Mietwucher und Steuervermeidung mit möblierten Wohnungen in Potsdam

Mit überteuerten Wohnungen in Potsdam verdienen Finanz- und Immobilienfirmen am Staat vorbei viel Geld. Das will das Netzwerk „Stadt für alle“ aufgedeckt haben – und hat dafür am Sonnabend Belege vorgelegt. Vergleich mit Firmengeflechten aus den Panama-Papers: Mit Unterstützung des Recherchenetzes Correctiv haben fünf „Stadt für alle“-Mitstreiter tiefgründig recherchiert und ein Dossier erarbeitet, das bisher unbekannte Verbindungen zwischen überteuerten möblierten Wohnungen in Potsdam und einem intransparenten Geflecht von Finanz- und Immobilienfirmen aufdeckt. Es zeigt auch undurchsichtige Besitzstrukturen, Briefkastenfirmen sowie Verbindungen zu sogenannten Steueroasen, sodass die Mieteinnahmen offenbar nicht versteuert werden. Wem gehört Potsdam? Heute Vormittag am Rathaus stellt das "Stadt für alle" einen Einblick in verwirrende Steuersparnetze... Gepostet von MAZ Potsdam am Samstag, 20. Juni 2020 Die Strukturen seien vergleichbar mit denen der sogenannten Panama-Papers, die vor einigen Jahren die Verstrickungen von Firmen und Steueroasen aufdeckten, in deren Folge prominente Politiker zurücktreten mussten. Zehn Häuser in der Zeppelinstraße betroffen: Den Fokus legt die Recherche auf zehn Häuser in der Zeppelinstraße, die 2015 verkauft worden waren. Vermieter seien nun Firmen, die stets die Bezeichnung Brandenburg Properties mit verschiedenen Zusätzen oder Nummerierungen im Namen tragen. Sie haben ihre Firmensitze im Ausland, in Ländern mit niedriger oder ohne Einkommensteuer. Wie kam „Stadt für alle“ darauf? „Uns hatten Mieter ihre Mietverträge gezeigt“, berichtet Holger Zschoge, „dabei waren uns die komischen Namen der Vermieter aufgefallen. Es waren immer Luxemburger Firmen.“ Dass die Potsdamer damit auf ein globales Firmengeflecht gestoßen waren, bestätigte ihnen Correctiv. Es begann eine mehrmonatige Recherche in Handelsregisterauszügen und Internetquellen. „Wir haben sicher 150 Dokumente und Websites durchgearbeitet“, so Zschoge weiter. Töchter, Mütter, Anlagefonds: Die Firmen Brandenburg Properties sind nach Erkenntnissen der Autoren der Muttergesellschaft Puma Brandenburg Ltd. zuzuordnen. Die Holdinggesellschaft habe sich unter anderem auf Immobilienhandel in Deutschland, USA und Israel spezialisiert und hatte 2016 insgesamt 37 Tochtergesellschaften wie die Brandenburg Properties. Allein in Berlin und Potsdam besitzt sie laut Dossier derzeit mehr als 1500 Wohnungen mit insgesamt 250.000 Quadratmeter Fläche. Firmensitz: die britische Kanalinsel Guernsey. Einkommensteuer: 0%. Die Holding wiederum gehört zur Shore-Capital-Gruppe, deren Gründer und Mehrheitseigentümer Howard Paul Shore (58) ist. Er ist zugleich Puma-Geschäftsführer zusammen mit dem Juristen und früheren Medienmanager Werner Klatten, Schwager von Susanne Klatten aus der Quandt-Familie, die als die reichste Frau Deutschlands gilt. Verbindung zu den Panama-Papers: Dritter Geschäftsführer ist Herman Troskie, unter anderem Geschäftsführer der Maitland Gruppe für globale Vermögensanlagen. Laut Dossier verwaltet sie nach eigenen Angaben ein Vermögen von 280 Milliarden US-Dollar. Wie Maitland Vermögensanlagen offenbar zur Vermeidung von Steuern ermöglicht hat, flog mit den Panama-Papers auf. Und für die Dossier-Autoren ist klar: „Nach unseren Erkenntnissen steckt in Potsdamer Immobilien auch Geld aus dem verwalteten Vermögen dieser Gruppe.“ Sie wollen immer bestens informiert sein, was sich in Ihrer Stadt verändert, aber nicht ständig die News checken? Dann haben wir genau das Richtige für Sie: Unseren kostenlosen Newsletter „Potsdam ganz nah“. Zweimal wöchentlich nehmen wir Sie mit auf einen Streifzug durch die Landeshauptstadt und geben Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Nachrichten. Aber wir blicken auch hinter die Kulissen. Ehrlich, persönlich und zuverlässig recherchiert. Ganz nah dran eben. Der kostenlose Newsletter erscheint immer dienstags und freitags und Sie können ihn hier abonnieren. Wohnungen werden zu „möblierten Wohnungen“: Das Prinzip laut „Stadt für alle“: Um möglichst hohe Gewinne an ihre Investoren auszahlen zu können, wandeln Immobilienunternehmen in Potsdam massiv reguläre Mietwohnungen in sogenannte „möblierte Wohnungen“ um. Die Mieter müssten die doppelte oder gar dreifache Miete im Vergleich zu „normalen“ Wohnungen zahlen. Bis zu 27 Euro pro Quadratmeter würden in Potsdam verlangt. Forderungen an Stadt und Land: Mit dem Dossier will „Stadt für alle“ eine Diskussion und ein politisches Gegensteuern anregen. „Die Stadt muss für Offenheit und Transparenz sorgen“, fordert Zschoge. Brandenburg und Potsdam brauchten ein Transparenzregister wie Berlin, sodass sofort bekannt wird, wenn Investoren große Einkäufe am Immobilienmarkt tätigen. „Mieter müssen wissen, wer ihr Vermieter ist“, erklärt Zschoge. Zweite Forderung: Potsdam braucht eine Zweckentfremdungs-Verordnung. „Damit kann die Stadt die Umwandlung von Wohnungen in ,möblierte Wohnungen’ verbieten“, so Zschoge weiter. Zugleich sind Gesetzesänderungen auf Bundes- und Landesebene nötig. Weitere Immobilien-Konstrukte in Potsdam: Man habe nur einen „winzigen Zipfel“ dieses Geschäftsmodells mit Potsdamer Immobilien aufgedeckt. „Es gibt weiter solcher Firmen-Konstrukte, die in Potsdam tätig sind“, sagt Holger Zschoge. Er gehe etwa beim Stern-Plaza von solchen Hintergründen aus. Das Dossier steht öffentlich im Internet zum Lesen. Von Alexander Engels