Nach sexuellem Missbrauch in Potsdam lange Haftstrafen gefordert

Im Prozess gegen den Mann, der im Mai 2019 ein damals sechs Jahre altes Mädchen vor einem Potsdamer Möbelhaus entführt und in seiner Wohnung in Drewitz sexuell missbraucht haben soll, sind am Mittwochvormittag vor dem Landgericht Potsdam die Plädoyers gesprochen worden. Alle Verfahrensbeteiligten forderten lange Freiheitsstrafen für Willi D. (59), der zu Beginn des Prozesses ein Geständnis abgelegt hatte. Die Staatsanwaltschaft hat laut Gerichtssprecher Sascha Beck eine Freiheitsstrafe von acht Jahren und die Unterbringung des schwer alkoholkranken Beschuldigten in einer Entziehungsanstalt beantragt. Dem hat sich die Nebenklage, die das Opfer vertritt, angeschlossen. Der Verteidiger plädierte für eine – gemessen am möglichen Strafrahmen milde – Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Auch er rät dazu, den seit Jahrzehnten alkoholabhängigen Willi D. in einer Suchtklinik unterzubringen und dort behandeln zu lassen. Verminderte Schuldfähigkeit wegen schwerer Alkoholsucht: Sowohl Staatsanwaltschaft und Nebenklage als auch Verteidigung forderten, den Haftbefehl aufrecht zu erhalten – Willi D. sitzt seit seiner Festnahme in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt in Wulkow (Ostprignitz-Ruppin) und soll bis zum Inkrafttreten des Urteils auch hinter Gittern bleiben. Zudem gehen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung wegen der schweren Alkoholsucht des Angeklagten von einer verminderten Schuldfähigkeit aus. Auch das Urteil wird weitestgehend ohne Öffentlichkeit verlesen: Um das Opfer zu schützen, fanden die Schlussvorträge wie bereits große Teile der Hauptverhandlung unter Ausschuss der Öffentlichkeit statt. Das Urteil soll am Mittwoch, 1. April, verkündet werden – auch dann bleiben die Türen zum Gerichtssaal die meiste Zeit für Publikum verschlossen. Laut Gerichtssprecher Sascha Beck wird der Vorsitzende Richter Jörg Tiemann lediglich der Schuldspruch und das Strafmaß öffentlich verkünden – die Urteilsbegründung, die wie die Plädoyers intime Details über das Tatgeschehen enthält, findet ohne Zuschauer statt. Ein Fall, der Potsdam erschüttert hat: Das Verschwinden des Mädchens am 25. Mai 2019 hatte Potsdam erschüttert. Das Kind war bei einem Besuch mit dem Vater und den drei Brüdern im Möbelhaus Porta allein in den Lift gestiegen – sogleich verlor sich jede Spur. Ein Großaufgebot der Polizei suchte nach der Kleinen, die am Nachmittag des 26. Mai auf einer Bank auf halber Strecke zwischen Möbelhaus und Tatort gefunden wurde. Angeklagter berichtete davon, Stimmen zu hören: Willi D. ist wegen des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit weiteren Sexualdelikten, Entziehung Minderjähriger, Freiheitsberaubung und Körperverletzung angeklagt. Dafür sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf bis maximal fünfzehn Jahren vor. Willi D. ist einschlägig vorbestraft. Im Prozess berichtete er dass ihm Stimmen zuraunen: „Die nimmste mit nach Hause, dann machste dit und dit – oder schon unterwegs.“ Das Verfahren gegen Willi D. war im Dezember 2019 eröffnet worden. Das Gericht hat insgesamt 30 Zeugen sowie drei Sachverständige gehört – auch das Mädchen sagte aus. Das Gericht ersparte dem Kind allerdings im Verhandlungssaal Platz zu nehmen: Es wurde per Video zugeschaltet – der Angeklagte hatte sich währenddessen so zu positionieren, dass er nicht auf die Leinwand blicken konnte. Lesen Sie dazu auch: Mitgenommen und missbraucht Mädchen sexuell missbraucht: „Die nimmste mit nach Hause“ Nachbarn sahen Angeklagten mit dem Kind – und reagierten nicht Mädchen sexuell missbraucht: Ärzte sagen aus Von Nadine Fabian

Prozess in Potsdam - Mädchen entführt und sexuell missbraucht: Angeklagter soll in den Entzug