„Es ist wie eingebrannt, als wäre es gestern gewesen“, sagt Dirk Thiele, neben Heinz Florian Oertel einer der bekanntesten Sportreporter der DDR, über seinen 9. November 1989. Sein Höhepunkt dieses Tages sollte die Gesprächsrunde „Sportler zum Anfassen“ sein, die wie immer um 20 Uhr im Potsdamer Kulturhaus „Hans Marchwitza“ im Alten Rathaus, das heute das Potsdam Museum beherbergt, stattfinden sollte. Gast dieses Mal: Henry Maske. Dieser Name versprach ein volles Haus.
Es fing wie gewohnt gut an. Denn „Sportler zum Anfassen“, mitorganisiert von Jürgen Eschert, dem ersten Potsdamer Olympiasieger, war eine beliebte Talkrunde. Marlies Göhr, Täve Schur, Marita Koch, Udo Beyer: Die erste Riege des DDR-Sports hatte bereits neben Dirk Thiele Platz genommen. An jenem 9. November – der Saal war wie immer mit 150 bis 200 Zuschauern gut gefüllt – gab sich also Henry Maske die Ehre, „ganz schmuck in seiner Offiziers-Galauniform“, erinnert sich Thiele, der seit 1964 in Potsdam lebt.
Nach fünf Minuten waren alle Zuschauer weg
„Es war ein toller Abend“, so Thiele weiter. „Henny“, so der damalige Spitzname von Henry Maske, der gerade Box-Weltmeister geworden war, sei in Hochform gewesen. Dann die Wende: Mitten in die Veranstaltung platzte eine Kellnerin – „es muss gegen 20.30 Uhr gewesen sein“ – und stotterte „Die Mauer ist weg!“. „Es dauerte vielleicht fünf Minuten, dann war ich mit Henry Maske allein auf der Bühne“, so der Sportmoderator.
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Auf das anschließende Gespräch kann sich Dirk Thiele noch gut besinnen. „Du kannst zurück nach Frankfurt (Oder), die Lichter sind aus“, sagte ich. „Henry fragte: ‚Ob ich meine Uniform noch mal so trage?‘ – ‚Wenn Du keine anderen Sorgen hast.‘“ Auch dem Box-Helden blieb der 9. November 1989 natürlich unvergessen. „Ich konnte mich kaum fassen”, schrieb Henry Maske über den historischen Abend in seiner Autobiografie. Und stellte fest: „Das sozialistische System, diese Idee, an die ich immer geglaubt hatte, hatte es nicht geschafft. Mir schien, als hätten wir verloren.”
Thiele erinnert sich, an seine damalige Verfassung
Auch Dirk Thiele, heute 76 Jahre alt und von 1991 bis 2017 als Moderator bei Eurosport erfolgreich und 2008 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet, erinnert sich noch ganz genau an seine damalige Verfassung: „Wir sind beide mit ziemlich gemischten Gefühlen nach Hause gefahren. Was aus uns geworden ist, weiß man. Vielleicht hatten wir auch beide etwas Glück.“
Von Maria Kröhnke