Neues Tierheim für Potsdam: Corona-Pandemie hemmt Betrieb

Vico und Fiete sind die ersten Gäste des neuen Potsdamer Tierheims an der Michendorfer Chaussee. Die beiden Kater wurden kurz nach der Betriebsgenehmigung abgegeben. „Sie waren krank, untergewichtig und ohne Mutter“, erzählt Steffi Krüger, die leitende Tierpflegerin: „Sie haben in einer Scheune gelebt und niemand hat sich um sie gekümmert.“ Mittlerweile wurden die Kater von den 200 Gramm zur Zeit ihrer Einlieferung auf jeweils drei Kilogramm aufgepäppelt. Vico trägt nach einer schweren Augen-Operation eine Schutz-Manschette um den Hals. Es gebe Interessenten für die beiden, sagt die Pflegerin: „Aber wegen des Lockdowns ist es schwierig.“ Die Corona-Pandemie hat nicht nur den zuvor schon mehrfach gestreckten Zeitplan bis zur Fertigstellung des Tierheims noch einmal gehörig durcheinandergebracht. Auch die Eröffnungsfeier Ende August musste abgesagt werden. Eröffnungsfeier wurde abgesagt: Ersatzweise gab es Führungen über das Gelände, die nach Angaben von Antje Schwarze, Geschäftsführerin des Tierschutzvereins, auf breites Interesse stießen. Die eigentliche Betriebsgenehmigung lag Mitte Oktober mit der Nutzungsfreigabe im Briefkasten. Doch seither läuft das Tierheim in Ermangelung von Publikumsverkehr auf Sparflamme. Kurz vor Silvester wurden vier Hunde abgegeben. Mit Leo und Michel kamen zwei Kater, die schon wieder vermittelt sind. Und es gab mit Blacky, Danis und einem weiteren Leo eine Dreiergruppe, die als Notfälle von einem Pferdehof eingeliefert wurden, auf dem sie immer wieder von Hunden gehetzt worden seien. Günter Hein, der Vorsitzende des Tierschutzvereins, erzählt, diese drei seien so scheu gewesen, dass man sie nie zu Gesicht bekam: „Die Futternäpfe waren immer leer, aber sie haben sich nicht blicken lassen.“ Die Katzenflüsterin von Michendorf: Zu Hilfe kam den Verein eine ehrenamtliche Katzenflüsterin, die sich tagelang immer wieder in das Katzenzimmer setzte und aus einem Buch vorlas: „Irgendwann sind die dann rausgekommen aus ihren Verstecken, sind um die Frau herum gestrichen, ließen sich schließlich streicheln, wurden zutraulich.“ Auch dieses Trio ist längst weitergegeben worden. Außer Vico, Fiete und den Hunden haben sie zur Zeit noch zwei Kaninchen im Heim. Paul ist ein Abgabetier, wie Steffi Krüger sagt: „Und Lotti ist Dauerpensionsgast.“ Die beiden hausen in einem großen Freigehege, das dem Tierheim als Spende aus Klein Glienicke überlassen wurde: „Und Lotti“, so Antje Schwarze, „gehörte eben dazu.“ Dass derzeit insgesamt kaum Tiere kämen, habe wohl mit Corona zu tun, sagt Antje Schwarze: „Das geht den meisten Tierheimen in Deutschland so.“ Auf dem Gelände wird weitergebaut: Kurzfristig setzt das Tierheim auf eine Vertragspartnerschaft zur Aufnahme von Fund- und Verwahrtieren mit den Umlandgemeinden. Erste Gespräche gebe es. Mittelfristig will die Einrichtung auch mit der Landeshauptstadt zusammenarbeiten, doch dafür seien die Kapazitäten noch zu gering, sagt Hein. Das frühere Potsdamer Tierheim in der Forststraße in Potsdam-West ist vor mehr als zehn Jahren wegen baulicher Mängel geschlossen worden. Potsdams Fund- und Verwahrtiere wurden seither bei Partnern in Schönefeld bei Beelitz, in Kremmen bei Oranienburg und aktuell in Zossen versorgt. Der