Kahlschlag: Deshalb wurden Hunderte Kirschbäume in Potsdam gerodet

„Ich hatte keine andere Wahl.“ Obstgärtner Lutz Kleinert steht auf seinem gerodeten Acker und schüttelt den Kopf. Er ist immer noch fassungslos, dass seine Bäume nun wirklich gefällt sind. Denn seine Kirschplantage in Marquardt war von einem Virus befallen. Die Krankheit sorgte über Jahre dafür, dass die Ernte gering und die Früchte ungenießbar wurden. Das Todesurteil für die Kirschbäume – der Besitzer des Obstguts Marquardt konnte kaum anders, als Mitte vergangener Woche alle Bäume auf der Plantage zu fällen. Nachbarn fragten sofort nach den Bäumen: Unbemerkt blieb dies nicht lange. Sowohl Stammkunden als auch Bewohner aus den umliegenden Dörfern äußerten ihr Bedauern – und auch ihren Unmut – über die Rodung und erkundigten sich nach den Gründen. Verwunderung machte sich breit. Um was für einen Virus handelt es sich? Und warum gab es keine andere Möglichkeit als die Rodung der gesamten Fläche? Auch bei Facebook wurde die Aktion diskutiert. Bei dem Befall handele es sich um den sogenannten Little-Cherry-Virus, das heißt um eine viröse Kleinfrüchtigkeit der Kirsche. Diese bewirke, dass die Kirschen besonders langstielig und klein sind, einen bitteren Geschmack haben und herzförmig wachsen. Doch schon vor dem Auftreten der Symptome wusste Lutz Kleinert, dass mit den Bäumen auf seiner Plantage etwas nicht stimmte. Alles versucht, um die Kirschbäume zu retten: Auf der fast sieben Hektar großen Fläche müssten eigentlich 30 bis 40 Tonnen Kirschen pro Jahr zu erwirtschaften sein, doch es waren schon immer höchstens 15 Tonnen. In den vergangenen Jahren brachte die Plantage gar nur noch drei bis vier Tonnen Früchte. Das warf natürlich Fragen auf. Zunächst zog Lutz Kleinert noch andere mögliche Ursachen, etwa die Trockenheit, in Betracht und ließ nichts unversucht, um seine Bäume zu retten. Lesen Sie auch: Illegale Rodung im Havelland aufgeklärt Doch vor knapp zwei Jahren kam die Befürchtung auf, dass es sich um den Little-Cherry-Virus handeln könnte. Kurze Zeit darauf bestätigte sich der Verdacht. „Dieser Virus hat eine ziemlich lange Latenzzeit, er bricht erst nach längerer Zeit aus“, erklärt Lutz Kleinert, „ich befürchte, dass er damals schon mit dem Züchtungsmittel eingeschleppt worden ist.“ Die Erkenntnis brachte Ernüchterung mit sich. Denn für den Obstgärtner war mit dem Befund sofort klar, dass er die Fläche werde roden müssen. Doch wieso gibt es keine andere Möglichkeit als das Fällen der Bäume? Da es sich um eine Virusinfektion handele, gebe es keine Behandlungsmöglichkeiten, so Kleinert. Bisher existiere kein chemisches Mittel, mit der man die Krankheit eindämmen oder vertreiben könne. „Nur im Totholz überlebt er nicht. Damit der Virus stirbt, muss der Wirt getötet werden“, erklärt Lutz Kleinert. Erträge in Höhe von 10.000 Euro fehlen: Die Entscheidung habe er nicht leichtfertig gefällt, der Verlust tue ihm weh. Er trauere zum einen um die Kirschbäume, zum anderen bedeute dieser Verlust auch erhebliche finanzielle Verluste für ihn. Sieben Hektar Kirschen werden fehlen und damit Erträge von ungefähr 10.000 Euro. Doch das ist nicht alles. Denn die Rodung und Befreiung der Fläche von den erkrankten Pflanzen kosten ihn ebenfalls mehrere Tausend Euro. Er rechnet drei Tage zum Absägen der Bäume ein, noch mal drei Tage zum Einsammeln der Äste und Baumstämme und dann das Schreddern, das weitere zwei Tage kosten wird. Für alle diese Schritte muss Lutz Kleinert externe Firmen engagieren. Auch die Wurzeln müssten entfernt werden. Das könne er zwar selbst machen, doch müsse er dafür einen speziellen Kettenbagger für 700 bis 900 Euro pro Tag mieten. Die Kosten steigern sich mit jedem weiteren Schritt. „Das alles ist nicht einfach für mich“, berichtet der Obstgärtner. Holz wird nicht weitergegeben: Sobald er mit der Rodung begonnen hatten, meldeten sich Bürger aus dem Umland bei ihm. Viele seien schockiert gewesen, bei einigen hätten die abgeholzten Flächen Erinnerungen an die großflächigen Rodungen nach der Wiedervereinigung Deutschlands geweckt. Auch interessant: Waldpapst rügt Brandenburg wegen Rodung für Tesla: „Das ist 19. Jahrhundert“ Viele bekundeten allerdings auch ihr Interesse an dem Holz. „Sie fragen, ob sie das Holz als Brennholz haben können. Und einige Künstler haben auch angefragt, Kirschholz ist ja sehr beliebt“, berichtet der Obstgärtner. Die Interessierten müsse er jedoch enttäuschen. Das Holz gehöre der Firma, die die Rodung vornehme und diese würde die Stämme direkt schreddern und die Äste anderweitig entsorgen. Er bittet daher von weiteren Anfragen abzusehen. Hofladen verkauft weiter Kirschen: Auch Stammkunden meldeten sich, aus Sorge, sie könnten von nun an keine Kirschen mehr in Lutz Kleinerts Hofladen kaufen. Doch glücklicherweise bleiben ihm noch einige Hektar Fläche auf denen er gesunde Kirschbäume stehen hat. Auf insgesamt 22 Hektar baut der Obstbauer in Marquardt Kirschen, Äpfel, Pflaumen und Pfirsiche an. Auch Spargel und Erdbeeren werden auf weiteren vier Hektar gezogen. Die Fläche seiner ehemaligen Kirschplantage wird er in der kommenden Zeit allerdings nicht als Obstanbaugebiet nutzen können. Der nächste Schritt ist eine Zwischenbepflanzung, daher wird er die sieben Hektar landwirtschaftlich nutzen. Das Geschäft in seinem Hofladen in Marquardt läuft also wie gewohnt weiter, Lutz Kleinert bleibt optimistisch. „Das alles ist bitter“, sagt er, „aber ich schau jetzt nach vorn. Anders geht es ja nicht.“ Lesen Sie auch: Havelfrucht in Glindow hofft auf bessere Ernte Werderaner Obstbauern vom Wasserverbot ausgenommen Grüne Woche: Das fordern märkische Bauern Von Louise Otterbein

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