Ein Besuch in Klein Glienicke zum Tag des Offenen Denkmals in Potsdam

So richtig zu sehen ist er nicht mehr. Der Säulensockel, auf dem einst eine, der Antike nachempfundene Grabsäule stand. Gerhard Petzholtz muss selbst danach suchen, dabei kennt er den Friedhof Klein Glienicke auswendig. Er ist Mitglied des Freundeskreis Kapelle und Alter Friedhof Klein-Glienicke e.V.. Zum Tag des Offenen Denkmals am gestrigen Sonntag beantwortete er Fragen zur Klein Glienicker Kapelle, die für Besucher zugänglich war. Der Klein Glienicker Friedhof liegt nur wenige Meter neben der Kapelle, fast zu jedem Grab kann Petzholtz die Geschichte erzählen. Viele Menschen, die dort begraben liegen, hat er persönlich gekannt. Gezielte Grabräuberei nach der Wende: Friedrich Sarre, auf dessen Grab einst die besagte Säule stand, freilich nicht mehr. Der Orientforscher und erste Direktor des heutigen Museums für Islamische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin lebte von 1865 bis 1945 – und starb damit genau in Petzholtz’ Geburtsjahr. Was er aber weiß: „Die Säule wurde nach der Wende geklaut.“ Wer genau sie mitgenommen hat, ist bis heute unklar. „Zuerst wurden Grenzer verdächtig“, sagt Petzholtz, der am Montag seinen 75. Geburtstag feiert. „Aber was sollten die denn mit so einer Säule?“ Er vermutet, dass Leute gezielt auf den Friedhof gekommen sind. „Das muss man ja schließlich wissen, dass so was hier zu finden ist.“ Nach der Wende waren Kapelle und Friedhof vernachlässigt, besonders die Kapelle sei sehr marode gewesen. „Wenn die Mauer noch fünf Jahre länger gestanden hätte, wäre sie wahrscheinlich ganz vermodert“, sagt Petzholtz. Gerhard Petzholtz stammt aus der Familie von Türk: Seine Bindung zu Klein Glienicke geht auf mehrere Generationen zurück, seine Urgroßmutter Johanna von Türk ist die Enkelin von Wilhelm von Türk (1774–1846), der unter anderem das Waisenhaus im Jagdschloss Klein Glienicke gründete. Sein Grab befindet sich ebenfalls auf dem dortigen Friedhof, alle paar Jahre findet vor Ort ein großes Familientreffen statt, zu dem von Türks aus aller Welt anreisen. Den Bau der Glienicker Kapelle hat Wilhelm von Türk allerdings nicht mehr miterlebt. Sie wurde 1881 das erste Mal geweiht, nach der Wende und ihrer Sanierung dann 1999 das zweite Mal. Gerhard Petzholtz’ Urgroßvater, Ludwig Petzholtz, hat den Bau mit initiiert. „Er hat Johanna von Türk geheiratet, die für ihn sogar ihren Adelstitel aufgab“, erzählt Gerhard Petztholtz. „Das muss schon ein toller Mann gewesen sein.“ Die Kapelle war für den Pfarrer damals wichtig, weil die Jungs vom Waisenhaus immer bis zur Kirche Nikolskoe laufen mussten, um sonntags den Gottesdienst besuchen zu können. „Wilhelm I. hat dann bestimmt, dass sie nicht zu groß werden sollte. Zum Glück, so ist sie jetzt so gemütlich, wie sie eben ist“, sagt Petzholtz. Berliner Ehepaar spendet 300.000 DM für Schuke-Orgel: Normalerweise ist die Kapelle geschlossen, am Sonntagvormittag kommen immer wieder Neugierige. „Schön, dass man mal rein kann“, sagt ein Besucher. Ein anderer bewundert die große Orgel „in so einer kleinen Kirche“. Ermöglicht wurde die von der Firma Schuke gebaute Orgel durch ein Berliner Ehepaar. „300.000 Deutsche Mark haben sie dafür nach der Wende gespendet“, weiß Petzholtz. „Unter der Bedingung, dass hier Musik gespielt wird.“ In nicht Coronazeiten war das auch so: Alle zwei Wochen fanden vor Ort kostenlose Konzerte statt. „Und zu Weihnachten sind wir geöffnet, da bekommen Sie kaum einen Platz.“ Alte Gräber können neu genutzt werden: Ein Bild von Ludwig Petzholtz hängt auch in der Kapelle. „Das wollte in der Familie ja keiner haben, da habe ich es genommen“, sagt Gerhard Petzholtz. Irgendwann kam die Idee auf, es in die Kapelle zu hängen – ein Glücksgriff, wie sich herausstellte. „Das Bild fing nämlich an der Rückseite an zu schimmeln und das hätten wir sonst wahrscheinlich nicht bemerkt.“ Eine Restaurierung rettete das Gemälde. Und auch der Friedhof, der eine Zeit lang im Dornröschenschlaf lag, wie Petzholtz erzählt, ist jetzt wieder gefragter geworden. Etwas kurios: Wer sich hier begraben lassen möchte, kann alte Gräber und sogar alte Grabsteine wieder verwerten. „Wir gucken dann natürlich in die Bücher, ob noch Angehörige von den jeweiligen Familien da sind, aber häufig gibt es da niemanden mehr“, sagt Petzholtz. Auf einem ganz frischen Grab ist noch der alte Grabstein zu sehen, den die Familie neu beschriften lasen möchte. Irgendwie ein hübscher Kreislauf. Die Kapelle Klein Glienicke, Wilhelm-Leuschner-Straße 1, ist am 13. September noch bis 17 Uhr geöffnet. Von Sarah Kugler