Geschichte der Oberbürgermeister von Potsdam: Kurt Promnitz wollte das Stadtschloss retten

Die Stadt Potsdam in den ersten Nachkriegsjahren – darüber ist wenig bekannt. Wer waren die Männer und Frauen, die nach 1945 im Rathaus und in der Stadtverordnetenversammlung führende Positionen innehatten? Mit welchen Mitteln schaffte es die SED, auch in der einstigen Residenzstadt ihren unbedingten Machtanspruch durchzusetzen. Wir stellen die Nachkriegsoberbürgermeister vor, heute: Kurt Promnitz (1951-57). Märkische Volksstimme verkündet Neubesetzung: Die Frage war lange Zeit offen: Wer wird Nachfolger von Walter Paul als Potsdams Oberbürgermeister? Er hatte den Machtkampf gegen die SED-Kreisleitung verloren und gab das Amt ab. Am 3. Januar 1951 kann die „Märkische Volksstimme“ endlich vermelden: „Potsdam hat neuen Oberbürgermeister“. Die Stadtverordnetenversammlung habe „einstimmig Herrn Promnitz, SED“, gewählt. Der Vorname scheint da noch nicht bekannt. Immerhin erfährt der Leser einige biografische Daten. Tuchmacher aus dem Havelland wird OB: Der neue erste Mann im Rathaus wurde am 28. Oktober 1911 in Guben als Sohn einer Tuchmacherfamilie geboren, hat Tuchmacher gelernt und war zuletzt Landrat im Westhavelland. Aus seiner Personalakte geht hervor, dass Kurt Promnitz zu Kriegsende in sowjetischer Gefangenschaft war. Dort absolviert er „1947 eine Antifa-Schule, danach im Fernstudium einen kommunalpolitischen Lehrgang“. Mitglied der SED ist er seit 1947. Lesen Sie auch: Kränze für Opfer und Inhaftierte des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 in Potsdam Brandenburgs Landtagspräsidentin erinnert an DDR-Volksaufstand In seiner Amtszeit muss Promnitz den Potsdamer Spagat leben. Auf der einen Seite gibt es die Ulbrichtschen Anweisungen aus Berlin, das neue Potsdam losgelöst vom Preußenerbe zu gestalten, auf der anderen Seite kämpfen viele Bewohner weiter darum, das historische Gesicht der Stadt zu erhalten. Sperrstunde und Eintrittspreis für Park Sanssouci fallen weg: Ab 1951 wird die zum Teil stark zerstörte Wilhelm-Staab-Straße angepasst an ihr ursprüngliches Aussehen wieder aufgebaut. Im alltäglichen Leben werden Nachkriegsreglementierungen reduziert, die Gaskontingentierung und die Sperrstunde werden aufgehoben. Auch die Eintrittspreise für den Besuch des Parks Sanssouci entfallen. Ein zentrales Thema ist der Umgang mit dem Stadtschloss. Ein SED-Papier von 1951 sieht zwar im Zentrum einen „Kundgebungs- und Demonstrationsplatz“ vor, der zwischen Altem und Neuem Markt gelegen sein soll. Das Stadtschloss solle aber „wieder in einen gebrauchsfähigen und ansprechenden Zustand versetzt werden, um zu einem kulturellen Mittelpunkt zu werden“. Es könne unter anderem eine Bibliothek und das Museum aufnehmen. Allerdings heißt es einschränkend, „das Stadtschloss soll in seinen wertvollen Teilen erhalten werden“. Es ist ein Durchbruch vorgesehen, „um dadurch den Blick nach Süden hin zu ermöglichen“. Brief an Grotewohl: Stadtschloss wiederaufbauen: Im Februar 1954 richtet Oberbürgermeister Promnitz ein Schreiben an den Ministerpräsidenten der DDR, Otto Grotewohl, mit der Bitte, das Potsdamer Stadtschloss wiederaufzubauen. Das Anliegen wird in Berlin allerdings als „nicht so vorrangig“ abgetan. Um den Wohnungsbau voranzubringen, wird im Reichsbahnausbesserungswerk die erste Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft (AWG) gegründet. Und während mittlerweile Benachteiligungen für junge Christen Gang und Gäbe sind, findet im Kulturraum des VEB Lokomotivbau „Karl Marx“ die erste Jugendweihe statt. Lesen Sie auch: Bildergalerie: Potsdams Innenstadt - vor und nach dem Krieg Dampfschokolade und Kriechkeller: Virtuelle Zeitreise nimmt Sie mit ins Potsdam des Jahres 1850 Was das Stadtschloss anlangt, erfolgen 1955 immerhin Sicherungsarbeiten. Es werden Pläne zur Restaurierung der einstigen Breiten Straße, nun Wilhelm-Külz-Straße, vorgestellt. Außerdem beginnt man mit den Aufschüttungsarbeiten am Templiner Damm als Voraussetzung für einen neuen Berliner Außenring der Reichsbahn. Das Nationale Aufbauwerk NAW ruft zum Einsatz am Stadtkanal zur Sanierung des Ufers auf. Sie wollen immer bestens informiert sein, was sich in Ihrer Stadt verändert, aber nicht ständig die News checken? Dann haben wir genau das Richtige für Sie: Unseren kostenlosen Newsletter „Potsdam ganz nah“. Zweimal wöchentlich nehmen wir Sie mit auf einen Streifzug durch die Landeshauptstadt und geben Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Nachrichten. Aber wir blicken auch hinter die Kulissen. Ehrlich, persönlich und zuverlässig recherchiert. Ganz nah dran eben. Der kostenlose Newsletter erscheint immer dienstags und freitags und Sie können ihn hier abonnieren. Im Sommer 1952 verliert Potsdam seinen herausgehobenen Status als Landeshauptstadt. Aus den bisherigen fünf Ost-Ländern werden per Gesetz 14 Bezirke und 217 Kreise. Der Hintergrund: Mit dem angekündigten „Aufbau des Sozialismus“ soll die DDR-Verwaltung derjenigen der Sowjetunion angepasst werden. Dazu gehört ein strenges Regime von oben nach unten, wobei die untergeordneten an die Entscheidungen der höheren Stellen gebunden sind. Im Zuge dieser Reform muss Potsdam auch die Ortsteile Bergholz-Rehbrücke, Eiche-Golm, Geltow mit Wildpark-West, Grube-Nattwerder-Schlänitzsee, Krampnitz-Neufahrland und Wilhelmshost abgeben. Die Stadt zählt nun nicht mehr als Großstadt. Lesen Sie auch: Ausstellung zur Wiedervereinigung: 30 Brandenburger erzählen ihre Geschichte Audioguide: Sanssouci und der Sklavenhandel Dafür zieht endlich der neue Geist von Potsdam in der Stadt ein, so wie ihn sich der SED-Chef wünscht: Im Februar 1952 konstituiert sich die Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam-Babelsberg, und sie erhält zudem den Namen ihres großen Förderers Walter Ulbricht. Wie sich Promnitz in den Tagen des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 verhalten hat, ist nicht überliefert. Immerhin kommen in der Zeit ranghohe Funktionäre in die Stadt. Erst wird Erich Honecker vom SED-Politbüro in das Karl-Marx-Werk geschickt, um die Belegschaft zu einem Ende des Streiks zu drängen. Und am 1. Juli tritt Walter Ulbricht auf einer Kundgebung auf dem Platz der Nationen auf, dem einstigen Luisenplatz. Potsdam ist fest in den Händen der SED-Führung. Ab September darf der Neue Garten wieder von der deutschen Bevölkerung betreten werden. Er war bislang von der Sowjetarmee als Kultur- und Erholungspark genutzt worden. 1954 wird einerseits die Ruine der Synagoge am Wilhelmplatz abgerissen, andererseits beginnt der Wiederaufbau der Nikolaikirche. Versuch einer Städtepartnerschaft mit Hannover: Im Frühjahr 1955 unternimmt Promnitz eine im Rückblick eher ungewöhnliche Reise. Er fährt in den Westen, nach Hannover. Als SED-Funktionär soll er den Wahlkampf der dortigen KPD unterstützen. Nebenher versucht er aber auch, mit Hannovers Oberbürgermeister ins Gespräch zu kommen. Doch der ist gerade verhindert. Auf Promnitz‘ Frage nach einer Städtepartnerschaft heißt es ausweichend, man könne ja zunächst über einen Erfahrungsaustausch „zwischen den Abteilungen Aufbau beider Städte“ nachdenken. Allerdings hat sich das Thema wenig später ohnehin erledigt. Mit dem Nato-Beitritt Westdeutschlands im Mai 1955 ist das Bemühen um eine deutsch-deutsche Annäherung unter sowjetischen Vorzeichen endgültig ad acta gelegt. Und Promnitz hat ohnehin bald ganz andere Probleme. Im Mai 1957 veröffentlicht die MV eine „Mitteilung des Rates des Bezirkes“, nach der der Oberbürgermeister „seine Leitungstätigkeit vernachlässigt“ habe und er „vorläufig beurlaubt“ sei. Die bisherigen Untersuchungen hätten ergeben, dass „zweckgebundene Haushaltsmittel“ aus dem Bereich Volksbildung anderweitig verwendet wurden. Allerdings wurde auch festgestellt, dass sich Promnitz und weitere Beteiligte „in keiner Weise persönlich bereichert und keine Unterschlagung und keinen Betrug begangen haben“. Man wolle „sehr sorgfältig“ prüfen. Das Ergebnis der Untersuchungen wurde, wie damals üblich, nicht öffentlich gemacht. 1957: Promnitz gibt als Oberbürgermeister auf: Stattdessen titelt die MV am 13. Dezember 1957 recht unvermittelt: „Neuer Oberbürgermeister im Amt“. Promnitz selbst habe den Antrag gestellt, „ihn von seinen Pflichten zu entbinden“. Über den weiteren Weg des Mannes ist nichts bekannt. Die MAZ-Serie „Potsdamer Nachkriegsjahre“ Folge 1: Stalinistischer Terror gegen die bürgerliche Opposition Folge 2: Walter Paul war Potsdamer OB – und musste fliehen Folge 3: Kurt Promnitz: letzter Versuch zur Rettung des Stadtschlosses Folge 4: Willi Rescher: Stadtschloss-Sprengung, Mauerbau und ein neuer Bahnhof Von Frank Starke