Tierschutzverein für Potsdam und Umgebung, der das Heim in der Forststraße zuletzt betrieben hat, bemüht sich schon seit Jahren um den Aufbau einer neuen Einrichtung für Potsdam. Das zwei Hektar große Areal an der Michendorfer Chaussee nahe der Ortseinfahrt Wilhelmshorst befindet sich am Rand des sogenannten Sago-Geländes, das von der Stadt für Gewerbeansiedlungen bereitgehalten wird. Für den Neubau wurden von der Stadt im vergangenen Jahr Spendengelder in Höhe von rund 130.000 Euro und eine von den Stadtverordneten beschlossene Anschubfinanzierung von 150.000 Euro freigegeben, mit denen die technische Ausstattung unter anderem der Tierarztpraxis und Personalkosten finanziert werden. Dem im Sommer fertig gestellten Haus links vom Haupteingang mit seinen 600 Quadratmeter Fläche sollen in den nächsten Jahren weitere vier ebenso große auf dem Gelände folgen. Bereits entkernt ist das Haus zur Rechten, in dem auch ein Clubraum eingerichtet werden soll. Eine Bushaltestelle für das Tierheim: Für die Finanzierung des weiteren Ausbaus setze der Tierschutzverein auf Spenden, sagt Hein: „Wir rechnen pro Haus mit 500 000 Euro.“ Reaktiviert wurde zum jüngsten Fahrplanwechsel vor wenigen Wochen die Bushaltestelle am nahen Haupteingang zum Sago-Gelände: „Die war 20 Jahre stillgelegt“, sagt Antje Schwarze: „Zwei Buslinien halten jetzt hier, die 608 und die 643.“ Der Name der Haltestelle: Tierheim. Auch das ist eine Vorbereitung für den regulären Betrieb nach dem erhofften Abklingen der Pandemie: „Irgendwann, wenn das mal vorbei sein sollte, gibt es auch reguläre Öffnungszeiten“, sagt Schwarze. Aktuell seien nur Termine nach Vereinbarung zur Tiervermittlung möglich. Aufnehmen könne das Tierheim laut Nutzungsgenehmigung diverse Hunde, Katzen und Kleintiere. Keine Möglichkeit gebe es für Insekten, Reptilien und sogenannten Listenhunde, sagt Steffi Krüger. In Brandenburg sei es so gut wie unmöglich, Tiere weiter zu vermitteln, die als Kampfhunde gelistet sind. „Pferde, Ziegen und Esel nehmen wir auch nicht.“ Die Aufnahme anderer Tiere scheitere schon an der Qualifikation: „Bei Schlangen wüsste ich gar nicht, welche ist giftig und welche nicht.“ „Für solche Gelegenheiten“, sagt Schwarze, „nutzen wir das Netzwerk des Landes-Tierschutzverbandes.“ Kleine Vögel vom Wellensittich bis zum Kanarienvogel gingen. Tauben seien schon zu groß. „Da fehlt die Unterbringungsmöglichkeit.“ Ein Taubenschlag könnte mit der Erweiterung des Heims aufgebaut werden. Lesen Sie auch Tierheim darf ab sofort Tiere aufnehmen Schirmherr Wolfgang Joop ist begeistert Potsdam gibt Spende an Tierschutzverein weiter Die Mitgliederzahl des Vereins stagniert laut Hein bei 400, Tendenz „leicht nach oben“. Mit einem Zuwachs rechnen sie erst, wenn sich mit einer Lockerung der Pandemie-bedingten Auflagen auch wieder Möglichkeiten für den Einsatz ehrenamtlicher Helfer ergäben. Tierschutzverein plant Jugendgruppe: Als Stichwort nennt Schwarze Gassi-Geher, Tierfreunde, die Hunde ausführen. Der Versicherungsschutz werde dann durch eine Vereinsmitgliedschaft geregelt. Zur Schließung des alten Heimes in der Forststraße in Potsdam-West Ende 2008 habe der Verein 1000 Mitglieder gehabt: „Viele von ihnen waren Ehrenamtler.“ Auch der Aufbau einer Jugend-Tierschutzgruppe sei geplant. Von Volker Oelschläger