Neue Geschäftsführung am Potsdamer Klinikum überschattet von Betrusgvorwurf und Kritik

Es ist die Chance zum Neuanfang: Die alte Geschäftsführung des städtischen Klinikums ist endgültig abgetreten, das Interims-Duo übernimmt und sieben Monate nach dem Corona-Ausbruch im „Ernst von Bergmann“ könnte das krisengebeutelte Haus nach vorn blicken. Doch einen Tag nach Bekanntgabe der Personal-Entscheidungen überschatten nicht nur die Betrugs-Vorwürfe gegen Interims-Chef Tim Steckel den Neuanfang. Auch die Entscheidung von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) zum Umgang mit Steffen Grebner und Dorothea Fischer als ehemalige Klinik-Leitung wirft zumindest Fragen auf. Anita Tack kritisiert Zeitpunkt der Entscheidung: Für Irritationen sorgt der Zeitpunkt der Entscheidung: Der Bericht der Corona-Kommission wird noch vor Weihnachten vorliegen, wie Kommissionschefin Anita Tack der MAZ am Donnerstag bestätigt: „Jetzt entsteht gerade der Abschlussbericht und die Ergebnisse werden zusammengeführt.“ Dass nur wenige Wochen vorher Tatsachen bei der Geschäftsführung geschaffen werden, kritisiert sie. „Ich hätte es anders herum gemacht. Ich hätte den Bericht abgewartet, denn wir sind im Zeitplan.“ Tack erkennt an, dass die Verantwortung für die Geschäftsführung allein beim Gesellschafter, also dem Oberbürgermeister, liegt. Aber: „Wir wollen als Kommission kein Feigenblatt sein.“ Man habe sehr intensiv gearbeitet und die Interims-Geschäftsführer eingebunden, „weil wir wissen wollten, was sie geändert hat nach dem RKI-Bericht“, so Tack, „offensichtlich bewertet der Aufsichtsrat seinen Auftrag an uns anders, als wir ihn wahrgenommen haben.“ Dennoch sei sie überzeugt, dass Gesellschafter und Aufsichtsrat mit dem Bericht und den Problemstellungen befassen werden. Zum Ausscheiden Grebners sagt sie: „Der Bericht wird offenlegen, dass es Versäumnisse gab, die offensichtlich dazu geführt haben, dass das Vertrauensverhältnis gestört ist.“ Stadt schweigt zu Grebners Abfindung: Die Frage, die sich dann stellt: Sollte der Bericht Grebner klare Versäumnisse nachweisen, hätte das dann Auswirkungen auf die Konditionen, zu denen er nach 13 Jahren den Chefposten im Klinikum räumt? Nach MAZ-Informationen erhält Grebner eine Abfindung in Höhe von 460.000 Euro – ob die unter Vorbehalt stehen, ist offen. Die Stadt erklärt dazu auf Anfrage nur so viel: „Zu Inhalten von Arbeits- und Aufhebungsverträgen ist grundsätzlich Stillschweigen zu wahren.“ Überrascht zeigt sich Kommissions-Chefin Tack zudem, dass die Stelle der medizinischen Geschäftsführung noch nicht neu besetzt worden ist. Wie berichtet, hatte man Dorothea Fischer Ende April zunächst beurlaubt, nun ist auch sie abgetreten. „Den Corona-Ausbruch hat es nur gegeben, weil es Versäumnisse im Schwerpunkt Hygiene gegeben hat“, sagt Tack, „das Klinikum braucht eine medizinische Geschäftsführung im Vorstand, um Pflege und medizinische Betreuung in den Mittelpunkt zu stellen.“ Offene Frage zur Zukunft der medizinischen Geschäftsführung: Die Stadt stellt dazu auf MAZ-Anfrage klar: „Es ist nicht beabsichtigt, langfristig auf eine medizinische Geschäftsführung zu verzichten.“ Stattdessen solle die „medizinisch-pflegerische Kompetenz in der Unternehmensführung langfristig gestärkt werden“ – und zwar „in einem ersten Schritt“ durch die Berufung von Hans-Ulrich Schmidt zum Geschäftsführer. „Schmidt verfügt über eine pflegerische Ausbildung, ein pflegerisches Studium, war als Pflegedirektor bereits tätig“, erklärt die Stadt, „er wird in der Unternehmensleitung künftig den Bereich Pflege mitverantworten.“ Bleibt die Frage: Wer wird dabei langfristig an seiner Seite stehen? Tim Steckel hat nach eigener Aussage darum gebeten, „die Funktion des Geschäftsführers zunächst für sechs Monate weiterhin interimistisch wahrzunehmen“. Grund sind die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Remicade-Komplex, einem Abrechnungsskandal mit Medikamenten am Klinikum 2011. Steckel selbst hatte den Verdacht gegen ihn öffentlich gemacht und beteuert, dass dieser „inhaltlich völlig haltlos“ sei. Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Untreue und Betrug: Fakt bleibt allerdings: Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt wegen des Verdachts von Untreue und Betrug. Und das heißt: Es gibt zumindest „zureichende Anhaltspunkte für eine Verstrickung in den Komplex“, wie Staatsanwalt Markus Nolte auf MAZ-Anfrage erklärt. Steckel selbst will sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht äußern. Sein Anwalt habe am Donnerstag Akteneinsicht erhalten, erklärte Klinik-Sprecherin Damaris Hunsmann auf MAZ-Anfrage. „Und sobald es möglich ist, werden wir die Öffentlichkeit über weitere Erkenntnisse informieren.“ Von Anna Sprockhoff und Peter Degener