezieher von Hartz-IV-Leistungen oder anderen Sozialtransfers. Potsdam hat weitere Fördermittel für Schulen beantragt: Unabhängig von den nicht gelieferten Tablets hat die Stadt noch weitere Mittel aus dem Digitalpakt Schule bei der Investitionsbank des Landes Brandenburg beantragt. Sie sollen – anders als die Fördermittel aus dem Sofortprogramm – für die schulische Infrastruktur ausgegeben werden, etwa für Baumaßnahmen zur Erschließung der oft alten Gebäude mit W-Lan. Die maximal antragsfähige Summe für Potsdam beträgt 9,5 Millionen Euro für alle 43 allgemeinbildenden Schulen und die drei Oberstufenzentren in kommunaler Trägerschaft. „Ziel der Landeshauptstadt Potsdam ist es, diese Fördersumme in voller Höhe zu beantragen“, schrieb die Verwaltung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Stadtverordneten Clemens Viehrig im September. Auf Nachfrage des Stadtverordneten heißt es nun, die entsprechenden Anträge seien im Dezember gestellt worden. Einen Zuwendungsbescheid gab es allerdings bislang nicht – das Geld wurde also noch nicht bewilligt. Ausgezahlt würde es ohnehin erst nach Abschluss der Arbeiten. Potsdam wollte 2200 Notebooks verleihen, 940 sind bisher ausgegeben worden: Für die Schüler, die noch immer ohne Tablets dastehen, wollte die Stadt indes Abhilfe schaffen und Laptops bestellen. Ende Dezember hatte die Verwaltung angekündigt, „insgesamt 2200 Notebooks als Leihgeräte für das Distanzlernen“ zu ordern. 940 dieser Geräte konnten im bis Mitte Februar an Schüler ausgegeben werden. Sechs Monate sollen sie die Laptops, ausgestattet mit Windows 10, Mikrofon, Kamera und den gängigen Office-Programmen, behalten dürfen – „eine Überbrückung bis zur Bereitstellung der iPads“, schreibt die Verwaltung dazu in einer Mitteilung. Clemens Viehrig, der die Stadt zum wiederholten Mal nach der Beschaffung der Geräte gefragt hatte, zeigt Verständnis für die Verwaltung: „Die Stadt hat hier alles in die Wege geleitet, man kann diesen Prozess eben nicht weiter beschleunigen“, sagt er. Allerdings müsse man auch langfristig bedenken, was es bedeute, wenn tausende digitaler Endgeräte mehr in städtischer Hand seien als früher. „Wir müssen uns jetzt der Frage stellen, ob das vorhandene Personal im IT-Departement des Rathauses für die Wartung und Pflege der Geräte aufgestockt werden muss“, sagt Viehrig. Und die übrigen Kinder und Jugendlichen? Müssen knapp ein Jahr nach den ersten Schulschließungen in Potsdam weiter warten. Weitere Bedarfe würden aktuell angegangen, heißt es im Rathaus. „Wir befinden uns im stetigen Austausch mit den Schulen. Wenn nachgelegt werden muss, dann wird das getan“, sagt Markus Klier. Von Saskia Kirf